Entscheidungsstichwort (Thema)
Eichrecht. Fertigpackung. Transportverpackung. Umhüllung. Nennfüllmenge. Letztverbraucher. Endverbraucher. Großhandel. Warenverkehr. Warenverkehrsfreiheit. Verbraucherschutz. Lauterkeit des Handelsverkehrs. Erforderlichkeit
Leitsatz (amtlich)
Gebinde von Fleisch, die vom Verkäufer in Folie eingeschweißt in den Verkehr gebracht werden, sind Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge und unterliegen den Anforderungen des Eichrechts. Das gilt auch für den Großhandel.
Normenkette
EichG §§ 6-7; FPackV § 25; EG Art. 28, 30
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 24.01.2006; Aktenzeichen 6 A 11237/05) |
VG Koblenz (Entscheidung vom 30.06.2005; Aktenzeichen 6 K 2503/04.KO) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 24. Januar 2006 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Klägerin vertreibt in Kunststofffolie eingeschweißte Fleischerzeugnisse an den Lebensmitteleinzelhandel, die dort zum losen Verkauf an Endverbraucher bestimmt sind. Sie gibt auf den Folien das Bruttogewicht an, nicht aber das Nettogewicht.
Am 2. März 2004 führte das Eichamt Trier in einem Supermarkt in Trier eine Kontrolle durch und stellte fest, dass bei der Mehrzahl der von der Klägerin gelieferten Packungen das gemessene Füllgewicht mehr als zulässig hinter dem auf der Packung angegebenen Gewicht zurückblieb. Mit Schreiben vom 25. Mai 2004 beanstandete die Eichdirektion Rheinland-Pfalz, dass die Klägerin damit gegen § 25 der Fertigpackungsverordnung (FPackV) verstoßen habe, und leitete ein Bußgeldverfahren ein, das im Hinblick auf den vorliegenden Rechtsstreit ausgesetzt wurde.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Feststellung, dass die im Schreiben der Eichdirektion Rheinland-Pfalz vom 25. Mai 2004 genannten Packungen nicht den Anforderungen des § 25 FPackV unterliegen. Es handele sich nicht um Fertigpackungen im Sinne der Verordnung. Die Folie sei eine Umhüllung, die bei frischem Fleisch aus hygienerechtlichen Gründen vorgeschrieben sei und allein zu Transportzwecken diene. Sie werde vom Einzelhandel wieder entfernt; das Fleisch werde alsdann lose an Endverbraucher verkauft. Die Vorschriften des Eichgesetzes und der Fertigpackungsverordnung gälten aber nach ihrem Sinn und Zweck nur bei Abgabe an Endverbraucher. Der Einzelhandel bedürfe keines Schutzes, schon weil seine Belieferung durch den Großhandel nach internationalem Handelsbrauch auf der Basis des Bruttogewichts erfolge. Deshalb entspreche es internationaler Gepflogenheit, auf eingeschweißtem Fleisch das Brutto- und nicht das Nettogewicht anzugeben. Durch eine deutsche Vorschrift, die – allein oder zusätzlich – die Angabe des Nettogewichts verlange, werde der Handel zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft unzulässig eingeschränkt.
Das Verwaltungsgericht Koblenz hat die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2005 abgewiesen. Einschweißungen wie die vorliegenden seien Fertigpackungen im Sinne des Eichgesetzes und des § 25 FPackV. Die Begriffsmerkmale, wie sie § 6 Abs. 1 EichG definiere, seien erfüllt. Hiervon seien zwar nach allgemeiner Auffassung reine Transportverpackungen auszunehmen, doch dienten die vorliegenden Einschweißungen nicht allein Transport-, sondern auch hygienischen sowie Kommissionierungsgründen. Die Abnehmer der Klägerin seien auch Verbraucher im Sinne des Eichrechts; die ursprüngliche Beschränkung des Eichrechts auf den Verkauf an Letztverbraucher sei bereits 1976 aufgegeben worden, so dass seither auch vorgelagerte Handelsstufen erfasst würden. Das stehe mit europäischem Gemeinschaftsrecht im Einklang. Sekundäres Gemeinschaftsrecht enthalte nur Vorgaben für die letzte Handelsstufe; das schließe weiterreichende nationale Vorschriften für vorgelagerte Handelsstufen nicht aus. Auch primäres Gemeinschaftsrecht sei nicht verletzt; die Behinderung des innergemeinschaftlichen Warenverkehrs sei durch hinreichende Gründe des gemeinen Wohls, nämlich zum Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs gerechtfertigt.
Mit Urteil vom 24. Januar 2006 hat das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung hat es auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen und diese weiter vertieft.
Mit ihrer Revision wiederholt und bekräftigt die Klägerin ihre Auffassung, dass sie nicht zur Angabe der Nettofüllmenge auf derartigen Packungen verpflichtet sei. Die Umhüllungen dienten allein der Wahrung der gebotenen Fleischhygiene auf dem nötigen Transport zum Einzelhandel. Solche Sachverhalte habe das Eichrecht nicht im Blick. Der Einzelhandel bedürfe auch keines solchen Schutzes. Zum einen sei er dem Großhandel im Handelsverkehr nicht typischerweise unterlegen; zum anderen erfolge die Abrechnung nach internationalem Handelsbrauch nicht auf der Grundlage des Netto-, sondern des Bruttogewichts. Deshalb beschränke sich das einschlägige sekundäre Gemeinschaftsrecht auf die Verpflichtung zur Angabe des Nettogewichts auf Packungen, die für End- oder Letztverbraucher bestimmt seien. Nationales Recht dürfe darüber nicht hinausgehen. Werde der Großhandel gleichwohl zur Angabe des Nettogewichts verpflichtet, so liege darin ein Handelshemmnis im internationalen Verkehr, für das eine Rechtfertigung fehle, das namentlich nicht erforderlich sei. Hierzu sei gegebenenfalls eine Vorhabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs einzuholen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Auch der Vertreter des Bundesinteresses hält die Revision für unbegründet.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben mit Recht festgestellt, dass die im Schreiben der Eichdirektion Rheinland-Pfalz vom 25. Mai 2004 genannten Packungen den Anforderungen des § 25 FPackV unterliegen; denn sie sind Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge im Sinne des Eichrechts.
1. Der Entscheidung des Rechtsstreits sind das Gesetz über das Mess- und Eichwesen (Eichgesetz – EichG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. März 1992 (BGBl I S. 711), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 2. Februar 2007 (BGBl I S. 58), und die Verordnung über Fertigpackungen (Fertigpackungsverordnung – FPackV) i.d.F. der Bekanntmachung vom 8. März 1994 (BGBl I S. 451, 1307), zuletzt geändert durch § 29 der Verordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407, 2459), zugrunde zu legen. Nach § 7 Abs. 1 EichG (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 FPackV) dürfen Fertigpackungen nur hergestellt, in den Geltungsbereich dieses Gesetzes verbracht oder in den Verkehr gebracht werden, wenn die Nennfüllmenge angegeben ist und die Füllmenge den festgelegten Anforderungen entspricht. Diese Anforderungen werden in § 22 FPackV für Fertigpackungen gleicher Nennfüllmenge und in § 25 FPackV für Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge im Sinne gewisser Toleranzen für Minusabweichungen festgelegt (vgl. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EichG).
2. Die Klägerin bringt in Folie eingeschweißtes Frischfleisch in Gebinden mit ungleicher Füllmenge in den Verkehr. Hierbei handelt es sich um Fertigpackungen im Sinne von § 7 EichG und § 25 FPackV. § 6 Abs. 1 EichG definiert Fertigpackungen im Sinne dieses Gesetzes als Erzeugnisse in Verpackungen beliebiger Art, die in Abwesenheit des Käufers abgepackt und verschlossen werden, wobei die Menge des darin enthaltenen Erzeugnisses ohne Öffnen oder merkliche Änderung der Verpackung nicht verändert werden kann. Diese Voraussetzungen liegen vor, was auch die Klägerin nicht bezweifelt. Sie meint jedoch, die gesetzliche Begriffsdefinition bedürfe der einschränkenden Auslegung. Dem sind die Vorinstanzen mit Recht nicht gefolgt.
a) Nach allgemeiner Auffassung sind reine Transportverpackungen nicht als Fertigpackungen anzusehen (OVG Münster, Urteil vom 30. November 1988 – 9 A 167/88 – juris; OVG Bautzen, Beschluss vom 2. Dezember 2003 – 3 BS 141/03 – juris; Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Rn. 18 zu § 6 EichG; Strecker, Fertigpackungsrecht, Anm. 2 zu § 6 EichG). Das findet seine Grundlage darin, dass sie vom Schutzzweck des Eichgesetzes und der Fertigpackungsverordnung nicht betroffen sind. Das Eichrecht bezweckt, dass der Verbraucher über die Menge des Inhalts der Fertigpackung informiert wird und auch eine entsprechende Menge erhält (vgl. § 1 Nr. 1 EichG). Dieser Schutzzweck wird nicht berührt, wenn das Packmittel ausschließlich dazu dient, den Transport der Ware zu erleichtern oder die Ware während des Transports gegen Verlust und Beschädigung zu schützen (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 4 Verpackungsverordnung). In der Entwurfsbegründung zu § 14 Abs. 3 des Eichgesetzes vom 11. Juli 1969, der Vorgängerbestimmung zu § 6 EichG, wurde deshalb hervorgehoben, dass Transportumhüllungen oder sonstige Umhüllungen, die ausschließlich anderen Zwecken als der unmittelbaren Abgabe an den Verbraucher dienen, nicht unter den Begriff der Fertigpackung im Sinne des Eichgesetzes fallen sollten (BTDrucks 5/1073 S. 22).
Hierauf beruft sich die Klägerin jedoch ohne Erfolg. Dabei mag zutreffen, dass sie ihre Erzeugnisse aus Gründen der Fleischhygiene einschweißt. Ebenso mag zutreffen, dass sie dabei vornehmlich den Transport zum Einzelhändler im Blick hat. Auf ihre subjektiven Absichten und Vorstellungen kommt es jedoch nicht an; entscheidend ist vielmehr eine objektive Beurteilung nach der Verkehrsanschauung. Eine Fertigpackung liegt vor, wenn das Erzeugnis als verpacktes in den Verkehr gebracht wird; ein unverpackt in den Verkehr gebrachtes Erzeugnis wird hingegen nicht dadurch zur Fertigpackung, dass es nur für Zwecke eines nötigen Transports – und insofern vorübergehend – verpackt wird. Den Feststellungen des Beklagten und der Vorinstanzen lässt sich entnehmen, dass Fleischlieferungen der vorliegend in Rede stehenden Art stets in umhüllter bzw. verpackter Weise erfolgen. Die Verpackung ist hygienerechtlich vorgeschrieben und wird vom Geschäftsverkehr erwartet. Ihr Zweck besteht unabhängig von einem Transport etwa in der Konservierung, auch in der Reifung bestimmter Fleischerzeugnisse. Er geht auch zeitlich über einen etwaigen Transport hinaus. Namentlich erledigt er sich nicht mit dem Ende des Transports; vielmehr bleibt die Einschweißung für die Zeit einer etwa nachfolgenden Lagerung beim Einzelhändler erhalten und wird erst unmittelbar vor dem losen Abverkauf im Laden beseitigt. All dies zeigt: Die Klägerin bringt das Fleisch nicht lose, sondern als eingeschweißtes Gebinde, also als verpacktes Erzeugnis in den Verkehr.
b) Fertigpackungen sind nicht nur verpackte Erzeugnisse, die als solche an End- oder Letztverbraucher abgegeben werden sollen. Dementsprechend erfassen § 7 EichG, § 6 Abs. 1 Satz 1, § 25 Abs. 1 FPackV nicht nur den Verkauf an Letztverbraucher, sondern jegliches Inverkehrbringen (vgl. § 6 Nr. 3 EichG). Das ergibt sich schon daraus, dass für Fertigpackungen zur Abgabe an Letztverbraucher teilweise besondere Bestimmungen bestehen (vgl. § 31 Abs. 2 Nr. 2, § 33a Nr. 2 FPackV). Es entspricht auch Sinn und Zweck des Gesetzes, welches jeden Verbraucher – nicht nur den Letztverbraucher – schützen will (vgl. § 1 Nr. 1 EichG): Auch der gewerbliche Käufer ist Verbraucher in diesem Sinne und soll beim Erwerb messbarer Güter geschützt werden; und das Interesse eines lauteren Handelsverkehrs an richtigem Messen im geschäftlichen Verkehr besteht auch beim beiderseitigen Handelskauf. So haben Einzelhändler ein schützenswertes Interesse daran, dass der Großhändler ihnen verpackte Erzeugnisse unter Angabe des Gewichts liefert und dass sie auf die Richtigkeit der Gewichtsangabe vertrauen können, zumal wenn sie die Erzeugnisse auspacken und weiterverarbeiten oder lose an Endverbraucher abgeben. Die Beschränkung des Begriffs der Fertigpackung auf verpackte Erzeugnisse zur Abgabe an Letztverbraucher in der ursprünglichen Fassung des Eichgesetzes (vgl. § 14 Abs. 3 EichG i.d.F. vom 11. Juli 1969, BGBl I S. 763), auf die sich die Klägerin vor allem beruft, wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Eichgesetzes vom 20. Januar 1976 (BGBl I S. 141) aufgegeben (vgl. BTDrucks 7/4016 S. 11).
c) Für eine teleologische Reduktion des Begriffs, die verpackte Erzeugnisse zur Abgabe an weitere Händler ausnähme, besteht kein Anlass.
Die Klägerin hält derartige Käufer nicht für schutzwürdig. Sie leitet dies daraus her, dass solche Händler – zumeist große Einzelhandelsketten – dem Verkäufer regelmäßig nicht wirtschaftlich unterlegen seien. Das mag sein; doch lässt dies den Schutzzweck des Eichrechts nicht entfallen. Auch bei wirtschaftlich gleich starken Vertragspartnern besteht ein Interesse des Käufers daran, dass nach Mengen gehandelte Ware, wenn sie vom Verkäufer einseitig verpackt wird, mit ihrem Nenngewicht (Sollgewicht) bezeichnet wird und dass das Füllgewicht (Istgewicht) der Bezeichnung entspricht. Es liegt in der politischen Entscheidung des Gesetzgebers, dieses Interesse durch eichrechtliche Vorschriften zu schützen. Das dient weniger dem Schutz des schwächeren Vertragspartners als allgemein der Verlässlichkeit und Lauterkeit und damit auch der Leichtigkeit des Handelsverkehrs (vgl. § 1 Nr. 1 Halbs. 2 EichG).
Die Klägerin meint ferner, die Angabe des Nettogewichts sei für den Käufer nutzlos, wenn – wie häufig und auch in ihrem Falle – zwischen den Vertragspartnern nach Bruttogewicht abgerechnet werde. Das liegt neben der Sache. Der Zweck des Eichrechts liegt darin, dass eine Gewichtsangabe erfolgt und dass diese verlässlich ist. Dass das Eichrecht – durchgängig – auf das Nettogewicht abhebt, mag dazu führen, dass die Gewichtsangabe für die Abrechnung zwischen den Vertragspartnern nur von bedingtem Wert ist. Der Erleichterung dieser Abrechnung will es aber auch nicht dienen.
3. Europäisches Gemeinschaftsrecht nötigt nicht zu einer anderen Auslegung.
a) Die Klägerin ist der Ansicht, die in Rede stehende Einschweißung ihrer Erzeugnisse stelle, weil sie zuvörderst der Fleischhygiene diene, eine Umhüllung im Sinne der fleischhygienerechtlichen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts dar. Sie möchte daraus den Schluss ziehen, dass sie deshalb nicht als Verpackung anzusehen sei; denn das Gemeinschaftsrecht unterscheide zwischen Umhüllungen und Verpackungen.
Richtig ist, dass die Einschweißung frischen Fleisches im Sinne der hygienerechtlichen Vorschriften des Gemeinschaftsrechts eine Umhüllung und keine Verpackung darstellt. Das ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 Buchst. j und k der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene (ABl EG Nr. L 139 S. 1) und aus Art. 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs (ABl EG Nr. L 139 S. 55). Diese Verordnungen sind mit Wirkung vom 1. Januar 2006 – soweit hier von Interesse – an die Stelle der von der Klägerin zitierten Richtlinie 77/99/EWG des Rates vom 21. Dezember 1976 zur Regelung gesundheitlicher Fragen beim innergemeinschaftlichen Handelsverkehr mit Fleischerzeugnissen (ABl EG Nr. L 26 S. 85) getreten, die durch Art. 2 Ziff. 5 der Richtlinie 2004/41/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 (ABl EG Nr. L 157 S. 33) aufgehoben worden ist; sie sind deshalb für die Entscheidung über die vorliegende Feststellungsklage heranzuziehen. Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. j der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 bezeichnet der Ausdruck “Umhüllung” das Platzieren eines Lebensmittels in eine Hülle oder ein Behältnis, die das Lebensmittel unmittelbar umgeben, sowie diese Hülle oder dieses Behältnis selbst, während nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. k dieser Verordnung der Ausdruck “Verpackung” das Platzieren eines oder mehrerer umhüllter Lebensmittel in ein zweites Behältnis sowie dieses Behältnis selbst bezeichnet.
Allerdings gelten diese Begriffe, wie die Eingangswendung des Art. 2 Abs. 1 zeigt, nur für die Zwecke dieser Verordnung und damit nur für die Zwecke des Fleischhygienerechts. Das lässt keine Rückschlüsse auf die Verwendung des Wortes “Verpackung” in anderen Regelungszusammenhängen zu. Es ist weder ausgeschlossen noch gar unzulässig, dass das Wort “Verpackung” im Rahmen des Eichrechts mit einer abweichenden Begriffsdefinition Verwendung findet. Daher können die in Rede stehenden Einschweißungen zugleich Umhüllungen im Sinne des Hygienerechts und Verpackungen im Sinne des Eichrechts sein.
b) Die Klägerin ist des Weiteren der Auffassung, die etikettierungsrechtlichen Vorschriften des europäischen Gemeinschaftsrechts gälten nur für die Abgabe an End- oder Letztverbraucher, weshalb die Mitgliedstaaten gehindert seien, zusätzliche Vorschriften für vorgelagerte Handelsstufen zu erlassen.
Richtig ist, dass die Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hierfür (ABl EG Nr. L 109 S. 29), zuletzt geändert durch die Richtlinie 2006/142/EG der Kommission vom 22. Dezember 2006 (ABl EG Nr. L 368 S. 110), gemäß ihres Art. 1 Abs. 1 nur für die Etikettierung, Aufmachung und Bewerbung von Lebensmitteln gilt, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 und Art. 8 der Richtlinie schreiben die zwingende Angabe der Nettofüllmenge bei vorverpackten Lebensmitteln – die den Fertigpackungen nach dem Eichrecht entsprechen – vor; gemäß Art. 1 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie bedeutet “vorverpackte Lebensmittel” aber nur die Verkaufseinheit, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher (oder an Einrichtungen wie Gaststätten, Krankenhäuser oder Kantinen) abgegeben werden soll.
Die Richtlinie 2000/13/EG steht indes nationalen Vorschriften über die Kennzeichnung von Lebensmitteln hinsichtlich vorgelagerter Handelsstufen nicht entgegen. Mit der Richtlinie sollten die allgemeinen, horizontalen Gemeinschaftsregeln für alle Lebensmittel festgesetzt werden, die in den Handel gebracht werden (Erwägungsgrund 5), während spezifische, vertikale Regeln, die nur bestimmte Lebensmittel betreffen, im Rahmen der Vorschriften für diese Erzeugnisse festgelegt werden (Erwägungsgrund 6). Der horizontale Charakter der Richtlinie hat jedoch eine Regelung für sämtliche Lebensmittel noch nicht zugelassen. Vielmehr beschränkt sich der Anwendungsbereich der Richtlinie – im Sinne eines ersten Stadiums gemeinschaftsrechtlicher Normierung – auf die Lebensmittel, die an Endverbraucher abgegeben werden sollen; die Normen für die Etikettierung von Erzeugnissen, die noch weiterverarbeitet oder zubereitet werden sollen, werden in einer künftigen zweiten Phase der europäischen Rechtsetzung festgelegt (vgl. den Erwägungsgrund 10 der Richtlinie sowie den Erwägungsgrund 5 der Vorgängerrichtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978, ABl EG Nr. L 33 S. 1). Damit verbleiben Bestimmungen zu derartigen Erzeugnissen bislang außerhalb des durch diese Richtlinie (weitgehend) harmonisierten Bereichs und unterliegen grundsätzlich weiterhin der Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten.
Diese wird auch nicht durch Art. 18 der Richtlinie eingeschränkt. Nach dieser Vorschrift dürfen die Mitgliedstaaten den Verkehr mit Lebensmitteln, die den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen, vorbehaltlich der Ausnahmen des Absatzes 2 nicht durch die Anwendung nichtharmonisierter einzelstaatlicher Vorschriften verbieten, die die Etikettierung und Aufmachung einzelner Lebensmittel oder der Lebensmittel im Allgemeinen regeln. Auch diese Vorschrift verbleibt innerhalb des Anwendungsbereichs der gesamten Richtlinie und erfasst mithin nur Lebensmittel, die ohne weitere Verarbeitung an den Endverbraucher abgegeben werden sollen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 13. März 2003 – Rs. C-229/01, Susanne Müller – (Slg. I-2587). Dort hat der Gerichtshof eine Vorschrift des nationalen (österreichischen) Rechts, die über die gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Pflicht zur Angabe des Mindesthaltbarkeitsdatums eines Lebensmittels hinaus die deutliche Hervorhebung einer etwaigen Überschreitung dieses Datums vorsah, als nichtharmonisierte Vorschrift des nationalen Rechts den Anforderungen des Art. 18 der Richtlinie unterworfen (insb. Rn. 27 ff.). Dies bewegte sich aber innerhalb des durch Art. 1 Abs. 1 und 2 bestimmten Anwendungsbereichs der Richtlinie. Dass Art. 18 auch außerhalb dieses Anwendungsbereichs gälte, dass Art. 18 mit anderen Worten in Widerspruch zu Art. 1 Abs. 1 und 2 der Richtlinie träte, lässt sich der Entscheidung nicht entnehmen.
c) Schließlich verweist die Klägerin darauf, dass eichrechtliche Vorschriften der Europäischen Gemeinschaft nur hinsichtlich Fertigpackungen gleicher Nennfüllmenge bestehen; auch hieraus zieht sie den Schluss, dass nationale Vorschriften über Fertigpackungen mit ungleicher Nennfüllmenge gemeinschaftsrechtlich unzulässig seien.
Wiederum trifft der Ausgangspunkt der Klägerin zu: Mit der – weiterhin gültigen – Richtlinie des Rates vom 20. Januar 1976 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung bestimmter Erzeugnisse nach Gewicht und Volumen in Fertigpackungen (ABl EG Nr. L 46 S. 1), zuletzt geändert durch die Richtlinie 78/891/EWG der Kommission vom 28. September 1978 (ABl EG Nr. L 311 S. 21), hat die Europäische Gemeinschaft im Interesse einer korrekten Verbraucherinformation (Erwägungsgrund 2) eichrechtliche Vorschriften über Fertigpackungen erlassen, die aber nur für Fertigpackungen gelten, die in konstanten, einheitlichen Nennfüllmengen in den Verkehr gebracht werden sollen (Art. 1) – übrigens nicht nur bei Abgabe an Endverbraucher, sondern auch bei Verkauf auf vorgelagerten Handelsstufen. Die Richtlinie untersagt den Mitgliedstaaten jedoch nicht, entsprechende Vorschriften auch für Fertigpackungen ungleicher Nennfüllmenge zu erlassen. Hierüber trifft sie überhaupt keine Regelung, so dass es auch unter diesem Gesichtspunkt insofern bei der Regelungsautonomie der Mitgliedstaaten verbleibt.
5. Das in § 7 Abs. 1 EichG enthaltene Verbot, Fertigpackungen ohne Angabe der Nennfüllmenge und ohne deren Einhaltung in den Geltungsbereich des Gesetzes zu verbringen, behindert den Handel in der Europäischen Gemeinschaft nicht unzulässig.
Insofern ist – wie gezeigt – Art. 18 der Richtlinie 2000/13/EG nicht einschlägig. Der rechtliche Maßstab ergibt sich vielmehr aus Art. 28, 30 EG. Nach Art. 28 EG sind mengenmäßige Einfuhrbeschränkungen sowie alle Maßnahmen gleicher Wirkung verboten. Dem Berufungsgericht ist darin zuzustimmen, dass nationale Vorschriften wie § 7 EichG und § 25 FPackV, welche die Angabe der Nennfüllmenge (des Nettogewichts) bei vorverpacktem Fleisch auch dann verlangen, wenn das Erzeugnis nicht an End- oder Letztverbraucher abgegeben werden soll, die Einfuhr derartiger Erzeugnisse aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet nach Deutschland in gleicher Weise wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung behindern können (vgl. EuGH, Urteile vom 6. Juli 1995 – Rs. C-470/93, Mars – Slg. I-1923 Rn. 12 und vom 11. Dezember 2003 – Rs. C-322/01, Doc Morris – Slg. I-14887 Rn. 67). Ihm ist aber auch weiter darin zuzustimmen, dass § 7 EichG und § 25 FPackV nach Art. 30 EG gleichwohl gemeinschaftsrechtlich zulässig sind. Hiernach stehen die Bestimmungen des Art. 28 EG Einfuhrbeschränkungen nicht entgegen, die unter anderem aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt sind, sofern sie weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist anerkannt, dass zu den Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auch die Erfordernisse der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des Verbraucherschutzes zählen (vgl. EuGH, Urteile vom 20. Februar 1979 – Rs. 120/78, Cassis de Dijon – Slg. I-649 Rn. 8 und vom 6. Juli 1995 a.a.O. Rn. 15). Dass die Vorschriften des deutschen Eichrechts diesen Zwecken dienen, wurde bereits ausgeführt.
Die Klägerin bezweifelt, dass die in Rede stehenden nationalen eichrechtlichen Vorschriften zum Schutz der Abnehmer (Verbraucher) und zum Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs – jedenfalls mit Blick auf den Fleischgroßhandel – erforderlich seien. Zur Begründung verweist sie in erster Linie auf das – von ihr behauptete, vom Beklagten aber bestrittene – Bestehen eines internationalen Handelsbrauchs, demzufolge zwischen Groß- und Einzelhandel nach Bruttogewicht abgerechnet werde und demzufolge weder im Ausland noch bislang in Deutschland vom Erzeuger oder Großhändler Nettogewichtsangaben auf den Packungen angebracht würden, ohne dass der Handelsverkehr dadurch beeinträchtigt werde. Damit dringt sie nicht durch. Es ist anerkannt, dass dem nationalen Gesetzgeber bei der Einschätzung, ob eine Regelung zum Schutze eines anerkannten Rechtsguts erforderlich ist, ein weiter Einschätzungsspielraum zukommt. Das gilt auch beim Erlass von Regelungen, welche die Warenverkehrsfreiheit des Art. 28 EG einschränken (vgl. nur EuGH, Urteile vom 12. März 1987 – Rs. 178/84, Reinheitsgebot für Bier – Slg. S. 1227 Rn. 41, vom 25. Juli 1991 – Rs. C-1/90 und C-176/90, Aragonesa de Publicidad Exterior – Slg. I-4151 Rn. 16 f. und vom 20. Juni 1996 – Rs. C-418/93 u.a., Semeraro Casa Uno – Slg. I-2975 Rn. 25). Daher lässt sich nicht beanstanden, wenn der nationale Gesetzgeber ein Bedürfnis zum Schutz des Verbrauchers und zum Schutz der Lauterkeit des Handelsverkehrs auch zwischen Groß- und Einzelhändler gesehen und zum Anlass für entsprechende eichrechtliche Vorschriften genommen hat. Ebenso wenig lässt sich beanstanden, dass er hierbei nicht nach Branchen oder Erzeugnissen differenziert und den Fleischhandel ausgenommen, sondern einheitliche Vorschriften erlassen hat. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die weitere Vereinheitlichung des Eichrechts gerade ein Hauptanliegen der Reform von 1976 war (vgl. BTDrucks 7/4016 S. 11 f.), dass die Einbeziehung der Handelsstufe zwischen Groß- und Einzelhändler vom europäischen Gemeinschaftsrecht seinerzeit hinsichtlich Flüssigkeiten (Richtlinie 75/106/EWG des Rates vom 19. Dezember 1974 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Abfüllung bestimmter Flüssigkeiten nach Volumen in Fertigpackungen, ABl EG Nr. L 42 S. 1) sowie hinsichtlich Fertigpackungen mit gleicher Nennfüllmenge (Richtlinie Nr. 76/211/ EWG des Rates vom 20. Januar 1976 a.a.O.) bereits vorgeschrieben war und dass eine weitere Harmonisierung unter Einbeziehung auch des Kennzeichnungsrechts erklärtes Ziel der weiteren Entwicklung des Gemeinschaftsrechts war und ist (Erwägungsgrund 5 zur Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 a.a.O., sowie Erwägungsgrund 10 der Nachfolgerichtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 a.a.O.). Dass die Pflicht zur Angabe des Nennfüllgewichts den grenzüberschreitenden Fleischhandel übermäßig erschwere, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der von der Klägerin beschworene Zwang, importiertes Fleisch an der Grenze umzuverpacken und so möglicherweise zu beschädigen, besteht offensichtlich nicht. All dies liegt zweifelsfrei auf der Hand, so dass es der Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 234 EG nicht bedarf (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 – Rs. 283/81, CILFIT – Slg. S. 3415 Rn. 12 ff.).
6. Deutsches Verfassungsrecht ist nicht verletzt. Wie die Vorinstanzen richtig ausgeführt haben, stehen Freiheitsrechte der Klägerin (Art. 12 Abs. 1 bzw. Art. 2 Abs. 1 GG) den Anforderungen aus § 6 EichG, § 25 FPackV nicht entgegen. Diese Vorschriften sind durch hinlängliche Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt und beschweren die Klägerin nicht unverhältnismäßig. Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) ist nicht berührt. Die Klägerin unterliegt keinen strengeren Vorschriften als Konkurrenten aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft, die eingeschweißtes Frischfleisch zum Verkauf an weitere Händler nach Deutschland importieren; auch für diese gelten § 6 EichG und § 25 FPackV gleichermaßen. Das Problem der sog. Inländerdiskriminierung stellt sich daher nicht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Kley, van Schewick, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert
Fundstellen
DÖV 2008, 124 |
GewArch 2008, 83 |
VR 2008, 68 |
AbfallR 2007, 291 |
DVBl. 2007, 1577 |