Entscheidungsstichwort (Thema)
Veränderungssperre. Normenkontrollverfahren. Verlängerung. Windenergieanlagen. Bebauungsplan. Negativplanung. Sicherungsbedürfnis. Konkretisierung
Leitsatz (amtlich)
Beabsichtigt eine Gemeinde, für große Teile ihres Gemeindegebiets (hier: 560 ha) einen Bebauungsplan aufzustellen, so kann diese Planung nicht durch eine Veränderungssperre gesichert werden, wenn die Bereiche, in denen unterschiedliche Nutzungen verwirklicht werden sollen, nicht einmal grob bezeichnet sind.
Normenkette
BauGB § 1 Abs. 4, 6, § 14 Abs. 1, § 17 Abs. 1, § 35 Abs. 3 S. 3; VwGO §§ 47, 142
Verfahrensgang
Hessischer VGH (Urteil vom 20.02.2003; Aktenzeichen 3 N 1557/02) |
Tenor
Das Urteil des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Februar 2003 wird aufgehoben.
Die Satzung der Stadt Steinau an der Straße über den Erlass einer Veränderungssperre für das Gebiet des “Bebauungsplanes Steinau an der Straße I” vom 29. Januar 2002 in der Fassung vom 27. Januar 2004 ist nichtig.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin errichtet und betreibt Windenergieanlagen. Sie wendet sich im Normenkontrollverfahren gegen eine Veränderungssperre, die die Antragsgegnerin für ein etwa 560 ha großes Gebiet im Außenbereich erlassen hat. Ihr Antrag, elf Windenergieanlagen im Geltungsbereich der Veränderungssperre zu genehmigen, ist mit Rücksicht auf das vorliegende Normenkontrollverfahren zurückgestellt worden.
In dem am 5. Februar 2001 bekannt gemachten Regionalplan Südhessen 2000 ist im nordwestlichen Bereich des Gemeindegebiets der Antragsgegnerin ein Gebiet zur Nutzung der Windenergie festgelegt; diese Fläche ist mit dem Geltungsbereich der streitigen Veränderungssperre identisch. Die Antragsgegnerin wandte sich gegen diese Festlegung im Regionalplan, weil sie nach ihrer – vom Normenkontrollgericht geteilten – Rechtsauffassung nicht ordnungsgemäß zustande gekommen sei und deshalb keine Zielbindung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB entfalten könne. Sie beschloss ferner am 25. September 2001, ein Änderungsverfahren zum Flächennutzungsplan mit dem Ziel einzuleiten, die Nutzung der Windenergie im Stadtgebiet zu regeln. Hierzu ließ sie ein Standortgutachten erarbeiten, das im Januar 2002 im Entwurf fertig gestellt war und die Grundlage für die Vorentwürfe zur Änderung des Flächennutzungsplans bildete. In ihm waren zwei Flächen von jeweils mehreren Hektar Größe im Bereich des Vorranggebiets Windenergie des Regionalplans als Sondergebiete für Windenergieanlagen vorgesehen.
Am 29. Januar 2002 beschloss die Antragsgegnerin, einen Bebauungsplan “Stadt Steinau an der Straße I” aufzustellen, mit dem sie das städtebauliche Ziel verfolgt, bestimmte Bereiche ihres Gemeindegebiets “zugunsten bestimmter Schutzgüter, insbesondere Landschaftsschutz, Fremdenverkehr und Anwohnerschutz von Windenergieanlagen freizuhalten und ggf. positiv geeignete Standorte für die Errichtung von Windkraftanlagen festzusetzen”. Ferner beschloss sie für das Plangebiet die streitige Veränderungssperre. Der Aufstellungsbeschluss und der Satzungsbeschluss für die Veränderungssperre wurden am 2. Februar 2002 bekannt gemacht.
Mit ihrem Normenkontrollantrag hat die Antragstellerin geltend gemacht: Die Veränderungssperre sei rechtswidrig, weil sie der Sicherung einer erkennbar rechtswidrigen Bauleitplanung diene. Denn sie erschöpfe sich in einer unzulässigen Negativplanung. Ferner sei eine hinreichend konkretisierte positive planerische Zielsetzung nicht erkennbar. Die Planung verfolge das Ziel, die Errichtung von Windenergieanlagen weitgehend auszuschließen. Sie sei auch nicht mit § 1 Abs. 4 BauGB vereinbar. Ferner werde § 8 Abs. 2 BauGB verletzt. Die Planung sei schließlich nicht mit dem Abwägungsgebot vereinbar, denn die Belange der Windenergienutzung würden nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht berücksichtigt. Die Antragsgegnerin ist dem Normenkontrollantrag entgegengetreten.
Mit Urteil vom 20. Februar 2003 hat das Normenkontrollgericht den Antrag abgelehnt. Der Normenkontrollantrag sei zulässig, aber unbegründet. Die Veränderungssperre sei zur Sicherung der Planung erforderlich. Der künftige Planinhalt sei bereits in einem Mindestmaß bestimmt und absehbar. Denn die Antragsgegnerin verfolge unter anderem das Ziel, bestimmte Bereiche des Stadtgebiets zugunsten bestimmter Schutzgüter wie Landschaftsschutz, Fremdenverkehr und Anwohnerschutz von Windenergieanlagen freizuhalten und ggf. positiv geeignete Standorte für die Errichtung von Windkraftanlagen festzusetzen. Der Vorwurf der Antragstellerin, die Antragsgegnerin betreibe eine Verhinderungsplanung, weil sie im Entwurf der Änderung des Flächennutzungsplans nur eine Fläche von etwa 20 ha für die Nutzung von Windenergieanlagen vorgesehen habe, sei nur auf dem Hintergrund verständlich, dass der Regionalplan Südhessen 2000 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin ein Vorranggebiet für die Windenergienutzung von ca. 560 ha festgelegt habe. Insoweit sei jedoch keine Zielbindung gemäß § 1 Abs. 4 BauGB eingetreten, weil die diesbezüglichen Festlegungen im Regionalplan nicht ordnungsgemäß zustande gekommen seien. Die Veränderungssperre sei auch deshalb erforderlich, weil der Regionalplan keine ausreichenden und erschöpfenden Festsetzungen treffe und deshalb planerische Konkretisierungen geboten seien. Es sei der Antragsgegnerin deshalb nicht verwehrt, zur Sicherung einer flächenmäßig allerdings sehr ausgedehnten Bauleitplanung Sicherungsmaßnahmen wie die angegriffene Veränderungssperre zu ergreifen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Antragstellerin die Verletzung von § 14 Abs. 1 BauGB. Sie vertieft ihr bisheriges Vorbringen und begehrt weiterhin, die Veränderungssperre für nichtig zu erklären. Die Antragsgegnerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Während des Revisionsverfahrens ist eine Änderung des Flächennutzungsplans in Kraft getreten. Durch sie wird eine etwa 19 ha große Fläche im Geltungsbereich der Veränderungssperre als Sondergebiet für Windenergieanlagen dargestellt. Die Antragsgegnerin hat ferner die Geltungsdauer der Veränderungssperre mit Beschluss vom 27. Januar 2004 um ein weiteres Jahr verlängert.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision hat Erfolg. Das Normenkontrollgericht hätte den Antrag, die streitige Veränderungssperre für nichtig zu erklären, nicht ablehnen dürfen. Der Normenkontrollantrag ist nicht nur zulässig, sondern auch begründet.
1.a. Der Normenkontrollantrag ist nicht durch Zeitablauf unzulässig geworden. Zwar ist die Geltungsdauer der Veränderungssperre gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 BauGB auf zwei Jahre begrenzt, so dass die streitige Veränderungssperre vom 29. Januar 2002, die am 2. Februar 2002 bekannt gemacht worden ist, an sich inzwischen außer Kraft getreten wäre. Die Antragsgegnerin hat jedoch von der Möglichkeit des § 17 Abs. 1 Satz 3 BauGB Gebrauch gemacht und die Geltungsdauer der Veränderungssperre mit Beschluss vom 27. Januar 2004 um ein weiteres Jahr verlängert. Diese Verlängerung erfolgt zwar nach den Regeln des § 16 BauGB in der Form einer Satzung. Es handelt sich jedoch bei ihr nicht um eine selbständige Veränderungssperre, sondern nur um die Verlängerung der Geltungsdauer der ursprünglichen Veränderungssperre. Diese bleibt als Gegenstand des Normenkontrollverfahrens erhalten. Materiell und prozessual sind die ursprüngliche Veränderungssperre und ihre Verlängerung als Einheit anzusehen (vgl. auch OVG Berlin, Beschluss vom 24. September 2001 – 2 A 1/01 – NVwZ-RR 2002, 394). Denn ohne die ursprüngliche Veränderungssperre wäre die neue Satzung nicht lebensfähig; wenn die ursprüngliche Veränderungssperre an einem Rechtsfehler leidet, ist die Verlängerungssatzung schon aus diesem Grunde unwirksam (Schenke, WiVerw 1994, 253 ≪312≫). Deshalb liegt in der Einbeziehung der Verlängerung in das Revisionsverfahren auch keine gemäß § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung (in diesem Sinne auch BVerwG, Urteil vom 26. November 2003 – BVerwG 9 C 6.02 –, zu Rechtsänderungen im Revisionsverfahren bei einer Feststellungsklage).
b. Wie das Normenkontrollgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Antragstellerin gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO berechtigt, hinsichtlich der Veränderungssperre der Antragsgegnerin vom 29. Januar 2002 einen Normenkontrollantrag zu stellen. Zwar ist sie nicht Eigentümerin von Grundstücken im Geltungsbereich der Veränderungssperre. Sie kann jedoch gleichwohl geltend machen, durch die Veränderungssperre in ihren Rechten verletzt zu sein; denn sie hat auf der Grundlage von Vereinbarungen mit den Grundeigentümern Genehmigungsanträge für Windenergieanlagen gestellt, die wegen der Veränderungssperre zurückgestellt worden sind (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 18. Mai 1994 – BVerwG 4 NB 27.93 – ZfBR 1994, 244, zur Befugnis eines Bauantragstellers, einen Normenkontrollantrag hinsichtlich eines Bebauungsplans zu stellen).
c. Der Normenkontrollantrag ist auch nicht deshalb unzulässig geworden, weil die Antragsgegnerin inzwischen ihren Flächennutzungsplan geändert und in ihm eine Regelung über die Zulässigkeit von Windenergieanlagen gemäß § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB getroffen hat. Zwar haben sich dadurch die Aussichten der Antragstellerin, die begehrten Baugenehmigungen zu erhalten, verschlechtert, weil sie die Windenergieanlagen außerhalb der Konzentrationszone des Flächennutzungsplans errichten will. Gleichwohl ist das Rechtsschutzinteresse für das Normenkontrollverfahren hinsichtlich der Veränderungssperre nicht entfallen. Denn die Antragstellerin macht geltend, die Änderung des Flächennutzungsplans sei unwirksam, weil die Beschränkung von Windenergieanlagen auf eine Fläche von 19 ha bei einer Gemeindegröße von 10 500 ha abwägungsfehlerhaft sei; die Richtigkeit dieser Rechtsauffassung lässt sich gegenwärtig nicht ausschließen. Möglich ist auch, dass einzelne Windenergieanlagen selbst dann zulässig sind, wenn die Änderung des Flächennutzungsplans wirksam wäre, weil § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB die Zulässigkeit von Windenergieanlagen außerhalb der Konzentrationszone nur für den Regelfall ausschließt (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – BVerwG 4 C 15.01 – BVerwGE 117, 287).
2. Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Die streitige Veränderungssperre ist unwirksam, weil eine Voraussetzung für ihren Erlass fehlt. Denn sie war nicht zur Sicherung der Planung erforderlich, weil eine hinreichend konkrete Planung entgegen der Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts im Zeitpunkt ihres Erlasses nicht existierte.
a. Entgegen der Rechtsauffassung der Revision ist die Veränderungssperre allerdings nicht schon deshalb unwirksam, weil sie in unzulässiger Weise einer angestrebten Regionalplanung oder einer Änderung des Flächennutzungsplans dient. Zwar trifft es zu, dass gemäß § 14 Abs. 1 BauGB nur ein künftiger Bebauungsplan durch eine Veränderungssperre gesichert werden darf. Die Antragsgegnerin hat die streitige Veränderungssperre aber auch nur erlassen, um die Aufstellung des Bebauungsplans “Stadt Steinau an der Straße I” zu sichern. Dass der Anlass zu dieser Planung der von der Antragsgegnerin bekämpfte Regionalplan und die Absicht war, die Nutzung der Windenergie im Gemeindegebiet durch eine Änderung des Flächennutzungsplans zu regeln, ist dagegen in diesem Zusammenhang unerheblich.
b. Mit Bundesrecht nicht vereinbar ist aber die Rechtsauffassung des Normenkontrollgerichts, die Veränderungssperre vom 29. Januar 2002 sei zur Sicherung der Planung erforderlich, die Gegenstand des Aufstellungsbeschlusses der Antragsgegnerin ist. Die streitige Veränderungssperre ist mangels Sicherungsbedürfnisses unwirksam, weil der künftige Inhalt des Bebauungsplans “Stadt Steinau an der Straße I” im Zeitpunkt des Erlasses der Veränderungssperre nicht in einem Mindestmaß konkretisiert und absehbar war.
Eine Veränderungssperre darf erst erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans sein soll (stRspr, z.B. BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – BVerwG 4 C 39.74 – BVerwGE 51, 121 ≪128≫; Beschluss vom 27. Juli 1990 – BVerwG 4 B 156.89 – ZfBR 1990, 302; Beschluss vom 25. November 2003 – BVerwG 4 BN 60.03 –). Wesentlich ist dabei, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplans entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, reicht nicht aus. Denn wenn Vorstellungen über die angestrebte Art der baulichen Nutzung der betroffenen Grundflächen fehlen, ist der Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplans noch offen. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären – auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG – nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt (BVerwG, Urteil vom 10. September 1976 – BVerwG 4 C 39.74 – BVerwGE 51, 121 ≪128≫; Beschluss vom 5. Februar 1990 – BVerwG 4 B 191.89 – ZfBR 1990, 206). Ein Mindestmaß an konkreter planerischer Vorstellung gehört auch zur Konzeption des § 14 BauGB. Nach seinem Absatz 2 Satz 1 kann eine Ausnahme von der Veränderungssperre zugelassen werden, wenn öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Ob der praktisch wichtigste öffentliche Belang, nämlich die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung, beeinträchtigt ist, kann aber nur beurteilt werden, wenn die planerischen Vorstellungen der Gemeinde nicht noch völlig offen sind.
Das Normenkontrollgericht ist zwar von demselben rechtlichen Ansatz ausgegangen.
Es hat sich aber mit der Feststellung zufrieden gegeben, die Antragsgegnerin verfolge das Ziel, “bestimmte Bereiche des Stadtgebiets zugunsten bestimmter Schutzgüter wie Landschaftsschutz, Fremdenverkehr und Anwohnerschutz von Windenergieanlagen freizuhalten und ggf. positiv geeignete Standorte für die Errichtung von Windkraftanlagen festzusetzen”. Das erforderliche Mindestmaß dessen, was Inhalt des künftigen Bebauungsplans sein soll, ist damit nicht erreicht.
Mit dieser Zielsetzung hat die Antragsgegnerin noch keine positiven Vorstellungen über den Inhalt des künftigen Bebauungsplans entwickelt. Das erklärte städtebauliche Ziel war die Freihaltung des Gebiets von Windenergieanlagen und nur “gegebenenfalls” die Festsetzung geeigneter Standorte für sie. In sachlicher Übereinstimmung hiermit ging es der Antragsgegnerin im gleichzeitig durchgeführten Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans um die Verhinderung von Windenergieanlagen im Plangebiet oder jedenfalls um ihre Beschränkung auf wenige Prozente der Gesamtfläche des Plangebiets von 560 ha Größe. Welche positiven Festsetzungen der Bebauungsplan enthalten sollte, hat das Normenkontrollgericht dagegen nicht festgestellt. Sie haben offenbar gefehlt. In diesem Sinne macht die Antragstellerin zu Recht geltend, in der Sitzungsvorlage für den Beschluss über die Veränderungssperre heiße es ausdrücklich, mit den eigentlichen Planungsarbeiten brauche noch nicht begonnen zu werden, so dass noch offen sein könne, welche planerische Gestaltung das Gebiet endgültig erhalten solle. Nach der Rechtsprechung des Senats ist dagegen erforderlich, aber auch ausreichend, dass die Gemeinde im Zeitpunkt des Erlasses einer Veränderungssperre zumindest Vorstellungen über die Art der baulichen Nutzung besitzt, sei es, dass sie einen bestimmten Baugebietstyp, sei es, dass sie nach den Vorschriften des § 9 Abs. 1 BauGB festsetzbare Nutzungen ins Auge gefasst hat (vgl. z.B. BVerwG, Beschluss vom 15. August 2000 – BVerwG 4 BN 35.00 – BRS 64 Nr. 109; Beschluss vom 27. Juli 1990 – BVerwG 4 B 156.89 – ZfBR 1990, 302). Daran fehlt es hier. Festgestellt hat das Normenkontrollgericht lediglich sinngemäß, dass Inhalt des Bebauungsplans – abgesehen von der Festsetzung von Standorten für Windenergieanlagen – Festsetzungen zugunsten bestimmter Schutzgüter wie Landschaftsschutz, Fremdenverkehr und Anwohnerschutz von Windenergieanlagen sein sollten. Eine solche städtebauliche Zielsetzung reicht nicht aus, weil sie unterschiedlichste Festsetzungen der Nutzungsart zulässt und ein positives Planungskonzept nicht erkennbar ist.
Aber selbst wenn man ein positives Planungskonzept erkennen wollte, läge das erforderliche Mindestmaß an Konkretisierung nicht vor. Denn es ist völlig offen, an welchem Ort die unterschiedlichen Nutzungsarten vorgesehen sind. Ein für den Erlass einer Veränderungssperre ausreichendes Planungskonzept setzt zwar nicht voraus, dass die künftige Nutzungsart bereits parzellenscharf für sämtliche Grundflächen feststeht. Bei einem Bebauungsplan üblicher Größenordnung stellt sich diese Frage im Regelfall nicht einmal, weil die Planung typischerweise einem bestimmten Baugebiet mit einer bestimmten Nutzungsart gilt. Anders ist es dagegen bei einer Fläche, die – wie im vorliegenden Fall – große Teile des Gemeindegebiets umfasst. Eine städtebauliche Vorstellung, nach der in einem 560 ha großen Gebiet Sondergebiete für die Windenergienutzung, Kompensationsflächen, Flächen für die Landwirtschaft und öffentliche Grünflächen geplant werden sollen, ist kein hinreichend konkretes Planungskonzept, wenn nicht die Bereiche, in denen die unterschiedlichen Nutzungen verwirklicht werden sollen, zumindest grob bezeichnet sind. Denn andernfalls weiß der einzelne Grundeigentümer nicht einmal im Ansatz, welchen Inhalt die Bauleitplanung haben soll, zu deren Sicherung ihm die bauliche Nutzung seines Grundstücks für Jahre untersagt wird. Die Forderung nach einem Mindestmaß an (Ziel-) Konkretisierung ergibt sich aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG. Er gebietet zu verhindern, dass die Entwicklung eines Grundstücks für einen nicht unbeträchtlichen Zeitraum gestoppt werden darf, obwohl für den Betroffenen nichts darüber zu erkennen ist, was mit der Sperre erreicht werden soll (BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 1978 – BVerwG 4 C 48.76 – ZfBR 1979, 34 ≪35≫).
c. Ob die Veränderungssperre auch deshalb unwirksam ist, weil sie eine von vornherein rechtswidrige Bauleitplanung sichern soll, wie die Revision geltend macht, kann offen bleiben.
Ein Verstoß gegen das Anpassungsgebot des § 1 Abs. 4 BauGB kommt allerdings schon deshalb nicht in Betracht, weil die im künftigen Bebauungsplan vorgesehene Beschränkung von Windenergieanlagen zwar mit dem Regionalplan Südhessen 2000 unvereinbar, dieser jedoch nach der überzeugenden Begründung im Urteil des Normenkontrollgerichts unwirksam ist. Unerheblich dürfte auch sein, ob der Bebauungsplan an einem Abwägungsfehler leiden wird, weil er den Belang der Windenergienutzung nicht hinreichend berücksichtigt. Denn Abwägungsmängel des künftigen Bebauungsplans sind grundsätzlich bei der Kontrolle einer Veränderungssperre noch nicht zu prüfen, weil regelmäßig nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie im weiteren Verfahren noch vermieden werden können.
Kritischer zu betrachten mag dagegen sein, ob der künftige Bebauungsplan mit dem Verbot der “Negativplanung” vereinbar sein wird. Zwar macht der Bebauungsplanentwurf (Stand Dezember 2003), der in der mündlichen Verhandlung vorgelegen hat, deutlich, dass auch eine 560 ha große Außenbereichsfläche – zumindest in formeller Hinsicht – mit positiven Festsetzungen überplant werden kann. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem des OVG Lüneburg (Urteil vom 18. Juni 2003 – 1 KN 56/03 – ZfBR 2003, 790), in dem nahezu das gesamte Gemeindegebiet mit einer Veränderungssperre überdeckt worden war, um die Errichtung von Windenergieanlagen planerisch zu steuern. Eine andere Frage ist aber, ob in Wirklichkeit nicht doch nur eine Windkraftanlagen im Wesentlichen ausschließende – negative – Planung beabsichtigt ist. Die Wahl eines – für einen Bebauungsplan untypisch weiträumigen – Planbereichs von fast 6 km(2) Größe sowie der Inhalt einiger Festsetzungen (Flächen für die Landwirtschaft etc.) gäben jedenfalls Anlass zu einer sorgfältigen Prüfung dieser Frage durch die Tatsachengerichte.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Dr. Lemmel, Halama, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch
Fundstellen
Haufe-Index 1151037 |
BauR 2004, 1256 |
ZAP 2004, 698 |
ZUR 2004, 306 |
ZfBR 2004, 464 |
BTR 2004, 179 |
DVBl. 2004, 974 |
KommJur 2004, 227 |
RÜ 2004, 382 |
UPR 2004, 271 |
BBB 2004, 56 |
FSt 2005, 225 |
FuBW 2004, 811 |
FuHe 2004, 730 |
FuNds 2004, 733 |
ImmoStR 2004, 300 |