Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwärterbezüge, Rückforderung von –. Auflage einer Mindestdienstzeit für Anwärter bei Studium. Rückforderung von Anwärterbezügen aufgrund einer Auflage
Leitsatz (amtlich)
1. Anwärterbezüge können von einem auf eigenen Antrag entlassenen Beamten nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung zurückgefordert werden, wenn sie dem Beamten für die Zeit eines Studiums und einer berufspraktischen Studienzeit unter der „Auflage” gewährt worden sind, im Anschluss an die Ausbildung während einer Mindestdienstzeit im öffentlichen Dienst zu verbleiben (wie Urteile vom 27. Februar 1992 – BVerwG 2 C 28.91 – und vom 10. Februar 2000 – BVerwG 2 A 6.99 –).
2. Für die Rückforderung der Anwärterbezüge ist unerheblich, ob das Studium Voraussetzung für eine weitere Ausbildung sein kann, ob es eine Grundlage für eine privatwirtschaftliche Betätigung bietet oder ob es zumindest eine Qualifikation verschafft, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes genutzt werden kann (Bestätigung des Urteils vom 10. Februar 2000 – 2 A 6.99 –).
3. Der Anspruch auf Rückzahlung von Besoldungsleistungen verjährt nach dreißig Jahren (wie Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 14.81 –).
Normenkette
BBesG § 12 Abs. 2, § 59 Abs. 5; BRRG § 14 Abs. 2; BBG § 18 Abs. 2
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin leistete als Beamtin auf Widerruf seit dem 1. Oktober 1984 den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen Dienstes im Bundesnachrichtendienst. In dessen Rahmen absolvierte sie erfolgreich ein Studium an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung des Bundes. Vor ihrer Einstellung war ihr mitgeteilt worden, die Anwärterbezüge würden mit der Auflage gewährt, dass die Ausbildung nicht vorzeitig aus einem von ihr zu vertretenden Grund ende und sie im Anschluss an ihre Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem öffentlichen Dienst ausscheide.
Auf ihren Antrag wurde die Klägerin zum 5. Oktober 1987 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen. Mit Schreiben vom 12. Januar 1989 teilte ihr die Beklagte mit, dass wegen ihres Ausscheidens Anwärterbezüge in Höhe von 11 991 DM zurückzufordern seien; hierauf werde jedoch verzichtet u.a. unter der Bedingung, dass sie nach Abschluss ihres Studiums und ggf. eines anschließenden Vorbereitungsdienstes wieder in den öffentlichen Dienst eintrete und nicht vor Ablauf von drei Jahren aus einem von ihr zu vertretenden Grunde aus dem öffentlichen Dienst ausscheide.
Nachdem die Klägerin bis Februar 1995 Immatrikulationsbescheinigungen vorgelegt hatte, teilte sie im Februar 1998 mit, sie habe ihre Ausbildung beendet. Mit Bescheid vom 29. Juli 1999 forderte die Beklagte sie zur Zahlung von 11 991 DM auf.
Nach erfolglosem Widerspruch hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie beantragt,
die Bescheide der Beklagten vom 29. Juli 1999 und vom 29. September 2000 aufzuheben.
Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend:
Der von der Beklagten geltend gemachte Anspruch sei nach vier Jahren verjährt. Die Dienstbezüge seien mit Rechtsgrund und deshalb nicht „zu viel” gezahlt worden. Vielmehr beruhe die Rückforderung darauf, dass Auflagen nicht erfüllt worden seien. Sie – die Klägerin – habe während des Vorbereitungsdienstes auch kein Studium im Sinne des § 59 BBesG abgeleistet. Das Studium an der Fachhochschule des Bundes werde im Rahmen des Vorbereitungsdienstes für die Laufbahn des gehobenen Dienstes grundsätzlich von allen Anwärtern durchlaufen und habe keinen Bildungsvorteil vermittelt.
Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Bescheide und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Klage, über die das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug zu entscheiden hat (§ 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO), ist unbegründet. Die Beklagte ist nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG i.V.m. § 812 Abs. 1 Satz 2, 2. Alternative BGB berechtigt, von der Klägerin durch Leistungsbescheid 11 991 DM zu fordern, weil Anwärterbezüge in diesem Umfang während der Zeit von Oktober 1984 bis 5. Oktober 1987 „zu viel” gezahlt worden sind.
Nach § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist der Beamte zur Rückzahlung von Bezügen nicht nur dann verpflichtet, wenn die Bezüge bereits ursprünglich rechtswidrig gezahlt worden sind. Vielmehr besteht die Zahlungsverpflichtung auch dann, wenn der mit der Leistung bezweckte Erfolg nicht eintritt (§ 812 Abs. 1 Satz 2 BGB). In diesem Falle sind die Bezüge – bei nachträglicher Beurteilung – ebenfalls „zu viel” gezahlt worden.
Einen derartigen Zweck der Zahlung von Bezügen hat die Beklagte mit ihrem Hinweis von September 1984 ausdrücklich dahin gehend bestimmt, dass die Klägerin im Anschluss an ihre Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem öffentlichen Dienst ausscheide. Dieser Erfolg ist indessen nicht eingetreten, weil die Klägerin nach Bestehen der Abschlussprüfung aus freiem Entschluss ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis beantragt hat. Damit ist der mit der Zahlung von Anwärterbezügen an die Klägerin verfolgte Zweck, sie für längere Zeit an die Beklagte zu binden, nicht eingetreten.
Die Beklagte war gemäß § 59 Abs. 5 BBesG befugt, die Zahlung der Anwärterbezüge u.a. davon abhängig zu machen, dass die Klägerin im Anschluss an die Ausbildung nicht vor Ablauf einer Mindestdienstzeit von fünf Jahren auf eigenen Antrag aus dem öffentlichen Dienst ausschied. Bei der „Auflage” im Sinne des § 59 Abs. 5 BBesG handelt es sich nicht um eine Auflage im rechtstechnischen Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG oder um eine andere Art von Nebenbestimmung, sondern um eine besondere Zweckbestimmung, die mit der Zahlung der Anwärterbezüge verfolgt wird. Die verfassungsrechtlich nicht zu beanstandende Ermächtigung umfasst auch die Befugnis, die Anwärterbezüge an die – vor deren Auszahlung ausdrücklich zu erklärende – Verpflichtung zu koppeln, das Studium im Rahmen des Vorbereitungsdienstes bis zum Abschluss zu absolvieren, im Anschluss daran in den öffentlichen Dienst einzutreten und darin während einer Mindestdienstzeit zu verbleiben (vgl. Urteile vom 27. Februar 1992 – BVerwG 2 C 28.91 – Buchholz 240 § 59 BBesG Nr. 7 S. 5 ff. und vom 10. Februar 2000 – BVerwG 2 A 6.99 – Buchholz 240 § 59 BBesG Nr. 10 S. 2).
Durch das Schreiben vom 12. Januar 1989, mit dem die Beklagte den Rückforderungsanspruch davon abhängig gemacht hat, dass die Klägerin nach Abschluss ihrer weiteren Ausbildung erneut in den öffentlichen Dienst eintrete und nicht vor Ablauf von drei Jahren aus einem von ihr zu vertretenden Grunde wieder ausscheide, wurde die ursprüngliche Zweckbestimmung nicht aufgehoben, sondern ausschließlich zu Gunsten der Klägerin in zulässiger Weise modifiziert.
Gemäß § 59 Abs. 5 BBesG kann sich die Zweckbestimmung auf die Anwärterbezüge erstrecken, die sowohl für die Zeit des Unterrichts an der Fachhochschule als auch für die berufspraktischen Studienzeiten gezahlt werden (vgl. Urteile vom 27. Februar 1992, a.a.O. und vom 10. Februar 2000, a.a.O.).
Die Ermächtigung des § 59 Abs. 5 BBesG beschränkt sich nicht darauf, die Rückforderung von Anwärterbezügen zu ermöglichen, wenn der Beamte auf Widerruf ein Studium absolviert, das Voraussetzung für eine weitere Ausbildung ist oder das eine Grundlage für eine privatwirtschaftliche Betätigung bietet oder zumindest eine Qualifikation verschafft, die auch außerhalb des öffentlichen Dienstes genutzt werden kann (vgl. Urteil vom 10. Februar 2000, a.a.O. S. 3). Der Wortlaut des § 59 Abs. 5 BBesG setzt ein Studium im Rahmen eines Vorbereitungsdienstes voraus, ohne die Art des Studiums – insbesondere hinsichtlich seiner anderweitigen Verwertbarkeit – näher zu bestimmen. Nach Sinn und Zweck soll die Vorschrift sicherstellen, dass Anwärter, die zunächst im Rahmen ihres Vorbereitungsdienstes an einer Fachhochschule studieren und nach dem Abschluss nicht mehr bereit sind, als Beamte im Dienst eines öffentlich-rechtlichen Dienstherrn zu verbleiben, keine finanziellen Vorteile gegenüber anderen Studierenden erlangen (BTDrucks 7/1906 S. 90; Begründung der Bundesregierung zu § 62 des Entwurfes eines Zweiten Gesetzes zur Vereinheitlichung und Neuregelung des Besoldungsrechts in Bund und Ländern).
Der Vorteil, den die eine Rückforderung ermöglichende „Auflage” gemäß § 59 Abs. 5 BBesG ausgleichen soll, besteht darin, dass ein Studium im Rahmen eines Beamtenverhältnisses gefördert wird und der Beamte auf Widerruf während des Studiums insbesondere einen Anspruch auf Besoldung hat. Diese kostenaufwendige Form der Ausbildung im Rahmen des Vorbereitungsdienstes privilegiert die „Anwärterstudenten” im Vergleich mit anderen Beamten auf Widerruf im Vorbereitungsdienst und im Vergleich mit Studierenden, die während ihrer Ausbildung keine Bezüge nach dem Bundesbesoldungsgesetz erhalten. Unerheblich ist insoweit, dass das Studium während des Vorbereitungsdienstes für die Laufbahnen des gehobenen Dienstes obligatorisch ist (vgl. § 14 Abs. 2 BRRG). Aufgrund der Besonderheiten des durch ein Studium geprägten Vorbereitungsdienstes ist es gerechtfertigt, die Grundsätze der strengen Gesetzesbindung der Besoldung (§ 2 Abs. 1 und 2 BBesG), der Unverzichtbarkeit der Besoldung (§ 2 Abs. 3 BBesG) und der besoldungsrechtlichen Gleichbehandlung (Art. 3 Abs. 1 GG) durch individuelle „Auflagen” auf der Grundlage des § 59 Abs. 5 BBesG zu modifizieren.
Benachteiligungen der Beamten auf Widerruf, die wegen einer „Auflage” nach § 59 Abs. 5 BBesG zur Rückzahlung der Anwärterbezüge verpflichtet sind, werden – pauschalierend und typisierend – dadurch vermieden, dass sich die Rückzahlungspflicht auf den Teil der Anwärterbezüge beschränkt, der den Betrag in § 2 Abs. 2 Satz 2 BKGG in der jeweils geltenden Fassung überschreitet (Tz. 59.5.2 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz vom 29. Mai 1980, GMBl S. 290).
Bei Erlass des angegriffenen Bescheides war der Anspruch der Beklagten auf Rückforderung der Anwärterbezüge nicht verjährt. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats tritt die Verjährung der Rückforderung von Besoldungsleistungen gemäß § 195 BGB nach dreißig Jahren ein (Urteil vom 25. November 1982 – BVerwG 2 C 14.81 – BVerwGE 66, 251, 252 ff.). Die Verjährungsfrist von vier Jahren gemäß § 197 BGB, die u.a. für Ansprüche auf Rückstände von Besoldungen vorgesehen ist, gilt danach nicht für den Rückforderungsanspruch, der nicht an die Stelle des Besoldungsanspruchs tritt und auch nicht auf eine regelmäßig wiederkehrende Leistung gerichtet ist.
Schließlich brauchte die Beklagte nicht gemäß § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abzusehen. Sie hat die Klägerin ausdrücklich darauf hingewiesen, dass über „eventuelle Erleichterungen” aufgrund besonderer Begründung und Darlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse entschieden werden könne. Die Klägerin hat aber keine Umstände vorgetragen, die die Beklagte hätten veranlassen können und müssen, den Betrag nicht auf einmal und/oder mit sofortiger Fälligkeit zurückzufordern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 13.09.2001 durch Schütz Justizsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
NVwZ-RR 2002, 203 |
ZBR 2003, 43 |
ZTR 2002, 95 |
DÖD 2002, 121 |
RiA 2003, 96 |
DVBl. 2002, 211 |
NPA 2002, 0 |