Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenhausfinanzierung. Ausbildungsbudget. Kosten der Ausbildungsstätte. Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen. Anrechnungsschlüssel. Praxisanleitung. Praxisanleiter
Leitsatz (amtlich)
§ 17a Abs. 1 Satz 1 KHG umfasst die Kosten, die dem Krankenhaus dadurch entstehen, dass es Träger oder Mitträger einer staatlich anerkannten Krankenpflegeschule ist. Der Tatbestand der Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen stellt einen Ausschnitt aus den insgesamt pflegesatzfähigen Ausbildungskosten dar, dessen Besonderheit in seiner pauschalierten Berechnung liegt.
Die Veränderung des Anrechnungsschlüssels in § 17a Abs. 1 Satz 2 KHG durch das Gesetz über die Berufe in der Krankenpflege vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1442) schreibt die herkömmliche Lasten- und Kostenzuordnung fort. Neuartige Lasten, die das Krankenhaus im Gefolge des neuen Krankenpflegegesetzes treffen, erfasst sie hingegen nicht.
Normenkette
KHG § 17a
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 09.11.2007; Aktenzeichen 7 A 10623/07) |
VG Mainz (Urteil vom 21.05.2007; Aktenzeichen 6 K 611/06.MZ) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz vom 21. Mai 2007 und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 9. November 2007 werden geändert. Der Bescheid des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit des Beklagten vom 31. Mai 2006 wird aufgehoben, soweit er die Festsetzungen des krankenhausindividuellen Ausbildungsbudgets und des fallbezogenen Ausbildungszuschlags für den Vereinbarungszeitraum 2005 im Beschluss der Schiedsstelle für die Festsetzung der Krankenhauspflegesätze für Rheinland-Pfalz vom 23. Januar 2006 betrifft.
Der Beklagte trägt die Hälfte und die Beigeladenen tragen jeweils ein Achtel der Gerichtskosten und der außergerichtlichen Kosten der Klägerin aus allen Rechtszügen. Davon ausgenommen sind die durch die Anrufung des Verwaltungsgerichts Koblenz verursachten Kosten, die die Klägerin zu tragen hat.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Höhe des Ausbildungsbudgets für das Krankenhaus der Klägerin für das Jahr 2005.
In den Entgeltverhandlungen zwischen der Klägerin und den beigeladenen Krankenkassen war streitig geblieben, wie die im Rahmen der Krankenpflegeausbildung anfallenden Kosten der sog. Praxisanleitung zu berücksichtigen seien. Die Krankenpflegeausbildung zerfällt in Unterricht an der Krankenpflegeschule und in eine praktische Ausbildung im Krankenhaus. Seit 2003 ist vorgeschrieben, dass die Krankenhäuser sicherstellen müssen, dass die Auszubildenden in der praktischen Ausbildung durch voll ausgebildete Pflegekräfte angeleitet werden. Diese Kräfte müssen über eine mindestens zweijährige Berufserfahrung verfügen und eine besondere pädagogische Zusatzqualifikation aufweisen. Die Klägerin veranschlagt für das Jahr 2005 zusätzliche Kosten in Höhe von 168 360 € für den Einsatz von Praxisanleitern auf der Station (3,68 zusätzliche Vollkräfte à 45 750 €) sowie von 70 102 € für deren pädagogische Weiterbildung (Arbeitsausfall und tatsächliche Schulungskosten).
Die Schiedsstelle setzte mit Beschluss vom 23. Januar 2006 das krankenhausindividuelle Ausbildungsbudget für den Vereinbarungszeitraum 2005 auf 631 031 € und den fallbezogenen Ausbildungszuschlag infolgedessen auf 111,16 € fest. Dabei folgte sie insofern dem Antrag der Beigeladenen. Die durch die Praxisanleitung verursachten Mehrkosten seien nicht gesondert zu berücksichtigen; sie seien bereits dadurch abgegolten, dass der Gesetzgeber den Anrechnungsschlüssel (Anrechnung von Auszubildenden auf ausgebildete Pflegekräfte im Krankenhaus) von 7 zu 1 auf 9,5 zu 1 angehoben habe. Der Beklagte genehmigte den Schiedsspruch mit Bescheid des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Familie und Gesundheit vom 31. Mai 2006.
Mit ihrer zunächst beim Verwaltungsgericht Koblenz erhobenen und von diesem an das Verwaltungsgericht Mainz verwiesenen Klage begehrt die Klägerin, den Genehmigungsbescheid des Beklagten hinsichtlich des krankenhausindividuellen Ausbildungsbudgets und des fallbezogenen Ausbildungszuschlags aufzuheben. Zur Begründung hat sie sich vor allem auf § 17a Abs. 3 Satz 4 KHG berufen, demzufolge in dem Ausbildungsbudget insbesondere die zusätzlichen Kosten auf Grund der Umsetzung des 2003 neu erlassenen Krankenpflegegesetzes zu berücksichtigen seien. Die Praxisanleitung sei zuvor nicht vorgesehen gewesen, weshalb die Kosten für den Einsatz qualifizierter Praxisanleiter und deren pädagogische Weiterbildung zusätzliche Kosten des neuen Gesetzes seien. Diese Mehrkosten seien durch die Veränderung des Anrechnungsschlüssels von 7 zu 1 auf 9,5 zu 1 nicht erfasst.
Das Verwaltungsgericht Mainz hat die Klage mit Urteil vom 21. Mai 2007 abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 9. November 2007 zurückgewiesen. Zur Begründung führen beide Gerichte im Wesentlichen übereinstimmend aus: Die Schiedsstelle habe die von der Klägerin geltend gemachten Kosten der Praxisanleitung zu Recht nicht in das Ausbildungsbudget aufgenommen, weil sich für sie im Gesetz keine Finanzierungsgrundlage finde. In § 17a KHG sei abschließend geregelt, welche Kosten in das Ausbildungsbudget einzustellen seien. Die Vorschrift kenne nur zwei Finanzierungstatbestände, die Kosten der Ausbildungsstätten und die Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen. Die Kosten der Praxisanleitung seien weder der Ausbildungsstätte zuzuordnen, weil sie beim Krankenhaus und nicht bei der Schule anfielen, noch handele es sich um Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen für die Auszubildenden. Zu Unrecht berufe die Klägerin sich auf § 17a Abs. 3 Satz 4 KHG, wonach insbesondere die Mehrkosten infolge des neuen Krankenpflegegesetzes zu berücksichtigen seien. Diese Vorschrift stelle keinen dritten Finanzierungstatbestand dar, sondern wirke sich nur innerhalb der beiden genannten Finanzierungstatbestände aus. Bestehe mithin für die Kosten der Praxisanleitung kein Finanzierungstatbestand, so habe der Gesetzgeber diese Kosten doch auch nicht übersehen. Er habe ihnen vielmehr bei Erlass des neuen Krankenpflegegesetzes durch gleichzeitige Anhebung des Anrechnungsschlüssels Rechnung getragen. Dies sei nach der Entwurfsbegründung des Krankenpflegegesetzes eindeutig; dass Unsicherheiten während des Gesetzgebungsverfahrens dazu geführt hätten, die Veränderung des Schlüssels mit einer anderen Begründung zu unterlegen, lasse sich nicht hinreichend sicher feststellen.
Zur Begründung ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor: Das Berufungsurteil verletze schon im Ausgangspunkt Bundesrecht, indem es die materiellen Finanzierungstatbestände abschließend in § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG sehe und § 17a Abs. 3 und 4 KHG lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung zuerkenne. § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG enthalte vielmehr lediglich eine Art Überschrift und ordne die Finanzierung der Ausbildungs-kosten “nach Maßgabe der folgenden Vorschriften” an. § 17a Abs. 3 Satz 3 und 4 KHG sehe dann vor, dass die Kosten der Ausbildung, namentlich die durch das neue Krankenpflegegesetz verursachten Mehrkosten, vollständig gedeckt werden müssten. In dieselbe Richtung weise § 17a Abs. 4 Satz 1 und 2 KHG. Dem Berufungsgericht könne auch in der Anwendung von § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG selbst nicht gefolgt werden. Es erkenne zwar, dass die in Rede stehenden Kosten der Praxisanleitung keine Mehrkosten für Ausbildungsvergütungen darstellten. Damit stehe aber seine Auffassung in Widerspruch, die Kosten der Praxisanleitung seien mit der Veränderung des Anrechnungsschlüssels abgegolten. Richtigerweise handele es sich stattdessen um Kosten der Ausbildungsstätte. Dieser Finanzierungstatbestand erfasse alle Kosten, die einem ausbildenden Krankenhaus infolge der Ausbildung entstünden, sofern sie denn pflegesatzfähig seien. Er dürfe nicht auf die Kosten für die Krankenpflegeschule beschränkt werden. Die Unterscheidung zwischen Kosten der Schule und Kosten des Krankenhauses im Übrigen sei künstlich; sie verkenne den engen Zusammenhang zwischen schulischer und betrieblicher Ausbildung im Krankenhaus und werde deshalb auch etwa bei der Investitionskostenförderung des Landes nicht vorgenommen. Im Übrigen könnten die Mehrkosten der Praxisanleitung durch die Veränderung des Anrechnungsschlüssels von 7 zu 1 auf 9,5 zu 1 nicht erfasst sein. Diese Veränderung trage vielmehr dem Umstand Rechnung, dass die Auszubildenden infolge einer Ausweitung des theoretischen Unterrichts von zuvor 1 600 auf nunmehr 2 100 Stunden sowie einer vermehrten auswärtigen Ausbildung für praktische Tätigkeiten auf der Station nur noch in vermindertem Umfang zur Verfügung stünden. Die Kosten aus dem Einsatz von Praxisanleitern hätten die Krankenkassen auch bislang gesondert vergütet.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Rechtsansicht der Klägerin laufe der Gesamttendenz der Gesetzgebung zuwider, von einer Einzelkostendeckung zu einer pauschalierenden Regelung in Ausrichtung an Richtwerten zu gelangen. Damit einhergehende Belastungen des Krankenhauses seien zumutbar, schon weil das Krankenhaus aus der Ausbildung auch Vorteile für die Gewinnung und Erprobung künftiger Pflegekräfte ziehe.
Auch die Beigeladenen verteidigen das Berufungsurteil. Sie weisen darauf hin, dass die Auszubildenden schon in der Vergangenheit auf den Stationen durch Mentoren und Praxisanleiter unterwiesen worden seien und dass dies nicht zu gesondert ausgewiesenen Personalkosten geführt habe. Neu sei lediglich, dass sich die Praxisanleiter einer besonderen Weiterbildung unterziehen müssten. Die dadurch veranlassten Kosten seien aber im veränderten Anrechnungsschlüssel enthalten. Diese Veränderung lasse sich allein mit den verkürzten Anwesenheitszeiten der Auszubildenden auf der Station nicht erklären.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist begründet. Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Die Vorinstanzen hätten den angefochtenen Genehmigungsbescheid des Beklagten aufheben müssen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Nach § 17a Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes – KHG – vom 10. April 1991 (BGBl I S. 886) in der Fassung des Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBl I S. 3429) sind die Kosten der in § 2 Nr. 1a KHG genannten Ausbildungsstätten und die Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen nach Maßgabe der folgenden Vorschriften durch Zuschläge zu finanzieren. Dies umfasst die Kosten, die dem Krankenhaus dadurch entstehen, dass es Träger oder Mitträger einer staatlich anerkannten Krankenpflegeschule ist.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts erfasst § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG – jenseits der Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen – lediglich diejenigen Kosten, die unmittelbar der Krankenpflegeschule selbst zugeordnet werden können. Das ist zu eng. Es ist schon mit § 17a Abs. 3 Satz 4 KHG unvereinbar. Nach dieser Vorschrift sind bei der Vereinbarung des Ausbildungsbudgets die zusätzlichen Kosten auf Grund der Umsetzung des Krankenpflegegesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1442) zu berücksichtigen. Dem Berufungsgericht ist zuzugeben, dass dies keinen zusätzlichen Kostentatbestand neben § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG darstellt. Die Vorschrift lässt aber Rückschlüsse auf die Auslegung des § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG zu. Sie gebietet, § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG in einer Weise auszulegen, die es ermöglicht, die durch das neue Krankenpflegegesetz verursachten zusätzlichen Kosten vollständig zu finanzieren. Nur so lässt sich der Zweck des Gesetzes erreichen, die Ausbildung zu den Krankenpflegeberufen an den Krankenhäusern auf einem gleichbleibend hohen Niveau zu sichern.
Dass neben den Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen nicht lediglich die Kosten der Schule selbst pflegesatzfähig sein sollen, zeigt auch die Geschichte der Vorschrift. Die Ausbildungskosten des Krankenhauses wurden erstmals durch das Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz vom 22. Dezember 1981 (BGBl I S. 1568) für pflegesatzfähig erklärt. § 17 Abs. 4a Satz 1 KHG in der Fassung dieses Gesetzes führte bereits – entsprechend der heutigen Fassung von § 17a Abs. 1 Satz 1 KHG – die Kosten der in § 2 Nr. 3 Buchst. e KHG 1981 genannten Ausbildungsstätten an. Regelungsgegenstand des § 2 Nr. 3 Buchst. a KHG 1981 aber war die Abgrenzung derjenigen Berufe, deren Ausbildungsstätte notwendigerweise mit einem Krankenhaus verbunden war, von anderen Ausbildungsberufen; nur bei notwendiger Verbundenheit von Ausbildungsstätte und Krankenhaus sollten die Ausbildungskosten pflegesatzfähig sein. Hingegen bezweckte die Vorschrift nicht, die pflegesatzfähigen Kosten obendrein auf die unmittelbar durch die Schule selbst verursachten Kosten zu beschränken und die Kosten der praktischen Ausbildung im Krankenhaus auszunehmen. Das lag auch nicht in der Absicht des Gesetzgebers, als er in Art. 23 Nr. 1 des Haushaltsbegleitgesetzes 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I S. 1532) die gemeinten Ausbildungsberufe statt durch das allgemeine Merkmal der notwendigen Verbundenheit mit einem Krankenhaus nunmehr durch einen Katalog bezeichnete (vgl. BTDrucks 10/335 S. 101; 10/691 S. 20).
Eine Begrenzung auf die bloßen Kosten der Schule und eine Ausklammerung der Kosten der praktischen Ausbildung im Krankenhaus lag dem Gesetzgeber des Kostendämpfungsgesetzes vielmehr fern. Bei Einführung der Finanzierung der Ausbildungskosten über den Pflegesatz und in der Folgezeit war die Pflegesatzfähigkeit der Kosten der praktischen Ausbildung im Gegenteil unstrittig; umstritten war gerade die Pflegesatzfähigkeit der Kosten des Unterrichts in der Schule. So sah § 17 Abs. 4a Satz 2 KHG in der Fassung des Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetzes vor, dass die Kosten des Unterrichts nach einer Übergangszeit aus der Förderung herausgenommen werden sollten. Der Bund wollte in der Folgezeit nur noch die Kosten der praktischen Ausbildung über die Pflegesätze finanzieren, während die Regelung der Finanzierung des Unterrichts dann Sache der Länder sein sollte. Hintergrund des Anliegens der Bundesseite war die Auffassung, dass die Krankenpflegeschulen berufliche Schulen seien, deren Finanzierung den Ländern obliege; im Rahmen des dualen Bildungssystems sei der Bund nur für den betrieblichen Teil der Ausbildung zuständig. Die Länder wandten ein, bei den Krankenpflegeberufen ließen sich die schulische und die praktische Ausbildung nicht ähnlich genau trennen wie bei anderen Ausbildungsberufen. Sie setzten sich durch; § 17 Abs. 4a Satz 2 KHG 1981 wurde durch Art. 22 Nr. 4 des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 (BGBl I S. 2477) gestrichen (vgl. BTDrucks 9/570 S. 26; 9/976 S. 33; 10/691 S. 21; 11/2493 S. 50; 11/3480 S. 44). Seither gelten sämtliche Ausbildungskosten ohne Vorbehalt als pflegesatzfähig.
Die Kosten der praktischen Ausbildung im Krankenhaus werden damit – entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts – nicht nur über den Tatbestand der Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen erfasst. Dieser stellt vielmehr einen Ausschnitt aus den insgesamt pflegesatzfähigen Ausbildungskosten dar, dessen Besonderheit in seiner pauschalierten Berechnung liegt. So sollten nach der Entwurfsfassung des Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetzes “die Kosten der Ausbildungsstätten einschließlich der Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen” pflegesatzfähig sein. Dass der Bundestagsausschuss dann empfahl, das Wort “einschließlich” durch ein “und” zu ersetzen, hatte ersichtlich nur sprachliche Gründe (BTDrucks 9/976 S. 13). Auch später sprach der Gesetzgeber weiterhin davon, dass die Kosten der Ausbildungsstätten die Kosten der Ausbildungsvergütungen “einschließen” (BTDrucks 10/691 S. 30; vgl. auch Dietz/Bofinger, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Kommentar, Anm. 3 zu § 17a KHG).
2. Die von der Klägerin beanspruchten Kosten der Praxisanleitung sind auch nicht vollständig als Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen pauschalierend erfasst.
Wie gezeigt, sind die Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen gemäß § 17a Abs. 1 Satz 1 und 2 KHG pauschaliert zu finanzieren. Bei der Ermittlung dieser Mehrkosten sind Personen, die in der Krankenpflege oder Kinderkrankenpflege ausgebildet werden, im Verhältnis 9,5 zu 1 auf die Stelle einer in diesen Berufen voll ausgebildeten Person anzurechnen.
a) Die Klägerin meint, die von ihr beanspruchten Kosten der Praxisanleitung könnten schon begrifflich nicht unter Mehrkosten für Ausbildungsvergütungen gefasst werden. Dem kann nicht gefolgt werden.
Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen sind anderweit nicht gedeckte Kosten der Ausbildungsvergütungen. Kosten der Ausbildungsvergütungen aber sind Aufwendungen für Vergütungen, die das Krankenhaus als Träger der Ausbildung den Auszubildenden zahlt (§ 9 Abs. 2 Nr. 6, § 12 KrPflG). Von diesen Kosten sind diejenigen Aufwendungen abzuziehen, die das Krankenhaus erspart, weil es infolge der Tätigkeit der Auszubildenden im Rahmen der praktischen Ausbildung im Krankenhaus weniger voll ausgebildete Pflegekräfte beschäftigen muss. § 17a Abs. 1 Satz 2 und 3 KHG legt hierfür einen Anrechnungsschlüssel fest. Die verbleibenden Kosten sind Mehrkosten der Ausbildungsvergütungen.
Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten betreffen Aufwendungen für ihr ausbildendes Pflegepersonal. Sie stellen mithin keine Kosten der Ausbildungsvergütungen dar. Der Klägerin ist zuzugeben, dass sie auch nicht Aufwendungen für voll ausgebildete Pflegekräfte betreffen, die das Krankenhaus infolge der pflegerischen Tätigkeit der Auszubildenden erspart. Es handelt sich vielmehr gerade umgekehrt um Aufwendungen für voll ausgebildete Pflegekräfte, die dem Krankenhaus infolge der pflegerischen Tätigkeit der Auszubildenden zusätzlich entstehen. Das schließt indes nicht aus, dass der Anrechnungsschlüssel auch derartige zusätzliche Lasten schon berücksichtigt. Der Anrechnungsschlüssel stellt dann einen Saldo von Ersparnis und Zusatzlast bei den voll ausgebildeten Pflegekräften infolge der praktischen Tätigkeit der Auszubildenden im Krankenhaus dar.
b) Der Anrechnungsschlüssel in § 17a Abs. 1 Satz 2 KHG wurde durch Art. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege und zur Änderung anderer Gesetze vom 16. Juli 2003 (BGBl I S. 1442) von zuvor 7 zu 1 auf 9,5 zu 1 verändert. Nach Auffassung des Berufungsgerichts zeigt die Gesetzgebungsgeschichte, dass damit die Aufwendungen für die Fortbildung und den Einsatz von Praxisanleitern vollständig erfasst werden sollten, was ihrer zusätzlichen gesonderten Geltendmachung entgegenstehe. Das lässt sich nicht aufrechterhalten.
Richtig ist, dass die Änderung des Anrechnungsschlüssels nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung die Mehrkosten kompensieren sollte, die den Krankenhäusern aufgrund der Regelungen zur Praxisanleitung und zur Durchführung der praktischen Ausbildung in Einrichtungen außerhalb des Krankenhauses bei gleichzeitiger Weiterzahlung der Ausbildungsvergütung entstehen (BTDrucks 15/13 S. 20, 26). Es lässt sich jedoch nicht feststellen, dass die Motivation der den Gesetzesbeschluss tragenden Parlamentsmehrheit mit derjenigen der Bundesregierung übereinstimmte. Die Ausschussprotokolle (Wortprotokoll des BT-Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung vom 2. April 2003, S. 15) und der Ausschussbericht (BTDrucks 15/804 S. 19, 39) belegen, dass im Parlament Zweifel an der Kostenschätzung der Bundesregierung bestanden; pflegesatzrechtlich entscheidend seien jedenfalls die tatsächlichen Kosten. Dies sollte durch den neuen § 17a Abs. 3 Satz 4 KHG unterstrichen werden. Die auch nach dem Inkrafttreten des Gesetzes andauernden Auseinandersetzungen um die Reichweite des veränderten Anrechnungsschlüssels haben das Bundesgesundheitsministerium veranlasst, in zwei Schreiben an die Deutsche Krankenhausgesellschaft und die Krankenkassen zu erläutern, dass die zusätzlichen Kosten der Praxisanleitung in die Veränderung des Anrechnungsschlüssels nicht eingeflossen seien (Schreiben des Staatssekretärs vom 1. Dezember 2006; Schreiben des zuständigen Referatsleiters vom 7. August 2007). Schließlich hat die Bundesregierung das hier angefochtene Berufungsurteil zum Anlass für eine Gesetzesinitiative genommen, mit der die Reichweite von § 17a Abs. 1 KHG dahin “klargestellt” werden soll, dass “die Mehrkosten des Krankenhauses in Folge der Ausbildung, insbesondere die Mehrkosten der Praxisanleitung in Folge des Krankenpflegegesetzes” zu vergüten seien (BRDrucks 696/08 S. 2 f., 40 f.).
c) Hilft der Verweis auf die Gesetzesmaterialien hiernach nicht weiter, so kommt der Gesetzessystematik und Sinn und Zweck der Regelung ausschlaggebende Bedeutung zu. Dies führt dazu, dass die Veränderung des Anrechnungsschlüssels die herkömmliche Lasten- und Kostenzuordnung fortschreibt; neuartige Lasten, die das Krankenhaus im Gefolge des neuen Krankenpflegegesetzes treffen, erfasst sie hingegen nicht.
Wie gezeigt, stellt die Finanzierung der “Mehrkosten für Ausbildungsvergütungen” einen Ausschnitt aus der Finanzierung der Ausbildungskosten des Krankenhauses dar. Zweck dieses Ausschnitts ist, hinsichtlich eines abgrenzbaren Teils der Ausbildungskosten eine bestimmte Kostenposition pauschalierend zu bestimmen, während die Ausbildungskosten im Übrigen konkret zu ermitteln sind. Es ist nicht zwingend, die hier in Rede stehenden Kosten der Praxisanleitung entweder – mit den Beigeladenen – vollständig dem pauschalierten Teil zuzuordnen oder – mit der Klägerin – zur Gänze aus ihr herauszunehmen. Vielmehr ist danach zu unterscheiden, welche Kostenfaktoren dem schon bislang pauschalierten Teil der Ausbildungskosten zuzuordnen sind und welche sich dieser Pauschalierung entziehen; letztere sind konkret zu ermitteln und zusätzlich zu finanzieren. Das deckt sich auch mit dem widersprüchlichen Befund zur Gesetzgebungsgeschichte. Wie gezeigt, wollte der Regierungsentwurf die Mehrkosten der aufgewerteten Praxisanleitung insgesamt pauschalierend erfassen. Demgegenüber wurde im Parlament betont, dass bestimmte Mehrkosten neuartig seien; für diese wurde auf § 17a Abs. 3 Satz 4 KHG hingewiesen, demzufolge die zusätzlichen Kosten infolge des neuen Krankenpflegegesetzes bei der Vereinbarung des Ausbildungsbudgets zu berücksichtigen sind.
Der pauschalierenden Bestimmung unterwirft das Gesetz die Auswirkungen der praktischen Tätigkeit von Auszubildenden auf der Station auf den Einsatz von voll ausgebildeten Pflegekräften. Diese Auswirkung stellt einen Saldo aus Mehr- und Minderlast dar: Die Tätigkeit der Auszubildenden erspart nicht nur Pflegekräfte, sondern beansprucht die gleichwohl auf der Station tätigen Pflegekräfte auch zusätzlich. Die Auszubildenden müssen beaufsichtigt und angeleitet werden. Diese “Praxisanleitung” als solche ist durchaus nicht neu. Dementsprechend zählt die Anleitung von Auszubildenden auf der Station herkömmlich zu den Tätigkeitsfeldern der voll ausgebildeten Pflegekräfte. Der ursprüngliche Anrechnungsschlüssel von 7 zu 1 stellte deshalb in Rechnung, “dass bei der praktischen Ausbildung ausreichend Zeit für Zwecke der Unterweisung und Anleitung der Auszubildenden vorhanden sein muss” (Entwurfsbegründung zu § 15 BPflV a.F., BRDrucks 461/89 S. 8), und die Festlegung des Pflege-Grundwerts durch § 6 Abs. 1 der Pflege-Personalregelung (erlassen als Art. 13 des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21. Dezember 1992, BGBl I S. 2266) ging ebenso davon aus, dass der Aufgabenteilaspekt “Anleitung der Auszubildenden” mit dem Anrechnungsschlüssel abgegolten sei (BTDrucks 12/3608 S. 150).
Neu ist freilich, dass die Praxisanleiter sich einer besonderen pädagogischen Zusatzqualifikation im Umfang von 200 Stunden unterziehen müssen. Zwar enthielten Richtlinien der Deutschen Krankenhausgesellschaft auch bislang schon die Empfehlung, dass Mentoren sich einer berufspädagogischen Weiterbildung im Umfang von wenigstens 300 Stunden unterziehen sollten (DKG-Positionspapier zu Einsatz, Qualifikation und Personalbedarfsermittlung von Mentoren für die Ausbildung in Krankenpflegeberufen vom 18. September 1992). Weil es sich aber um eine bloße unverbindliche Empfehlung handelte, waren die durch eine derartige Weiterbildung verursachten Kosten im bisherigen Regelwerk nicht erfasst. Das änderte sich mit dem Krankenpflegegesetz vom 16. Juli 2003. Die Zusatzqualifikation der als Praxisanleiter eingesetzten Pflegekräfte ist seither verbindlich. Der Aufwand hierfür entzieht sich aber der pauschalierten Erfassung im Anrechnungsschlüssel nach § 17a Abs. 1 Satz 2 KHG. Dieser Aufwand betrifft nicht den infolge der praktischen Tätigkeit der Auszubildenden veränderten Einsatz ausgebildeten Pflegepersonals auf der Station. Es handelt sich nicht um einen kontinuierlichen Personalaufwand, sondern um personenbezogene und insofern einmalige Aufwendungen für die Personalqualifikation. Insofern geht dieser Aufwand über den bisherigen Kostenrahmen hinaus, und zwar nicht nur im Sinne einer quantitativen Steigerung, sondern im Sinne einer qualitativen Andersartigkeit; er entzieht sich damit weitgehend einer pauschalierenden Erfassung.
Von den beiden von der Klägerin beanspruchten zusätzlichen Kostenpositionen ist nach alldem nur die eine begründet, welche die Kosten für die Weiterbildung der als Praxisanleiter eingesetzten Pflegekräfte betrifft, nicht hingegen die andere für zusätzlich erforderlichen Personaleinsatz auf der Station. Das eine sind einmalig anfallende Sonderkosten, die sich der Pauschalierung entziehen, das andere hingegen kontinuierliche Personalkosten, die der Pauschalierung zugänglich und deshalb von § 17a Abs. 1 Satz 2 KHG erfasst sind. Weil der Beschluss der Schiedsstelle der Klägerin aber beide Positionen absprach, hätte der Beklagte ihn nicht genehmigen dürfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Kley, Dr. Dette, Liebler, Prof. Dr. Rennert, Buchheister
Fundstellen
DÖV 2009, 377 |
MedR 2009, 279 |
NZS 2009, 273 |
DVBl. 2009, 465 |
GesR 2009, 162 |
PflR 2009, 203 |