Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufenthaltsbefugnis. Bindungswirkung. Duldung. Mitwirkungspflicht. ungeklärte Identität. ungeklärte Staatsangehörigkeit. vorübergehende Unmöglichkeit der Abschiebung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG darf einem anerkannten Flüchtling grundsätzlich nicht allein deshalb versagt werden, weil Zweifel an seiner Identität und Staatsangehörigkeit bestehen, sondern regelmäßig nur dann, wenn sich die Möglichkeit seiner Abschiebung in einen Drittstaat konkret abzeichnet.
2. § 8 Abs. 1 AuslG sperrt nicht die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG.
Normenkette
AuslG § 8 Abs. 1 Nr. 4, § 12 Abs. 2 S. 2, § 34 Abs. 1, §§ 41, 51 Abs. 1, § 55 Abs. 2, § 70; AsylVfG §§ 4, 70 Abs. 1; VwGO § 121
Verfahrensgang
Bayerischer VGH (Entscheidung vom 10.12.2001; Aktenzeichen 24 B 01.2059) |
VG Regensburg (Entscheidung vom 27.07.2001; Aktenzeichen RO 2 K 00.1883) |
Tenor
Die Revision des Beklagten wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Das Verfahren betrifft die Frage, unter welchen Voraussetzungen einem nach § 51 Abs. 1 AuslG bestandskräftig anerkannten Flüchtling eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen ist und inwieweit etwaige Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit insoweit von Bedeutung sind.
Der Kläger, der angibt, 1973 in Kuwait geboren und irakischer Staatsangehöriger zu sein, reiste Anfang 1998 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigter. Diesen Antrag lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 und § 53 AuslG nicht vorliegen. Aus dem Vorbringen des Klägers ergebe sich keine politische Verfolgung. Nach dem Ergebnis der Sprachanalyse könne er aus Kuwait oder aus dem Irak stammen. Aufgrund der rechtskräftigen Verpflichtung durch das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Januar 2000 stellte das Bundesamt mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. März 2000 fest, dass hinsichtlich des Klägers die Voraussetzungen des
§ 51 Abs. 1 und § 53 Abs. 4 AuslG in Bezug auf den Irak vorliegen.
Im März 2000 beantragte der Kläger die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Sein Bevollmächtigter teilte mit, dass der Kläger nicht in der Lage sei, irakische Ausweisdokumente vorzulegen. Er sei von seinem Vater in Kuwait nicht angemeldet worden. Die Mutter sei während des Aufenthaltes in Kuwait gestorben. Im März 1991 hätten Vater und Sohn Kuwait verlassen müssen. Auf der Fahrt von Kuwait nach Bagdad seien sie in eine Militärkontrolle geraten. Im Hinblick auf einen gefälschten Personalausweis, den der Vater für den Kläger bei Bekannten zuvor besorgt habe, seien sie festgenommen und inhaftiert worden. Der Vater sei während der Haft an den Misshandlungen gestorben. Dem Kläger sei die Flucht aus dem Gefängnis und ins Bundesgebiet gelungen. Es stehe fest, dass er als Kind irakischer Eltern irakischer Staatsangehöriger sei. Aufgrund der besonderen Umstände des vorliegenden Falles sei er weder im Irak noch in Kuwait registriert.
Das Landratsamt Regensburg teilte dem Kläger im Juni 2000 mit, ihm könne wegen seiner ungeklärten Identität keine Aufenthaltsbefugnis, sondern lediglich eine Duldung erteilt werden.
Das Verwaltungsgericht Regensburg hat die auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis gerichtete Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2001 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat der Verwaltungsgerichtshof den Gerichtsbescheid aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe nach § 70 Abs. 1 AsylVfG einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis. Das Bundesamt habe festgestellt, dass bei ihm die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich des Irak vorlägen. Seine Abschiebung dorthin sei daher aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Unterstellt, er wäre kuwaitischer Staatsangehöriger, komme eine Abschiebung in den Heimatstaat ebenfalls nicht in Betracht, da er keine Identitätspapiere dieses Staates besitze und die Ausstellung eines kuwaitischen Passes gegenwärtig nicht absehbar sei. Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG hänge auch nicht davon ab, ob der Kläger es zu vertreten habe, dass er aufgrund seiner ungeklärten Identität nicht abgeschoben werden könne oder er seinen Mitwirkungspflichten nach § 15 AsylVfG bzw. §§ 70, 40 AuslG nicht genüge. Stehe – wie hier – aufgrund rechtskräftiger gerichtlicher Entscheidung bzw. eines bestandskräftigen Bescheids fest, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG gegeben seien, so hindere die „prozessuale Bindungswirkung” die Ausländerbehörde daran, der begehrten Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG entgegenzuhalten, der Ausländer sei seiner Mitwirkungspflicht bei der Feststellung seiner Identität nicht nachgekommen. Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis aus § 70 Abs. 1 AsylVfG stehe auch nicht § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG entgegen. Der Versagungsgrund der ungeklärten Identität beziehe sich nämlich nur auf Aufenthaltsgenehmigungen nach dem Ausländergesetz, erfasse hingegen nicht den Anspruch aus § 70 Abs. 1 AsylVfG.
Der Beklagte erstrebt mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 AsylVfG setze die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit des Klägers bzw. die Unzumutbarkeit des entsprechenden Nachweises voraus. Das Berufungsgericht berücksichtige nicht die aus § 15 AsylVfG bzw. §§ 41, 70 AuslG herzuleitende Verpflichtung des Klägers, an der Feststellung seiner Identität und Staatsangehörigkeit mitzuwirken. Auch sei der Versagungsgrund des § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG anwendbar.
Der Kläger tritt der Revision entgegen.
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt die Revision.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat den Beklagten im Ergebnis zu Recht zur Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis verpflichtet.
Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG. Nach dieser Vorschrift ist dem Ausländer eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen, wenn das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) oder ein Gericht unanfechtbar das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG festgestellt hat und die Abschiebung des Ausländers aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich ist. Ein Ausschluss des Anspruchs nach § 70 Abs. 1 AsylVfG gemäß Abs. 2 der Vorschrift kommt hier nicht in Betracht.
1. Der Kläger erfüllt die erste nach § 70 Abs. 1 AsylVfG bestehende Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch. Das Bundesamt hat nämlich mit Bescheid vom 22. März 2000 aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Januar 2000 festgestellt, dass bei dem Kläger die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG in Bezug auf den Irak vorliegen. An diese – nach wie vor wirksame, insbesondere weder nichtige noch nach § 72 AsylVfG erloschene – Statusfeststellung ist die Ausländerbehörde nach § 4 AsylVfG gebunden.
2. Der Kläger erfüllt auch die weitere Voraussetzung, dass seine Abschiebung nicht nur vorübergehend unmöglich ist. Die Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 51 Abs. 1 AuslG begründet stets zugleich die nicht nur vorübergehende Unmöglichkeit der Abschiebung in den Verfolgerstaat. Die in § 70 Abs. 1 AsylVfG vorausgesetzte Unmöglichkeit der Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen kann sich danach nur auf einen Drittstaat beziehen. Für einen aufnahmebereiten Drittstaat, in den der Kläger abgeschoben werden könnte, fehlen hinreichende Anhaltspunkte.
a) Das Erfordernis der nicht nur vorübergehenden Unmöglichkeit der Abschiebung ist dahin zu verstehen, dass die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis nur ausgeschlossen ist, wenn sich die Möglichkeit der Abschiebung konkret abzeichnet (vgl. auch Vormeier, in: GK-AsylVfG § 70 Rn. 15 ff.). Dafür spricht die Absicht des Gesetzgebers, die frühere Praxis der Erteilung einer Duldung als eines subsidiären Aufenthaltstitels für Fälle faktischer Aufenthaltsgewährungen zu beenden und die Duldung auf ihre eigentliche Funktion einer lediglich vorübergehenden Aussetzung der Abschiebung zurückzuführen. Ausländer, denen aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen Aufenthalt gewährt wird, sollten stattdessen einen formell legalen Aufenthaltsstatus in Gestalt einer Aufenthaltsbefugnis erhalten (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs, BTDrucks 11/6321 S. 48; Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, S. 94). Dies gilt auch für nach § 51 Abs. 1 AuslG anerkannte Flüchtlinge, deren Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis ursprünglich in § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG a.F., der Vorläuferbestimmung des § 70 Abs. 1 AsylVfG, geregelt war. Ist ihre Abschiebung in einen Drittstaat für einen nicht überschaubaren Zeitraum unmöglich, so können sie nicht auf eine Duldung verwiesen werden.
Die Ausländerbehörde hat also nicht nur zu untersuchen, ob eine solche Abschiebung überhaupt durchgeführt werden kann. Ähnlich wie im Fall der Prüfung der Voraussetzungen einer Duldung nach § 55 Abs. 2 AuslG (vgl. Urteil vom 25. September 1997 – BVerwG 1 C 3.97 – BVerwGE 105, 232, 238) ist vielmehr zu klären, innerhalb welchen Zeitraums eine Abschiebung möglich ist. Eine Aufenthaltsbefugnis ist grundsätzlich auch dann zu erteilen, wenn die Abschiebung nicht ohne Verzögerung durchgeführt werden kann oder wenn der erforderliche Zeitraum ungewiss ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der für die Durchführung der Abschiebung erforderliche Zeitraum nur ein vorübergehendes Hindernis für die Abschiebung darstellt. Dies kann indessen nur für den üblicherweise erforderlichen Zeitraum gelten. Ergeben sich Hindernisse, die eine erhebliche Verzögerung der Abschiebung nach sich ziehen, ist diese im Sinne des § 70 Abs. 1 AsylVfG nicht nur vorübergehend unmöglich mit der Folge, dass dem Ausländer bei Vorliegen der übrigen gesetzlichen Voraussetzungen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen ist.
b) Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs ist die Abschiebung des Klägers in einen Drittstaat aus tatsächlichen Gründen nicht nur vorübergehend unmöglich, da sich eine derartige Möglichkeit nicht konkret abzeichnet. Seine Abschiebung nach Kuwait ist – selbst bei Unterstellung einer kuwaitischen Staatsangehörigkeit – aus tatsächlichen Gründen unmöglich, weil er keine Identitätspapiere dieses Staates hat und nicht absehbar ist, ob und unter welchen Voraussetzungen die Ausstellung eines kuwaitischen Passes möglich sein soll. Konkrete Anhaltspunkte für eine Abschiebungsmöglichkeit in einen sonstigen Staat sind nicht festgestellt. Danach erfüllt der Kläger die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 AsylVfG mit der Folge, dass er eine Aufenthaltsbefugnis beanspruchen kann.
c) Entgegen der Auffassung der Revision kommt es auf etwaige Zweifel an der Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers grundsätzlich ebenso wenig an wie auf die Frage einer Mitwirkungspflicht nach § 70 AuslG, § 15 AsylVfG oder sonstigen Vorschriften. Die Ausländerbehörde ist zwar nach § 41 AuslG befugt und verpflichtet, Zweifeln über die Person oder die Staatsangehörigkeit des Ausländers nachzugehen. Diese Vorschrift ermächtigt die Ausländerbehörde aber nicht, die Erteilung der Aufenthaltsbefugnis zu versagen, wenn die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 AsylVfG vorliegen. Ist nicht absehbar, dass die Zweifelsfragen zeitnah geklärt werden können, und ergibt sich – wie hier – noch keine konkrete Abschiebungsmöglichkeit in einen Drittstaat, so darf dem Ausländer die Aufenthaltsbefugnis grundsätzlich nicht vorenthalten werden.
Zeichnet sich eine Abschiebung in einen Drittstaat nicht konkret ab, so kommt es auch nicht darauf an, ob die nach § 4 AsylVfG bestehende Bindungswirkung der Anerkennung (vgl. oben 1.) sich auch auf die Identität und Staatsangehörigkeit des Ausländers erstreckt. Zu Unrecht vertritt allerdings das Berufungsgericht die Auffassung, es sei dem Beklagten wegen der „prozessualen Bindungswirkung” der bereits erwähnten rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 21. Januar 2000 verwehrt, der begehrten Aufenthaltsbefugnis entgegenzusetzen, der Kläger habe an der Aufklärung seiner Identität nicht mitgewirkt; damit werde das Ergebnis der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG angezweifelt. Diese Auffassung verletzt Bundesrecht. Nach § 121 VwGO, auf den das Berufungsgericht sinngemäß abstellt, binden rechtskräftige Urteile – außer im hier nicht vorliegenden Fall des § 65 Abs. 3 VwGO –, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist, nur die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger. Da der Beklagte nicht an dem Asylverfahren des Klägers beteiligt war, ist er jedenfalls nicht aus prozessualen Gründen an die in Rede stehende verwaltungsgerichtliche Entscheidung gebunden.
Schließlich stellt § 70 Abs. 1 AsylVfG nicht auf die von der Revision erörterte Frage ab, ob der Ausländer etwaige Abschiebungshindernisse zu vertreten hat.
d) Der Revision kann ferner nicht darin gefolgt werden, dass § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG hier anzuwenden ist. Nach dieser Vorschrift wird die Aufenthaltsgenehmigung auch bei Vorliegen der Voraussetzungen eines Anspruchs nach dem Ausländergesetz versagt, wenn die Identität oder Staatsangehörigkeit des Ausländers ungeklärt ist und er keine Berechtigung zur Rückkehr in einen anderen Staat besitzt.
Nach der Rechtsprechung des Senats sperrt § 8 Abs. 1 AuslG die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung nicht für Rechtsansprüche, die auf anderen Rechtsgrundlagen als denen des Ausländergesetzes beruhen (vgl. Urteile vom 3. Juni 1997 – BVerwG 1 C 18.96 – und vom 9. September 1997 – BVerwG 1 C 20.97 – Buchholz 402.24 § 8 AuslG 1990 Nr. 11 und 14). Um einen solchen Rechtsanspruch handelt es sich bei demjenigen auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG, so dass § 8 Abs. 1 Nr. 4 AuslG hier nicht anzuwenden ist (so auch Renner, Ausländerrecht in Deutschland, § 30 Rn. 378).
An diesem Ergebnis würde sich auch dann nichts ändern, wenn man den Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 70 Abs. 1 AsylVfG als Anspruch nach dem Ausländergesetz im Sinne des § 8 Abs. 1 AuslG ansähe, weil er – ursprünglich in § 30 Abs. 5 Satz 1 AuslG a.F. enthalten – durch das Gesetz zur Neuregelung des Asylverfahrens vom 26. Juni 1992 (BGBl I S. 1126) im Wesentlichen unverändert in das Asylverfahrensgesetz übernommen worden ist. Dieser Anspruch ist ein aus dem Ermessensgrundtatbestand des § 30 Abs. 3 AuslG herausgenommener und zu einem Rechtsanspruch verdichteter Spezialfall. Er bestand und besteht deshalb auch, wenn ein Versagungsgrund nach § 8 Abs. 1 AuslG gegeben ist (vgl. Fraenkel, Einführende Hinweise zum neuen Ausländergesetz, S. 99 f.). Andernfalls ergäbe sich ein nicht hinnehmbarer Wertungswiderspruch zu den von § 8 Abs. 1 AuslG dispensierenden Vorschriften des § 30 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 und 4 AuslG, da der anerkannte Flüchtling im Ergebnis schlechter gestellt würde als ein Ausländer, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist.
3. Sind die Voraussetzungen des § 70 Abs. 1 AsylVfG gegeben, so kann die Ausländerbehörde je nach den Umständen des Einzelfalles die – nach § 34 Abs. 1 AuslG für längstens zwei Jahre zu erteilende – Aufenthaltsbefugnis auch für einen nur kurzen Zeitraum erteilen, wenn mit einem Wegfall der für ihre Erteilung maßgeblichen Gründe zu rechnen ist. Sie kann weiter die Aufenthaltsbefugnis nach § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG nachträglich zeitlich beschränken, wenn eine für ihre Erteilung wesentliche Voraussetzung entfallen ist. Ferner kann ein Widerruf der Aufenthaltsbefugnis nach § 43 AuslG oder deren Rücknahme (vgl. auch Urteil vom 23. Mai 1995 – BVerwG 1 C 3.94 – BVerwGE 98, 298, 304) in Betracht kommen. Darüber hinaus kann sich die Ausländerbehörde bei fortbestehenden Zweifeln an der Identität und Staatsangehörigkeit mit der Anregung an das Bundesamt wenden, die Feststellung nach § 51 Abs. 1 AuslG gemäß § 73 AsylVfG zu widerrufen oder zurückzunehmen (vgl. zu § 73 AsylVfG Urteil vom 19. September 2000 – BVerwG 9 C 12.00 – BVerwGE 112, 80). Die Ausländerbehörde ist aber nicht ermächtigt, die Aufenthaltsbefugnis abzulehnen und den anerkannten Flüchtling auf eine Duldung zu verweisen.
Der Beklagte ist daher ohne Rücksicht auf die Berechtigung seiner Zweifel an der irakischen Staatsangehörigkeit des Klägers verpflichtet, ihm die beantragte Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Eckertz-Höfer, Dr. Mallmann, Hund, Richter, Beck
Fundstellen
BVerwGE 2003, 276 |
DÖV 2003, 553 |
InfAuslR 2003, 310 |
ZAR 2003, 149 |
AuAS 2003, 110 |
DVBl. 2003, 723 |