Verfahrensgang
OVG für das Land Brandenburg (Urteil vom 20.06.2002; Aktenzeichen 4 D 89/00.NE) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 20. Juni 2002 wird geändert.
§ 8 Abs. 2 Nr. 3 der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (Hundehalterverordnung – HundehV) vom 25. Juli 2000 wird für nichtig erklärt.
Die weitergehende Revision wird zurückgewiesen.
Im Verfahren OVG 4 D 89/00.NE trägt der Antragsgegner bis zur Verbindung ein Drittel der Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Von der Verbindung bis zum erstinstanzlichen Urteil trägt der Antragsgegner ein Elftel der Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers. Der Antragsgegner trägt ferner im Umfang seiner Beteiligung an den Gerichtskosten seine eigenen in dieser Instanz entstandenen außergerichtlichen Kosten. Im Übrigen bleibt es bei der Kostenregelung durch das Oberverwaltungsgericht.
Der Antragsgegner trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege der Normenkontrolle gegen Teile der Ordnungsbehördlichen Verordnung über das Halten und Führen von Hunden (Hundehalterverordnung – HundehV) des Landes Brandenburg vom 25. Juli 2000 (GVBl II S. 235).
Der Antragsteller hält eine neunjährige Bullterrier-Dackel-Hündin, für die zum 1. August 2000 kein sog. Negativzeugnis vorlag. Eine Haltungsuntersagung erging mit Bescheid vom 18. September 2000.
Der Antragsteller hat im Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht beantragt, eine Reihe von Bestimmungen der Hundehalterverordnung für nichtig zu erklären.
Mit Urteil vom 20. Juni 2002 hat das Oberverwaltungsgericht § 16 HundehV insoweit als unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 GG und Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg erklärt, als er bei Haltern von Hunden nach § 8 Abs. 3 Ziff. 1, 3, 4, 11, 12 und 13, deren Ungefährlichkeit nicht durch Vorlage eines Negativzeugnisses nachgewiesen wird, die Erteilung einer Erlaubnis von einem berechtigten Interesse abhängig macht. Im Übrigen hat es den Antrag abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:
Die Hundehalterverordnung beruhe auf der Ermächtigungsgrundlage in § 25 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 des Ordnungsbehördengesetzes (OBG). Danach könne eine Regelung unter den Voraussetzungen der sog. polizeilichen Generalklauseln getroffen werden. Für den von der Hundehalterverordnung geregelten Lebensausschnitt sei eine abstrakte Gefahrenlage gegeben, wie sie mit der Haltung von Hunden verbunden sei. Spontan aggressives Verhalten liege im Bereich artgemäßen Hundeverhaltens und könne auch bei guter Haltung situationsbezogen schon mit Blick auf den artgemäßen Verteidigungs- und Beutetrieb nicht ausgeschlossen werden. Deshalb sei bei generell-abstrakter Betrachtungsweise davon auszugehen, dass von Hunden artspezifische Gefahren ausgingen, die im Einzelfall Schäden an Leib und Leben von Menschen und anderen Tieren nach sich ziehen könnten. Darüber hinaus gehe von den in den Rassekatalogen des § 8 Abs. 2 und 3 HundehV erwähnten Hunderassen gegenüber der Gesamtheit der übrigen Hunderassen ein erhöhtes Gefahrenpotential aus, welches spezifische, gerade den Erlass weiterer die Haltung und Führung solcher Hunderassen regulierender Vorschriften rechtfertige. Einer weitergehenden, durch den parlamentarischen Landesgesetzgeber vorzunehmenden Güterabwägung habe es nicht bedurft, weil die Umstände, welche eine abstrakte Gefahr begründeten, im Bereich der Gefahrenabwehr nicht erst wissenschaftlich erforscht sein müssten. Die Regelungen in § 8 Abs. 2 und 3 HundehV verstießen auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz. Dem Einwand, die Kampfhundelisten in § 8 Abs. 2 und 3 HundehV beruhten auf unzureichenden tatsächlichen Feststellungen, Untersuchungen und wissenschaftlichen Belegen, sowie dem Vorwurf, der Verordnungsgeber habe es versäumt, die erforderlichen tatsächlichen Ermittlungen und fachlichen Abwägungen vorzunehmen, könne nicht gefolgt werden. Die Übergangsregelung in § 16 HundehV sei unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 12 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung des Landes Brandenburg teilweise unvollständig.
Der Antragsteller trägt zur Begründung seiner vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision im Wesentlichen vor: Die Hundehalterverordnung habe keine ausreichende Ermächtigungsgrundlage. Unter Verstoß gegen die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werde die generalklauselartige Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 1 OBG für ausreichend erachtet, um Hunde im Rahmen von Rasselisten als gefährlich zu bewerten. Auf diese Weise werde eine lediglich zur Bekämpfung abstrakter Gefahren bestimmte Ermächtigung zur Regelung eines bloßen Gefahrenverdachts eingesetzt. Die in § 8 Abs. 2 und Abs. 3 HundehV enthaltene Aufzählung von Hunderassen verstoße ferner gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil beispielsweise die Deutsche Dogge sowie der Deutsche und der Kaukasische Schäferhund darin nicht enthalten seien.
Der Antragsteller beantragt,
das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 20. Juni 2002 zu ändern und § 8 Abs. 1 Nr. 1, soweit sich diese Vorschrift auf “rassespezifische Merkmale” bezieht, § 8 Abs. 2 Nr. 3 und § 16 der Ordnungsbehördlichen Verordnung des Landes Brandenburg über das Halten und Führen von Hunden vom 25. Juli 2000 für nichtig zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Zur Begründung wird u.a. ausgeführt, die allgemeine Verordnungsermächtigung des Polizei- und Ordnungsrechts in § 25 Abs. 1 OBG sei eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage zum Erlass der Hundehalterverordnung. Bei der Haltung von Hunden seien abstrakte Gefahren zu gewärtigen, deren Abwehr die Verordnung diene. Die Hundehalterverordnung sei in Abstimmung mit den Gremien des Landtags erlassen worden. Die Typisierung und Generalisierung bei der Bewertung des Gefährdungspotentials von Kampfhunden durch Aufstellung von Rasselisten (§ 8 HundehV) sei rechtlich unbedenklich. Es bestünden jeweils ausreichende Anhaltspunkte für eine gesteigerte Aggressivität und Gefährlichkeit. Im Hinblick auf die unterschiedliche Vertrautheit der Bevölkerung mit einzelnen nicht in die Listen aufgenommenen Hunderassen – z.B. Boxer, Deutsche Dogge und Deutscher Schäferhund – liege auch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes durch die Auflistung vor. Auch die Differenzierung zwischen den in § 8 Abs. 2 und den in § 8 Abs. 3 HundehV genannten Rassen sei nicht zu beanstanden, weil bei den in § 8 Abs. 2 HundehV benannten Hunden das Prognoserisiko, das mit einer nur widerlegbaren Vermutung der Gefährlichkeit verbunden sei, im Gegensatz zu den Hunden im Sinne von § 8 Abs. 3 HundehV nicht tragbar sei. Einer weitergehenden, durch den Landesgesetzgeber vorzunehmenden Güterabwägung habe es nicht bedurft, weil die Umstände, welche eine abstrakte Gefahr begründeten, im Bereich der Gefahrenabwehr nicht erst wissenschaftlich erforscht sein müssten, um sie bekämpfen zu dürfen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision, die – wie der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt hat – die Ablehnung des Normenkontrollantrags gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 3 und § 16 HundehV betrifft, ist teilweise begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). § 8 Abs. 2 Nr. 3 HundehV ist nichtig, so dass das angefochtene Urteil entsprechend zu ändern ist.). Soweit sich die Revision auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV bezieht, erweist sie sich als unbegründet (2.). Keiner Entscheidung bedarf das als Hilfsantrag zu verstehende Begehren, § 16 HundehV für nichtig zu erklären (3.).
1. Für § 8 Abs. 2 Nr. 3 HundehV fehlt es an einer Verordnungsermächtigung. Die Aufnahme bestimmter Hunderassen in die Liste des § 8 Abs. 2 HundehV und die Behandlung der Hunde dieser Rassen als “gefährliche Hunde” im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV lassen sich nicht als Maßnahmen zur Abwehr der von solchen Hunden ausgehenden Gefahren rechtfertigen. Die gegenteilige Auffassung des Oberverwaltungsgerichts verstößt gegen Bundesrecht.
a) Die Hundehalterverordnung ist auf die gesetzliche Verordnungsermächtigung in § 25 Abs. 1 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden (Ordnungsbehördengesetz – OBG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. August 1996 (GVBl S. 266), zuletzt geändert durch Gesetz vom 19. Dezember 2000 (GVBl S. 19), gestützt. Danach können ordnungsbehördliche Verordnungen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung erlassen werden. Bundesrecht gebietet, den in § 25 Abs. 1 OBG verwendeten Begriff der Abwehr von Gefahren in dem das Polizei- und Ordnungsrecht der Länder der Bundesrepublik Deutschland prägenden, überkommenen Sinn auszulegen. Mit diesem Inhalt entspricht die Vorschrift dem aus dem Grundgesetz folgenden Gebot der Bestimmtheit von Verordnungsermächtigungen, das aber zugleich auf die Grenzen der Ermächtigung nach Maßgabe des Urteils des Senats vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – (BVerwGE 116, 347, 349 ff.) führt:
Aus dem rechtsstaatlichen und demokratischen Verfassungssystem (Art. 20 Abs. 1 und 3, Art. 28 Abs. 1 GG) folgt, dass in einem Gesetz, durch das die Exekutive zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt wird, Inhalt, Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung bestimmt werden. Das Parlament soll sich seiner Verantwortung als gesetzgebende Körperschaft nicht dadurch entäußern können, dass es einen Teil der Gesetzgebungsmacht der Exekutive überträgt, ohne die Grenzen dieser Kompetenzen bedacht und diese nach Tendenz und Programm so genau umrissen zu haben, dass schon aus der Ermächtigung erkennbar und vorhersehbar ist, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit stellt die notwendige Ergänzung und Konkretisierung des aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatzes des Vorbehalts des Gesetzes dar. Welche Bestimmtheitsanforderungen im Einzelnen erfüllt sein müssen, hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Regelungsgegenstandes sowie der Intensität der Maßnahme, namentlich der Grundrechtsrelevanz der Regelung ab (vgl. BVerfGE 58, 257, 277 f.; BVerwGE 110, 253, 255 f.).
Die Verwendung der polizeilichen Generalklausel als Grundlage sicherheitsbehördlicher Verordnungen ist unter den genannten verfassungsrechtlichen Aspekten unbedenklich, wenn und soweit sie in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert, in ihrer Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt sind (vgl. BVerfGE 54, 143, 144). § 25 Abs. 1 OBG ermächtigt die darin genannten Stellen zum Erlass von Verordnungen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung. Dabei handelt es sich, wie aus der Ermächtigung zum Erlass einer normativen Regelung ohne weiteres folgt und vom Oberverwaltungsgericht auch in seiner Entscheidung vorausgesetzt worden ist (UA S. 26), um abstrakte Gefahren. Eine abstrakte Gefahr ist nach herkömmlichem Verständnis, das dem angefochtenen Urteil ersichtlich zugrunde liegt, immer dann anzunehmen, wenn mit bestimmten Lebenssachverhalten nach den Gesetzen der Erfahrung generell mit hinreichender Wahrscheinlichkeit Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung verbunden sind.
Der klassische Gefahrenbegriff, der auch § 25 Abs. 1 OBG zugrunde liegt, ist dadurch gekennzeichnet, dass “aus gewissen gegenwärtigen Zuständen nach dem Gesetz der Kausalität gewisse andere Schaden bringende Zustände und Ereignisse erwachsen werden” (vgl. Urteil des PrOVG vom 15. Oktober 1894, PrVBI 16, 125, 126). Schadensmöglichkeiten, die sich deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können, begründen keine Gefahr, sondern lediglich einen Gefahrenverdacht oder ein “Besorgnispotenzial” (vgl. Urteil vom 19. Dezember 1985 – BVerwG 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300, 315). Das allgemeine Gefahrenabwehrrecht bietet keine Handhabe, derartigen Schadensmöglichkeiten im Wege der Vorsorge zu begegnen. Die Befugnisse und Ermächtigungen der Verwaltungsbehörden nach dem Ordnungsbehördengesetz des Landes Brandenburg umfassen Vorsorgemaßnahmen nicht.
Maßgebliches Kriterium zur Feststellung einer Gefahr ist die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts (vgl. Urteil vom 26. Februar 1974 – BVerwG 1 C 31.72 – BVerwGE 45, 51, 57). Das trifft nicht nur für die “konkrete” Gefahr zu, die zu Abwehrmaßnahmen im Einzelfall berechtigt, sondern auch für die den sicherheitsrechtlichen Verordnungen zugrunde liegende “abstrakte” Gefahr. Die abstrakte Gefahr unterscheidet sich von der konkreten Gefahr nicht durch den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, sondern durch den Bezugspunkt der Gefahrenprognose oder, wie der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts in seinem Urteil vom 26. Juni 1970 – BVerwG 4 C 99.67 – (DÖV 1970, 713, 715) gesagt hat, durch die Betrachtungsweise: Eine konkrete Gefahr liegt vor, wenn in dem zu beurteilenden konkreten Einzelfall in überschaubarer Zukunft mit dem Schadenseintritt hinreichend wahrscheinlich gerechnet werden kann; eine abstrakte Gefahr ist gegeben, wenn eine generell-abstrakte Betrachtung für bestimmte Arten von Verhaltensweisen oder Zuständen zu dem Ergebnis führt, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden im Einzelfall einzutreten pflegt und daher Anlass besteht, diese Gefahr mit generell-abstrakten Mitteln, also einem Rechtssatz zu bekämpfen; das hat zur Folge, dass auf den Nachweis der Gefahr eines Schadenseintritts im Einzelfall verzichtet werden kann (vgl. auch Beschluss vom 24. Oktober 1997 – BVerwG 3 BN 1.97 – Buchholz 418.9 TierSchG Nr. 10). Auch die Feststellung einer abstrakten Gefahr verlangt mithin eine in tatsächlicher Hinsicht genügend abgesicherte Prognose: Es müssen – bei abstrakt-genereller Betrachtung – hinreichende Anhaltspunkte vorhanden sein, die den Schluss auf den drohenden Eintritt von Schäden rechtfertigen. Dabei liegt es im Wesen von Prognosen, dass die vorhergesagten Ereignisse wegen anderer als der erwarteten Geschehensabläufe ausbleiben können. Von dieser mit jeder Prognose verbundenen Unsicherheit ist die Ungewissheit zu unterscheiden, die bereits die tatsächlichen Grundlagen der Gefahrenprognose betrifft. Ist die Behörde mangels genügender Erkenntnisse über die Einzelheiten der zu regelnden Sachverhalte und/oder über die maßgeblichen Kausalverläufe zu der erforderlichen Gefahrenprognose nicht im Stande, so liegt keine Gefahr, sondern – allenfalls – eine mögliche Gefahr oder ein Gefahrenverdacht vor. Zwar kann auch in derartigen Situationen ein Bedürfnis bestehen, zum Schutz der etwa gefährdeten Rechtsgüter, namentlich höchstrangiger Rechtsgüter wie Leben und körperlicher Unversehrtheit von Menschen, Freiheitseinschränkungen anzuordnen. Doch beruht ein solches Einschreiten nicht auf der Feststellung einer Gefahr; vielmehr werden dann Risiken bekämpft, die jenseits des Bereichs feststellbarer Gefahren verbleiben. Das setzt eine Risikobewertung voraus, die – im Gegensatz zur Feststellung einer Gefahr – über einen Rechtsanwendungsvorgang weit hinausgeht und mehr oder weniger zwangsläufig neben der Beurteilung der Intensität der bestehenden Verdachtsmomente eine Abschätzung der Hinnehmbarkeit der Risiken sowie der Akzeptanz oder Nichtakzeptanz der in Betracht kommenden Freiheitseinschränkungen in der Öffentlichkeit einschließt, mithin – in diesem Sinne – “politisch” geprägt oder mitgeprägt ist (vgl. BVerfG, Beschluss des Ersten Senats – 3. Kammer – vom 28. Februar 2002 – 1 BvR 1676/01 – DVBl 2002, 614). Eine derart weit reichende Bewertungs- und Entscheidungskompetenz steht den Polizei- und Ordnungsbehörden aufgrund der Verordnungsermächtigungen nach Art des § 25 Abs. 1 OBG nicht zu. Denn es wäre mit den dargelegten Grundsätzen der Bestimmtheit gesetzlicher Ermächtigungen zu Rechtsverordnungen der Exekutive und des Vorbehalts des Gesetzes nicht vereinbar, wenn die Exekutive ohne strikte Bindung an den überlieferten Gefahrenbegriff kraft eigener Bewertung über die Notwendigkeit oder Vertretbarkeit eines Verordnungserlasses entscheiden könnte. Die rechtsstaatliche und demokratische Garantiefunktion der sicherheitsrechtlichen Verordnungsermächtigungen wäre in Frage gestellt, könnte die Exekutive nach diesen Vorschriften bereits einen mehr oder minder begründeten Verdacht zum Anlass für generelle Freiheitseinschränkungen nehmen. Vielmehr ist es Sache des zuständigen Gesetzgebers, sachgebietsbezogen darüber zu entscheiden, ob, mit welchem Schutzniveau (vgl. hierzu Urteil vom 19. Dezember 1985, a.a.O., S. 316) und auf welche Weise Schadensmöglichkeiten vorsorgend entgegen- gewirkt werden soll, die nicht durch ausreichende Kenntnisse belegt, aber auch nicht auszuschließen sind (vgl. Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, S. 65 m.w.N.). Allein der Gesetzgeber ist befugt, unter Abwägung der widerstreitenden Interessen die Rechtsgrundlagen für Grundrechtseingriffe zu schaffen, mit denen Risiken vermindert werden sollen, für die – sei es aufgrund neuer Verdachtsmomente, sei es aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels oder einer veränderten Wahrnehmung in der Bevölkerung – Regelungen gefordert werden. Das geschieht üblicherweise durch eine Absenkung der Gefahrenschwelle in dem ermächtigenden Gesetz von der “Gefahrenabwehr” zur “Vorsorge” gegen drohende Schäden (vgl. etwa § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, § 5 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG, § 6 Abs. 2 GenTG, § 7 BBodSchG). Demgegenüber ist in § 25 Abs. 1 OBG ausschließlich von “Abwehr von Gefahren”, nicht hingegen von “Vorsorge” oder “Vorbeugung” die Rede. Auch darin zeigt sich positivrechtlich, dass dem Gefahrenbegriff nicht aus sich heraus eine Erstreckung auf die Aufgabe der Risiko- oder Gefahrenvorsorge innewohnt.
b) Das Oberverwaltungsgericht hat hinsichtlich der in § 8 Abs. 2 HundehV aufgezählten Hunderassen eine abstrakte Gefahr im Sinne des § 25 Abs. 1 OBG für gegeben erachtet, ohne die Voraussetzungen einer solchen Gefahr in Abgrenzung von denjenigen einer bloßen Gefahrenvorsorge ordnungsgemäß festzustellen.
Nach § 8 Abs. 2 HundehV gelten Hunde der fünf dort aufgeführten Rassen oder Gruppen sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden aufgrund rassespezifischer Merkmale oder Zucht als unwiderleglich gefährlich im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV. Der von dem Antragsteller gehaltene Hund gehört zu der unter Nr. 3 aufgelisteten Rasse der “Bullterrier” bzw. einer Kreuzung damit. Diese Vorschrift ist von der in der dargelegten Weise verfassungskonform auszulegenden Ermächtigung in § 25 Abs. 1 OBG zum Erlass von Verordnungen zur Abwehr abstrakter Gefahren nicht gedeckt.
Das Oberverwaltungsgericht hat zur Begründung der von ihm angenommenen rassebedingten abstrakten Gefahren im Wesentlichen ausgeführt: Von den in den Rassekatalogen des § 8 Abs. 2 und 3 HundehV erwähnten Hunderassen gehe gegenüber der Gesamtheit der übrigen Hunderassen ein erhöhtes Gefahrenpotential aus, welches spezifische, gerade den Erlass weiterer die Haltung und Führung solcher Hunderassen regulierender Vorschriften rechtfertigten. Hierbei sei die Anknüpfung an die Zugehörigkeit zu einer Rasse kein sachfremdes Kriterium zur Bestimmung von gefährlichen Hunden. Der aus der Veterinärwissenschaft, von Teilen der rechtswissenschaftlichen Literatur und teilweise auch von der Rechtsprechung erhobene Einwand, es gebe keine gefährlichen Hunde kraft ihrer Rassezugehörigkeit, sondern nur individuell und rasseunabhängig feststellbar aggressive Hunde, überzeuge nicht. Anknüpfungspunkt sei nicht eine festgestellte oder vermutete individuelle Gefährlichkeit des einzelnen Hundes, sondern ein genetisches Potential und körperliche Merkmale, welche bei dem Hinzutreten weiterer Umstände die aufgelisteten Hunde zu einer Gefahr werden lassen könnten. Zwar sei es gesicherte Erkenntnis, dass die genetische Disposition nicht alleinige Ursache für Aggressionen und damit einhergehende Gefahren darstelle. Vielmehr spreche Überwiegendes dafür, dass mehrere Faktoren, insbesondere Umwelteinflüsse und darunter vor allem diejenigen, die dem Hundehalter zuzurechnen seien, Hunde gefährlich machen könnten. Andererseits sei es ebenso unzweifelhaft, dass die Rassezugehörigkeit, die zugrunde liegende Zucht und nicht zuletzt die körperliche Konstitution schon für sich betrachtet nicht unbeträchtliche Gefahrenpotentiale darstellen könnten. Dass in der fachwissenschaftlichen Literatur unterschiedliche Auffassungen dazu bestünden, in welchem Umfang diese Eigenschaften gegenüber Umweltfaktoren zur Gefährlichkeit eines Hundes beitrügen, führe nicht etwa dazu, insoweit nur von einem ”Gefahrenverdacht” auszugehen. Auch wenn der Einfluss genetischer bzw. morphologischer Faktoren nicht einheitlich beurteilt werde, stehe doch fest, dass diese Faktoren sich neben weiteren Ursachen auf die Gefährlichkeit eines Hundes auswirkten und deshalb ein zulässiger Anknüpfungspunkt für abstrakte Gefahren sein könnten. Danach habe das Gericht keinen Zweifel, dass insbesondere bei Hunden der dort genannten Rassen oder durch Kreuzungen mit ihnen nach allgemeiner Lebenserfahrung beim Hinzutreten weiterer Umstände erhebliche Gefahren für Leib und Leben von Menschen und anderen Tieren zu gewärtigen seien. Die abstrakte Gefährlichkeit resultiere aus der zuchtspezifischen Erscheinungsform, der überdurchschnittlichen Körpergröße oder Wendigkeit, der Kopfform und einer damit einhergehenden hohen Beißkraft sowie aus ihrer bekannten Zuchtgeschichte, welche Rückschlüsse auf eine reduzierte Hemmschwelle und eingeschränktes Sozialverhalten zuließen.
Diese Erwägungen überschreiten den der Verordnungsermächtigung zugrunde liegenden herkömmlichen Gefahrenbegriff. Den Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts ist kein ausreichender Beleg dafür zu entnehmen, dass allein die Rasse eines Hundes eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinn begründet. Das Oberverwaltungsgericht weist selbst auf die “gesicherte Erkenntnis” hin, dass die genetische Disposition nicht alleinige Ursache für Aggressionen sei. Seine Erwägung, dass sich genetische bzw. morphologische Faktoren neben weiteren Ursachen auf die Gefährlichkeit eines Hundes auswirken können, rechtfertigt die Annahme einer abstrakten Gefahr nicht. Denn diese Erwägung entband das Oberverwaltungsgericht nicht von der aufgrund veterinärmedizinischer Erkenntnisse oder auch anhand von hinreichend gesicherten Erfahrungswerten vorzunehmenden Prüfung, ob die Hunde bestimmter Rassen typischerweise ein höheres Aggressionspotential aufweisen als andere Hunde. Die vom Oberverwaltungsgericht hierzu gewonnenen und in dem Urteil wiedergegebenen Erkenntnisse, die von ihm zu Recht lediglich als “Anhaltspunkte” bezeichnet werden, begründen einen Gefahrenverdacht, nicht aber die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts. Dem steht nicht entgegen, dass das Oberverwaltungsgericht ausdrücklich auf den Gesichtspunkt des Gefahrenverdachts hinweist und die Auffassung vertritt, die von ihm festgestellte Gefährdungslage gehe über einen solchen Verdacht hinaus. Entscheidend ist, ob diese Bewertung von den in dem Urteil getroffenen Feststellungen getragen wird. Ist das – wie hier – nicht der Fall, kann die Erwägung, die Schwelle eines Gefahrenverdachts sei überschritten, nicht die Annahme einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinne begründen. Demgemäß spricht das Oberverwaltungsgericht an anderer Stelle seines Urteils (UA S. 41) unter handgreiflicher Verkennung der Voraussetzungen einer abstrakten Gefahr von einer dem Verordnungsgeber vorbehaltenen “Gefahrenabschätzung”, die nur daraufhin zu überprüfen sei, ob sie auf einer hinreichend verlässlichen Tatsachenermittlung beruhe und nicht offensichtlich fehlerhaft oder eindeutig widerlegbar sei. Die von dem Oberverwaltungsgericht angenommene Gefährdungslage weicht mithin nicht von derjenigen ab, von der der erkennende Senat in seinem bereits erwähnten Urteil vom 3. Juli 2002 – BVerwG 6 CN 8.01 – (a.a.O., S. 354) zur Niedersächsischen Gefahrtier-Verordnung ausgegangen ist. Danach lässt sich aus der Zugehörigkeit zu einer Hunderasse allein nach dem Erkenntnisstand der Fachwissenschaft nicht ableiten, dass von den Hundeindividuen Gefahren ausgehen. Zwar besteht der Verdacht, dass Hunde bestimmter Rassen ein genetisch bedingtes übersteigertes Aggressionsverhalten aufweisen. Es ist jedoch in der Wissenschaft umstritten, welche Bedeutung diesem Faktor neben zahlreichen anderen Ursachen – Erziehung und Ausbildung des Hundes, Sachkunde und Eignung des Halters sowie situative Einflüsse – für die Auslösung aggressiven Verhaltens zukommt. Insbesondere liegen dazu weder aussagekräftige Statistiken oder sonstiges belastbares Erfahrungswissen noch genetische Untersuchungen vor.
Auch der vom Antragsgegner angesprochene Grundsatz, dass im Hinblick auf die Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter – Leben und körperliche Unversehrtheit von Menschen – bereits die entferntere Möglichkeit eines Schadenseintritts zur Begründung einer (abstrakten) Gefahr ausreichen kann, eröffnet dem Verordnungsgeber nach § 25 Abs. 1 OBG nicht die Möglichkeit, zur Gefahrenabwehr an die Zugehörigkeit eines Hundes zu einer Rasse oder einem Typ anzuknüpfen. Richtig ist, dass der Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, der für die Annahme einer Gefahr erforderlich ist, von der Größe und dem Gewicht des drohenden Schadens abhängt: Die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts muss umso größer sein, je geringer der möglicherweise eintretende Schaden ist, und sie darf umso kleiner sein, je schwerer der etwa eintretende Schaden wiegt (vgl. Urteil vom 2. Juli 1991 – BVerwG 1 C 4.90 – BVerwGE 88, 348, 351). Gleichwohl muss auch dann, wenn ein schwerwiegender Schaden befürchtet wird, aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung oder der Erkenntnisse fachkundiger Stellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit für den Eintritt dieses Schadens sprechen. Von solchen (echten) Gefahrenlagen sind diejenigen Fälle zu unterscheiden, in denen – wie hier – wegen erheblicher Erkenntnislücken lediglich ein Gefahrenverdacht besteht. In diesen Fällen kommen nach dem allgemeinen Recht der Gefahrenabwehr in erster Linie Maßnahmen zur weiteren Erforschung des Sachverhalts in Betracht. Dagegen sind Maßnahmen, die über die Abklärung des Verdachts hinaus auf die Abwehr der vermuteten Gefahr gerichtet sind, ohne spezialgesetzliche Ermächtigung zur Gefahrenvorsorge grundsätzlich nicht zulässig, und zwar auch dann nicht, wenn höchstrangige Rechtsgüter auf dem Spiel stehen. Zwar setzt die Feststellung einer Gefahr nicht notwendig die genaue Kenntnis der zum Schadenseintritt führenden Kausalverläufe voraus; vielmehr lässt sich ein bestehender Ursachenzusammenhang und damit die hinreichende Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts – namentlich wenn es um die Feststellung abstrakter Gefahren geht – auch indirekt mit Hilfe statistischer Methoden nachweisen. Doch liegen, wie bereits erwähnt, hinsichtlich der erhöhten Gefährlichkeit bestimmter Hunderassen derzeit weder aussagekräftige Statistiken noch sonstige gesicherte Erkenntnisse vor, auf die der Antragsgegner sich beim Erlass der angegriffenen Verordnung hätte stützen können.
Nach alledem ist es Sache des parlamentarischen Gesetzgebers, darüber zu befinden, ob er aufgrund des bestehenden Gefahrenverdachts eine Ermächtigungsgrundlage für Grundrechtseingriffe schafft. Auf diese parlamentarische Legitimation kann nicht deshalb verzichtet werden, weil nach brandenburgischem Verfassungsrecht der Landtag und seine Ausschüsse über die Vorbereitung von Verordnungen frühzeitig und vollständig zu unterrichten ist (Art. 94 Satz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg). Ist die Einschränkung von grundrechtlichen Freiheiten dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten, soll damit gesichert werden, dass Entscheidungen von solcher Tragweite aus einem Verfahren hervorgehen, das die Volksvertretung anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären. Die bloße Unterrichtung des Landtags und seiner Ausschüsse von einer beabsichtigten Verordnung trägt dem nicht Rechnung. Selbst im Fall der Zustimmung eines Gesetzgebungsorgans zu einer Verordnung verliert diese nicht ihren Charakter als Rechtsverordnung (vgl. BVerfGE 2, 237, 255).
Es besteht kein Anlass, § 8 Abs. 2 Nr. 3 HundehV trotz seiner Rechtswidrigkeit ganz oder teilweise für weiter anwendbar zu erklären. Selbst wenn ein solcher Ausspruch gemäß § 47 Abs. 5 VwGO in Betracht kommen sollte, lägen die ihn rechtfertigenden Voraussetzungen nicht vor. Insbesondere ist der notwendige Schutz der Bevölkerung vor den von Hunden ausgehenden Gefahren in Anbetracht der vorhandenen Mittel vor allem des Strafrechts und des allgemeinen Sicherheitsrechts gewahrt (vgl. Urteil vom 3. Juli 2002, a.a.O., S. 358).
2. Der gegen § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV gerichtete Antrag ist unbegründet.
Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV gelten u.a. solche Hunde als “gefährliche Hunde”, bei denen aufgrund rassespezifischer Merkmale, Zucht, Ausbildung oder Abrichten von einer über das natürliche Maß hinausgehenden Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Schärfe oder einer anderen in ihrer Wirkung vergleichbaren, Mensch oder Tier gefährdenden Eigenschaft auszugehen ist. Diese Vorschrift ist vom Oberverwaltungsgericht zu Recht als insgesamt gültig angesehen worden.
Der bundesrechtliche Grundsatz der Normerhaltung erfordert, eine Vorschrift erst dann für nichtig zu erklären, wenn sie sich auch nach sorgfältiger und lückenloser, insbesondere den Gesamtzusammenhang der getroffenen Regelung mit berücksichtigender Auslegung als mit höherrangigem Recht unvereinbar erweist (Urteil vom 18. Dezember 2002 – BVerwG 6 CN 1.02 – UA S. 24). Unter Beachtung dieses Grundsatzes kann § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV dahin verstanden werden, dass die Regelung auf Hundeindividuen anzuwenden ist, die eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust, Schärfe oder eine andere vergleichbare, Menschen oder Tiere gefährdende Eigenschaft besitzen, ohne dass es entscheidend darauf ankommt, aus welchen Gründen eine derartige, feststellbare Eigenschaft vorhanden ist. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats zu einer mit der hier in Rede stehenden Bestimmung vergleichbaren Vorschrift der Gefahrhundeverordnung des Landes Schleswig-Holstein (vgl. Urteil vom 18. Dezember 2002 – BVerwG 6 CN 1.02 – UA S. 24 f.). In dieser Auslegung hält sich § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV im Rahmen der die Gefahrenabwehr betreffenden Ermächtigungsgrundlage des § 25 Abs. 1 OBG. Denn von Hunden, welche die genannten Eigenschaften haben, gehen Gefahren aus, die durch eine Rechtsverordnung bekämpft werden dürfen.
Die Vorschrift knüpft an bestimmte Eigenschaften sowie an Umstände an, die zu diesen Eigenschaften geführt haben, nämlich rassespezifische Merkmale, Zucht, Haltung, Ausbildung oder Abrichtung. Wenn das Hundeindividuum Menschen und Tiere gefährdende Eigenschaften hat, so ist es im Hinblick auf die Gefahrenabwehr ohne Bedeutung, wie es sie erworben hat. Der Umstand, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV auch mögliche Ursachen der gefährdenden Eigenschaften aufzählt, stellt bei diesem Verständnis lediglich eine Beschreibung von Anhaltspunkten dar, die zu den gefährlichen Eigenschaften einzelner Hunde beigetragen haben können und Hinweise darauf geben können, dass diese Eigenschaften vorliegen könnten, ohne dass die möglichen Ursachen ihrerseits der Feststellung bedürfen, wenn die gefährdenden Eigenschaften vorliegen. Unter diesen Umständen ist eine gewisse Unschärfe des im Tatbestand der Norm genannten Begriffs “rassespezifische Merkmale” ohne Bedeutung für die Anwendung der Norm, die auf die Bekämpfung einer aus bestimmten Eigenschaften individueller Hunde resultierenden Gefahr zielt. Es ist eine Frage der Feststellbarkeit im Tatsächlichen, ob ein bestimmter Hund eine oder mehrere dieser Eigenschaften aufweist.
Demnach betrifft die Regelung in § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV insgesamt – einschließlich des Begriffs “rassespezifische Merkmale” – Hundeindividuen mit bestimmten “Eigenschaften”. Ist bei einem Hundeindividuum eine Menschen oder Tiere gefährdende Eigenschaft festgestellt, so unterliegt es keinen Bedenken, darin eine Gefahr im Sinne des Polizeirechts zu sehen, die Anknüpfungspunkt von Regelungen zur Verhinderung des Eintritts von Schäden ist. Individuelle Eigenschaften von Hunden, die Menschen oder Tier gefährden, begründen nicht nur einen Gefahrenverdacht, sondern eine Gefahr.
Der Umstand, dass § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV zusätzlich auf die Ursachen der gefährdenden Eigenschaften abstellt, lässt sich nach dem Gesagten dahin verstehen, dass bestimmte bei einem Hundeindividuum vorliegende Umstände Anlass für die Ermittlung bieten, ob der Hund gefährliche Eigenschaften hat. Dieser Ermittlung dient das Erlaubnisverfahren des § 10 HundehV. Die Norm beschreibt bei diesem Verständnis neben den Voraussetzungen für die Annahme eines “gefährlichen Hundes” die Voraussetzungen eines Gefahrenverdachts, deren Vorliegen zu dem Erlaubnisverfahren nach § 10 HundehV führt. Bei diesem Ansatz ist die Norm nicht nur Grundlage für Maßnahmen der Gefahrenabwehr, sondern darüber hinaus auch Anknüpfungspunkt für ein grundsätzlich zulässiges Gefahrenermittlungsprogramm. Auch insoweit kann § 25 Abs. 1 OBG, ohne gegen Bundesrecht zu verstoßen, Rechtsgrundlage für § 8 Abs. 1 Nr. 1 HundehV sein. Dass ein Gefahrenverdacht bei Vorliegen bestimmter rassespezifischer Merkmale vorliegen kann und der Verordnungsgeber daran ein Programm zur Gefahrerforschung anknüpft, begegnet aus der Sicht des Bundesrechts keinem Bedenken.
3. Mit dem Antrag gegen § 16 HundehV macht der Antragsteller sinngemäß geltend, die Übergangsvorschrift müsse auch auf den von ihm gehaltenen und unter das Regelungsregiment von § 8 Abs. 2 HundehV fallenden Hund erstreckt werden. Da er nur insoweit gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO antragsbefugt ist, als er in eigenen Rechten verletzt sein oder werden kann, ist dieser Antrag bei sachgerechter Auslegung (§ 88 VwGO) nur für den Fall als gestellt anzusehen, dass der von dem Antragsteller angegriffene § 8 Abs. 2 Nr. 3 HundehV nicht für nichtig erklärt wird. Dies geschieht aber mit der vorliegenden Entscheidung. Somit ist über den als Hilfsbegehren zu verstehenden Antrag gegen § 16 HundehV nicht mehr zu entscheiden.
4. Die Kostenentscheidung folgt für den ersten Rechtszug aus § 155 Abs. 1 Satz 1, § 159 VwGO und für die Revisionsinstanz aus § 155 Abs. 1 Satz 3, § 159 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Bardenhewer, Hahn, Büge, Graulich, Vormeier
Fundstellen