Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundeigener Bodenschatz. Gewinnungsberechtigung. Grundeigentum. Zulegung. gebundene Entscheidung. Enteignung. Eigentumsgarantie. Gemeinde. Allgemeinwohl. Abwägung. öffentliche Belange. Natur- und Landschaftsschutz. Umweltverträglichkeitsprüfung. Versorgung des Marktes mit Rohstoffen. Erhaltung von Arbeitsplätzen. getätigte Investitionen. Rohstoffsicherungsklausel. Rahmenbetriebsplan. Zulassung. Bindungswirkung
Leitsatz (amtlich)
Die Zulegung nach § 35 BBergG ist eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG.
Gründe des Allgemeinwohls erfordern im Sinne des § 35 Nr. 3 BBergG einen grenzüberschreitenden Abbau nicht, wenn das Vorhaben zwar der Vorsorgung des Marktes mit Rohstoffen dient, ihm aber überwiegende öffentliche Belange anderer Art entgegenstehen.
Bezieht sich die Zulegung auf ein Grundstück im Eigentum einer Gemeinde, kann auch die Gemeinde die gerichtliche Überprüfung verlangen, ob dem Vorhaben überwiegende öffentliche Belange entgegenstehen.
Die “Rohstoffsicherungsklausel” des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG begründet bei der Entscheidung über eine Zulegung keinen grundsätzlichen Vorrang des öffentlichen Interesses an einem grenzüberschreitenden Abbau vor entgegenstehenden privaten oder anderen öffentlichen Interessen.
Normenkette
GG Art. 14 Abs. 3; BBergG §§ 35, 48 Abs. 1 S. 1, Abs. 2, § 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 79 Abs. 1
Verfahrensgang
OVG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 29.08.2007; Aktenzeichen 1 A 10211/07) |
VG Trier (Entscheidung vom 10.01.2007; Aktenzeichen 5 K 770/06.TR) |
Tenor
Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. August 2007 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die Stadt Gerolstein, wendet sich gegen eine bergrechtliche Zulegung, die das seinerzeit zuständige Oberbergamt für das Saarland und das Land Rheinland-Pfalz zu Gunsten der beigeladenen Bettendorf Lava-Steinwerk-GmbH angeordnet hat. Mit der Zulegung wird das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau eines Bodenschatzes verliehen.
Die Beigeladene betreibt seit 1977 in Gerolstein einen Tagebau. Sie gewinnt dort Lavasand, einen grundeigenen Bodenschatz im Sinne des § 3 Abs. 4 BBergG. Grundlage des Tagebaus waren jeweils befristet zugelassene Hauptbetriebspläne. Die Beigeladene reichte im Mai 1996 einen Rahmenbetriebsplan ein. Er sah die Fortsetzung des Tagebaus auf einer Fläche vor, die aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes gegenüber der Darstellung des Abbaufeldes im Hauptbetriebsplan zurückgenommen war. Wie der ursprüngliche Hauptbetriebsplan umfasst auch der Rahmenbetriebsplan drei Grundstücke, die im Eigentum der Klägerin stehen.
Das Bergamt ließ den Rahmenbetriebsplan zu. Den Widerspruch der Klägerin wies das Oberbergamt durch Bescheid vom 13. Juli 1998 zurück. Es ergänzte die Zulassung um eine Nebenbestimmung, nach der sie erst wirksam wird, wenn die Gewinnungsberechtigung für die gesamte Abbaufläche nachgewiesen ist. Klage erhob die Klägerin nicht.
Die Beigeladene bemühte sich in der Folgezeit vergeblich, die Grundstücke der Klägerin innerhalb des Rahmenbetriebsplans zu erwerben oder zu pachten. Sie beantragte im April 2001 beim Oberbergamt die Zulegung bezogen auf eines der Grundstücke sowie auf eine Teilfläche aus einem weiteren Grundstück: Der Abbau könne nur nach Osten über die Grundstücke der Klägerin fortgeführt werden. Aus bergtechnischen Gründen könnten diese Grundstücke innerhalb der Grenzen des Rahmenbetriebsplans nicht auf einem ihrer – der Beigeladenen – Grundstücke umfahren werden. Aus bergwirtschaftlichen Gründen sei es nicht vertretbar, an anderer Stelle innerhalb der Lagerstätte einen Tagebau aufzuschließen.
Das Oberbergamt erteilte der Beigeladenen durch Beschluss vom 21. Juli 2006 im Wege der Zulegung das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau von Lavasand bezogen auf die beiden Grundstücke der Klägerin. Es befristete dieses Recht auf 25 Jahre.
Während des Zulegungsverfahrens wurde das Gebiet, in dem der Tagebau liegt, als Gebiet von gemeinschaftlicher Bedeutung nach der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie der Europäischen Kommission gemeldet und durch § 25 Abs. 2 Landesnaturschutzgesetz (LNatSchG) unter Schutz gestellt (Anlage 1 zu § 25 Abs. 2 LNatSchG unter der Bezeichnung 5706 – 303 “Gerolsteiner Kalkeifel”). Die Beigeladene reichte eine Verträglichkeitsstudie ein. Diese kam zu dem Ergebnis, die Erweiterung des Tagebaus in den Grenzen des Rahmenbetriebsplans werde sich voraussichtlich nicht nachteilig auf die Erhaltungsziele für das Gebiet auswirken.
Die Klägerin hat gegen die Zulegung Klage erhoben und beantragt, den Beschluss des Oberbergamts vom 21. Juli 2006 aufzuheben: Weder bergwirtschaftliche noch bergtechnische Gründe geböten einen grenzüberschreitenden Abbau. Ebenso wenig erforderten ihn Gründe des Wohls der Allgemeinheit. Der weitere Abbau des Lavasandes sei weder zur Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen noch aus anderen gesamtwirtschaftlichen Gründen erforderlich. Dem Abbau stünden vielmehr überwiegende Gründe des Naturschutzes und der Landschaftspflege entgegen.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung der Klägerin durch das angefochtene Urteil zurückgewiesen: Die Zulegung sei nicht deshalb rechtswidrig, weil das Oberbergamt ein ihm eingeräumtes Ermessen nicht ausgeübt habe. Die Zulegung sei eine gebundene Entscheidung. Die Voraussetzungen für eine Zulegung lägen vor. Der grenzüberschreitende Abbau sei aus bergwirtschaftlichen oder bergtechnischen Gründen geboten (§ 35 Nr. 2 BBergG). Der Tagebau könne nur dann weiter betrieben werden, wenn hierfür die Grundstücke der Klägerin in Anspruch genommen würden. Der grenzüberschreitende Abbau sei durch ein gewichtiges Allgemeinwohlinteresse im Sinne des § 35 Nr. 3 BBergG gerechtfertigt. Er diene der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen. Hierfür reiche aus, dass für den Lavasand im Bundesgebiet ein Markt vorhanden sei und er tatsächlich abgesetzt werden könne. Wegen der schon getätigten Investitionen widerspreche es gesamtwirtschaftlichen Interessen, wenn der Abbau abgebrochen werde. Ferner sei der Gewinnung von Bodenschätzen auf Grund der Rohstoffsicherungsklausel (§ 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG) grundsätzlich der Vorrang einzuräumen. Demgegenüber habe die Klägerin weder ein eigenes wirtschaftliches noch ein sonstiges berechtigtes Interesse an der Gewinnung des Lavasandes geltend gemacht. Darüber hinaus verlange § 35 Nr. 3 BBergG keine umfassende Abwägung aller für und gegen die Zulegung sprechenden Gründe des Allgemeinwohls. Die Vorschrift räume der Klägerin insbesondere nicht die Befugnis ein, die Zulegung auf ihre Vereinbarkeit mit Bestimmungen des Natur- und Umweltschutzrechts überprüfen zu lassen. Ein privater Grundstückseigentümer könne eine derartige umfassende Abwägung gestützt auf sein Grundrecht aus Art. 14 GG verlangen. Eine Gemeinde sei nicht Trägerin dieses Grundrechts. Davon abgesehen enthalte die bestandskräftige Zulassung des Rahmenbetriebsplans die Feststellung, dass die beabsichtigte Gewinnung des Lavasandes nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen zu beschränken oder zu untersagen sei (§ 48 Abs. 2 BBergG). An diese Feststellung sei auch die Klägerin gebunden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Revision der Klägerin, mit der sie ihren Antrag weiterverfolgt, den Zulegungsbeschluss des Oberbergamts aufzuheben: Gründe des Allgemeinwohls erforderten den grenzüberschreitenden Abbau erst dann, wenn ohne ihn eine Unterversorgung des Marktes bestünde. Lavasand sei im Umland jedoch hinlänglich vorhanden. Die bereits getätigten Investitionen begründeten ausschließlich ein privates Interesse des Unternehmers an der Fortsetzung des Abbaus. Die Rohstoffsicherungsklausel könne im Rahmen des § 35 Nr. 3 BBergG nicht als Gewichtungsregelung herangezogen werden. Die Zulegung könne nicht mit dem Interesse an der Sicherung von Arbeitsplätzen begründet werden. Es fehlten konkrete Feststellungen dazu, dass der Verzicht auf den grenzüberschreitenden Abbau eine größere Arbeitslosigkeit in der Region nach sich ziehen könnte. Jedenfalls überwögen die Belange des Gemeinwohls, die gegen einen grenzüberschreitenden Abbau sprächen. Eine solche Abwägung sei unabhängig davon erforderlich, ob von der Zulegung ein Privater oder eine Gemeinde betroffen sei. § 35 Nr. 3 BBergG differenziere insoweit nicht. Ein Rückgriff auf Art. 14 GG sei nicht erforderlich. Die Zulegung ermögliche ein Abbauvorhaben, das mit Belangen des Naturschutzes und der Landschaftspflege unvereinbar sei. Die Beeinträchtigung des Schutzgebiets “Gerolsteiner Kalkeifel” könne nicht mit der Verträglichkeitsstudie gerechtfertigt werden, die die Beigeladene vorgelegt habe. Dem Abbau stünden öffentliche Interessen auch deshalb entgegen, weil die erforderliche Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht durchgeführt worden sei. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans könne ihr – der Klägerin – nicht entgegengehalten werden. Sie sei nicht wirksam geworden. Sie stehe unter einer aufschiebenden Bedingung, die nicht eingetreten sei. Im Übrigen habe sie bei Zulassung des Rahmenbetriebsplans auf der Grundlage der damaligen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Veranlassung und keine Berechtigung gehabt, mit Blick auf eine möglicherweise später anstehende Zulegung bereits gegen die Zulassung des Rahmenbetriebsplans zu klagen. Der Zulegungsbeschluss sei unverhältnismäßig. Er erlaube einen grenzüberschreitenden Abbau in einem zeitlichen und räumlichen Umfang, der über das zur Fortsetzung des Tagebaues Erforderliche hinausgehe. Die Zulegung sei rechtswidrig, weil das Oberbergamt keine Ermessenserwägungen angestellt habe.
Der Beklagte tritt der Revision entgegen: Die Zulegung sei eine gebundene Entscheidung. Der grenzüberschreitende Abbau werde durch Gründe des Allgemeinwohls erfordert. Strenge Anforderungen an die Qualität des Rohstoffs und an seine Bedeutung für die Versorgung des Marktes dürften nicht gestellt werden. Dem Vorhaben der Klägerin stünden keine öffentlichen Belange entgegen. Eine Prüfung der Umweltverträglichkeit sei nicht erforderlich gewesen. Das Vorhaben der Beigeladenen sei bereits vor Inkrafttreten der Vorschriften über die Umweltverträglichkeitsprüfung im Bergbau begonnen worden. Der gebotene Schutz des Gebietes “Gerolsteiner Kalkeifel” sei gewahrt, wie sich aus der nachgereichten Untersuchung der Beigeladenen ergebe. Der gegenteilige Vortrag der Klägerin sei völlig unsubstantiiert. § 35 Nr. 3 BBergG fordere keine umfassende Abwägung. Als Gemeinde könne die Klägerin aus ihrem Grundeigentum keinen Anspruch auf eine vollständige Prüfung umweltrechtlicher Normen verlangen. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans enthalte zudem die bestandskräftige und deshalb bindende Feststellung, dass die beabsichtigte Gewinnung nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen zu beschränken oder zu untersagen sei.
Die Beigeladene beantragt, die Revision zurückzuweisen: Die Klägerin könne beide Grundstücke wirtschaftlich nicht nutzen. Es handele sich um Unland; die Klägerin betreibe selbst keinen Abbau. Eine Umfahrung der zugelegten Grundstücke sei unter Berücksichtigung der bergtechnisch einzuhaltenden Böschungswinkel und des Abstands zur schützenswerten Felskulisse nicht möglich. Bereits aus Gründen einer möglichst vollständigen Ausbeutung der Lagerstätte sowie aus bergtechnischen und bergwirtschaftlichen Gesichtspunkten sei das Allgemeinwohlerfordernis erfüllt. Die aus der Sicht des Naturschutzes wertvollen Flächen seien geschützt. Die Beigeladene habe dort mit ihrem Rahmenbetriebsplan auf einen Abbau verzichtet, obwohl ein noch heute gültiger Betriebsplan den Abbau auf diesen Flächen zulasse. Darüber hinaus habe sie eine Verträglichkeitsprüfung vorgelegt. Die obere Naturschutzbehörde habe auf dieser Grundlage bestätigt, dass der Abbau mit dem festgesetzten Schutzgebiet vereinbar sei. Einer Prüfung der Umweltverträglichkeit habe es nicht bedurft, weil das Vorhaben spätestens 1977 begonnen worden sei. Die Klägerin könne sich weder auf eine Rechtsposition aus Art. 14 GG noch aus Art. 28 GG berufen. Sie wolle sich ausschließlich zum Kontrolleur der Landesverwaltung aufschwingen. Das stehe ihr als Gemeinde nicht zu.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO). Das Oberverwaltungsgericht hat unter Verstoß gegen § 35 Nr. 3 BBergG angenommen, dass die Voraussetzungen einer Zulegung nach dieser Vorschrift vorliegen. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Ob die Voraussetzungen einer Zulegung bei zutreffender Auslegung des § 35 Nr. 3 BBergG gegeben sind, erfordert weitere tatsächliche Feststellungen. Hierfür ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO).
1. Ermächtigungsgrundlage für die Zulegung ist § 35 BBergG. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde auf Antrag dem Inhaber einer Gewinnungsberechtigung durch Zulegung das Recht erteilen, den Abbau eines Bodenschatzes aus dem Feld seiner Gewinnungsberechtigung (Hauptfeld) in das Feld einer benachbarten fremden Gewinnungsberechtigung, die sich auf den gleichen Bodenschatz bezieht, fortzuführen (grenzüberschreitender Abbau), wenn unter anderem (Nr. 3.) Gründe des Allgemeinwohls, insbesondere die Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen oder andere gesamtwirtschaftliche Gründe, einen grenzüberschreitenden Abbau erfordern.
a) Das Oberverwaltungsgericht hat die Gründe des Allgemeinwohls in § 35 Nr. 3 BBergG auf die dort aufgeführten Gründe beschränkt, die für das Vorhaben streiten; mögliche entgegenstehende Gründe des Allgemeinwohls hat es einer davon getrennten Prüfung der Voraussetzungen des Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG zugewiesen, die die Klägerin nicht verlangen könne, weil sie nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 GG sei. Diese Auffassung ist mit § 35 Nr. 3 BBergG nicht vereinbar.
Die Zulegung ist eine Enteignung im Sinne des Art. 14 Abs. 3 GG (aa). § 35 Nr. 3 BBergG konkretisiert die verfassungsrechtlichen Vorgaben an eine Enteignung und setzt sie in einfachrechtliche Anforderungen an die Zulegung um. Die Gründe des Allgemeinwohls in § 35 Nr. 3 BBergG stimmen inhaltlich mit dem Wohl der Allgemeinheit in Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG überein. Ob Gründe des Allgemeinwohls im Sinne des § 35 Nr. 3 BBergG einen grenzüberschreitenden Abbau erfordern, ist wie bei jeder Enteignung, etwa der Grundabtretung nach § 79 Abs. 1 BBergG, auf der Grundlage einer umfassenden Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange festzustellen (bb). Die Notwendigkeit einer Abwägung aller betroffenen öffentlichen und privaten Belange ergibt sich damit unmittelbar schon aus § 35 Nr. 3 BBergG selbst und dem dort verwandten Begriff der Gründe des Allgemeinwohls, die den grenzüberschreitenden Abbau erfordern müssen. Sie folgt nicht erst und ausschließlich aus Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG. Er muss mit seinen Anforderungen an eine rechtmäßige Enteignung nicht herangezogen werden, um einen anderenfalls defizitären § 35 Nr. 3 BBergG zu ergänzen. Die danach schon durch § 35 Nr. 3 BBergG gebotene umfassende Abwägung der für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange kann auch eine Gemeinde als Eigentümerin eines Grundstücks verlangen, das von der Zulegung betroffen ist (cc).
aa) Eine Enteignung ist dadurch gekennzeichnet, dass der Staat eine konkrete durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Rechtsposition dem Inhaber vollständig oder teilweise entzieht, um dadurch ein konkretes dem Allgemeinwohl dienendes Vorhaben zu ermöglichen (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 22. Mai 2001 – 1 BvR 1512, 1677/97 – BVerfGE 104, 1 ≪9 f.≫).
Soweit das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau sich auf grundeigene Bodenschätze bezieht, verändert die Zulegung zwar nicht die Eigentumsverhältnisse an dem Grundstück selbst. Ebenso wenig wird die mit dem Grundeigentum verbundene Berechtigung zur Gewinnung und Aneignung des Bodenschatzes vom Grundeigentum abgespalten und dem begünstigten Inhaber der benachbarten Abbauberechtigung übertragen. Ihm wird nur die Ausübung der Gewinnungsberechtigung für das benachbarte Grundstück übertragen (vgl. Boldt/Weller, BBergG, Kommentar, 1984, § 38 Rn. 1).
Damit erfüllt die Zulegung aber ebenfalls die Begriffsmerkmale der Enteignung. Deren Voraussetzungen sind auch erfüllt, wenn dem Inhaber eines mit dem Grundeigentum verbundenen Rechts zwangsweise dessen Ausübung entzogen und einem anderen übertragen wird, um dadurch ein dem Allgemeinwohl dienendes Vorhaben zu ermöglichen. Der Begünstigte erhält damit das Recht, sich einen Bodenschatz (vollständig) anzueignen, der im Eigentum des Grundstückseigentümers steht.
bb) Mit § 35 Nr. 3 BBergG hat der Gesetzgeber konkretisiert, welche Gründe des Allgemeinwohls einen grenzüberschreitenden Abbau und damit eine Enteignung rechtfertigen können. Es sind dies insbesondere die Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen oder andere gesamtwirtschaftliche Gründe.
Der Gesetzgeber hat damit allgemein die Sicherung der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen aus inländisch zu gewinnenden Bodenschätzen unter sinnvollem und planmäßigem Abbau der Lagerstätte als einen Allgemeinwohlbelang bestimmt, der die Enteignung rechtfertigt. Zweck des Bundesberggesetzes ist es, zur Sicherung der Rohstoffversorgung das Aufsuchen, Gewinnen und Aufbereiten von Bodenschätzen unter Berücksichtigung ihrer Standortgebundenheit und des Schutzes der Lagerstätte zu ordnen und zu fördern. Von einer gesicherten Versorgung mit Rohstoffen hängt in einer Industriegesellschaft in hohem Maße die Funktionsfähigkeit und Stabilität der Volkswirtschaft und damit die Existenzgrundlage aller ab. Das begrenzte Vorkommen heimischer Rohstoffe gebietet einen sorgsamen Umgang mit Bodenschätzen (Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 5.90 – BVerwGE 87, 241 ≪250≫ = Buchholz 406.27 § 77 BBergG Nr. 1).
Damit ist aber zunächst nur gesagt, welche Zwecke generell dem Allgemeinwohl dienen und damit eine Enteignung rechtfertigen können. Jedoch ist nicht kraft Gesetzes festgestellt, dass jede von einem Unternehmen beabsichtigte Gewinnung von Bodenschätzen dem Allgemeinwohl dient. Ob dies konkret der Fall ist, bedarf vielmehr der Prüfung und Entscheidung im Einzelfall. Der Abbau von Bodenschätzen hat nicht stets Vorrang vor anderen öffentlichen Interessen und vor dem Eigentum Dritter. Die Enteignung ist im Einzelfall nur aufgrund einer Gesamtabwägung zulässig. Im Rahmen dieser Abwägung ist zunächst zu prüfen, ob das öffentliche Interesse an der Gewinnung gerade des bestimmten Bodenschatzes zur Versorgung des Marktes mit Rohstoffen so gewichtig ist, dass es den Zugriff auf privates Eigentum erfordert. Zu prüfen ist ferner, ob andere, gewichtigere Allgemeinwohlinteressen, beispielsweise solche des Natur- und Landschaftsschutzes, der Gewinnung des Bodenschatzes an dieser Stelle entgegenstehen. Ein Vorhaben, das zwar dem gesetzlich bestimmten Enteignungszweck dient, dem aber überwiegende öffentliche Belange anderer Art entgegenstehen, dient nicht dem Allgemeinwohl (Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 5.90 – a.a.O. ≪252≫; Urteil vom 24. Oktober 2002 – BVerwG 4 C 7.01 – BVerwGE 117, 138 ≪139≫ = Buchholz 11 Art. 14 GG Nr. 342).
cc) Eine Entscheidung, die diese öffentlichen Belange einbezieht, kann auch der Private verlangen, dessen Eigentum für das Vorhaben in Anspruch genommen werden soll (Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 5.90 – a.a.O. ≪252≫). § 35 Nr. 3 BBergG differenziert dabei nicht danach, ob die Zulegung ein Grundstück betrifft, das im Eigentum eines Privaten oder eines Trägers öffentlicher Verwaltung, namentlich einer Gemeinde, steht.
Die Gemeinde ist zwar nicht Trägerin des Grundrechts aus Art. 14 GG (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 8. Juli 1982 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82 ≪100 ff.≫). Sie genießt aber den einfachrechtlichen Eigentumsschutz und damit auch den Schutz gegen eine Enteignung, die nicht aus Gründen des Allgemeinwohls erforderlich ist (Urteil vom 29. Januar 1991 – BVerwG 4 C 51.89 – BVerwGE 87, 332, ≪391 f.≫ Buchholz 11 Art. 87d GG Nr. 3; Urteil vom 27. März 1992 – BVerwG 7 C 18.91 – BVerwGE 90, 96 ≪101 f.≫ Buchholz 451.22 AbfG Nr. 48). § 35 Nr. 3 BBergG konkretisiert einfachrechtlich die Anforderungen, die Art. 14 Abs. 3 Satz 1 GG an eine Enteignung stellt. Er konkretisiert damit zugleich den Schutz, den der Eigentümer auf der Ebene des einfachen Rechts gegen eine Entziehung seiner geschützten Rechtsposition genießt.
Verlangt § 35 Nr. 3 BBergG als (auch einfachrechtliche) Voraussetzung einer Zulegung Gründe des Allgemeinwohls, die ihrerseits eine Abwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange voraussetzen, kann die Gemeinde diese Abwägung in vollem Umfang überprüft verlangen. Die Wahrung aller öffentlichen Belange ist Voraussetzung dafür, dass die Klägerin unmittelbar eigentumsentziehend in Anspruch genommen werden darf. Unerheblich ist, dass sie dabei auch die Missachtung solcher öffentlichen Belange rügen kann, die an sich nicht ihren Interessen zu dienen bestimmt sind. Ihren Interessen zu dienen bestimmt ist § 35 Nr. 3 BBergG im vollen Umfang seiner Voraussetzungen. Sie sollen in ihrer Gesamtheit den Inhaber einer Gewinnungsberechtigung dagegen schützen, dass ihm ein Recht entzogen wird, ohne dass dies durch hinreichend gewichtige öffentliche Interessen gerechtfertigt ist.
Das Oberverwaltungsgericht kann sich für seine gegenteilige Auffassung nicht auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts stützen, die es in diesem Zusammenhang anführt (Urteil vom 11. Januar 2001 – BVerwG 4 A 12.99 – NVwZ 2001, 1160 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 161; Urteil vom 21. März 1996 – BVerwG 4 C 26.94 – BVerwGE 100, 388 = Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 114). Nach diesen Entscheidungen kann eine Gemeinde als Eigentümerin eines planbetroffenen Grundstücks eine Planfeststellung mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung nicht mit der Begründung anfechten, öffentliche, sie nicht in ihrer Planungshoheit schützende Belange, wie solche des Umweltschutzes, seien nicht oder nicht mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Abwägung eingestellt worden. Eine solche umfassende Prüfungsbefugnis billigt das Bundesverwaltungsgericht (nur) dem privaten Eigentümer zu, der durch eine Planfeststellung mit enteignungsrechtlicher Vorwirkung betroffen ist. Diese Entscheidungen betreffen die Anfechtungsklage eines Drittbetroffenen gegen eine Planungsentscheidung und seine Klagebefugnis. Das Bundesverwaltungsgericht hat Drittbetroffenen, denen gegenüber der Planfeststellungsbeschluss enteignungsrechtliche Vorwirkung entfaltet, unmittelbar aus dem Grundrecht des Art. 14 Abs. 3 GG eine weiterreichende Klagebefugnis zugesprochen, als sie Drittbetroffene im Allgemeinen aus einfachrechtlichen drittschützenden Vorschriften herleiten können. Diese weiterreichende Klagebefugnis hat das Bundesverwaltungsgericht drittbetroffenen Gemeinden versagt, weil sie sich nicht unmittelbar auf die verfassungsrechtliche Gewährleistung des Eigentums berufen können.
Die Klägerin klagt hingegen nicht als Drittbetroffene gegen eine verwaltungsbehördliche Entscheidung. Sie ist Adressatin eines Verwaltungsakts, dessen belastende Regelung sie unmittelbar trifft. Die Regelung des Zulegungsbeschlusses ist unmittelbar darauf gerichtet, der Klägerin eine ihr zukommende Rechtsposition zu entziehen. Ihre Klagebefugnis bedarf keiner besonderen Begründung, insbesondere keines Rückgriffs auf Art. 14 Abs. 3 GG.
b) Das angefochtene Urteil beruht auf dem festgestellten Verstoß gegen § 35 Nr. 3 BBergG. Die weitere Begründung des Oberverwaltungsgerichts trägt seine Entscheidung nicht. Sie ist ebenfalls mit Bundesrecht nicht vereinbar. Dass die Klägerin die Zulassung des Rahmenbetriebsplans hat bestandskräftig werden lassen, hindert sie entgegen der Annahme des Oberverwaltungsgerichts nicht, eine Prüfung auch der gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen Belange zu verlangen.
Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans enthält allerdings ausgehend von der Vorschrift des § 48 Abs. 2 BBergG die Feststellung, dass das Vorhaben grundsätzlich zulassungsfähig ist und nicht aus überwiegenden öffentlichen Interessen untersagt oder eingeschränkt werden darf. Die positive Feststellung dieser Zulassungsfähigkeit kann auf nachfolgenden Stufen grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt werden (Urteil vom 29. Juni 2006 – BVerwG 7 C 11.05 – BVerwGE 126, 205 ≪212 f.≫ = Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 7). Gegenstand des Rahmenbetriebsplans war der ihm beigefügte landschaftspflegerische Begleitplan. Er diente dem Nachweis, dass der beabsichtigte weitere Abbau des Lavasandes mit den Belangen von Natur und Landschaft vereinbar ist. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans umfasst deshalb die Feststellung, dass dem Vorhaben keine überwiegenden öffentlichen Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes entgegenstehen.
aa) Die Zulegung nach § 35 BBergG ist aber keine Entscheidung, die der Betriebsplanung nachfolgt. Vielmehr verhält es sich grundsätzlich umgekehrt. Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 BBergG kann ein Betriebsplan nur zugelassen werden, wenn die erforderliche Berechtigung für die vorgesehene Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen nachgewiesen ist. Dies setzt bei grundeigenen Bodenschätzen voraus, dass der Unternehmer im Zeitpunkt der Zulassung des Betriebsplans entweder Eigentümer der Grundstücke ist oder aufgrund einer Vereinbarung mit dem Grundstückeigentümer die diesem zustehende Gewinnungsberechtigung ausüben darf oder durch Zulegung das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau erworben hat.
Allerdings darf nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts die Zulassung eines Rahmenbetriebsplans nicht versagt werden, wenn der Unternehmer die erforderliche Berechtigung zwar noch nicht für das gesamte Abbaufeld nachweisen kann, jedoch nicht auszuschließen ist, dass er den Nachweis zu gegebener Zeit erbringen kann. Die Zulassung des Rahmenbetriebsplans ist in diesen Fällen aber mit der einschränkenden Nebenbestimmung zu erteilen, dass die Gewinnungsberechtigung für die Zulassung des einschlägigen Hauptbetriebsplans nachzuweisen ist (Urteil vom 2. November 1995 – BVerwG 4 C 14.94 – BVerwGE 100, 1 ≪13≫ = Buchholz 406.27 § 52 BBergG Nr. 2). Dieser Vorbehalt macht deutlich, dass die Zulassung des Rahmenbetriebsplans keine vorgreifliche Bedeutung für die Frage entfalten soll und kann, ob die Voraussetzungen für einen zwangsweisen Zugriff auf eine fremde Gewinnungsberechtigung vorliegen und der Unternehmer sich auf diese Weise die ihm noch fehlende Berechtigung beschaffen kann.
Dies gilt im konkreten Fall erst recht. Das Oberbergamt hat die Zulassung des Rahmenbetriebsplans mit einer Nebenbestimmung versehen, nach der die Zulassung erst wirksam wird, wenn die Beigeladene den Nachweis der Gewinnungsberechtigung für die gesamte Abbaufläche erbracht hat. Der zugelassene Rahmenbetriebsplan misst sich mithin für das erst noch zu erteilende Recht auf grenzüberschreitenden Abbau gerade keine Bindungswirkung bei. Vielmehr hängt der Eintritt seiner Bindungswirkung gerade von der noch erforderlichen Zulegung ab. Schon deshalb hatte die Klägerin keinen Anlass, die Zulassung des Rahmenbetriebsplans mit der Begründung anzufechten, einem späteren Zugriff auf ihre Gewinnungsberechtigung stünden überwiegende öffentliche Interessen entgegen.
bb) Davon abgesehen verstieße es gegen das Gebot effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG, der Klägerin die Bindungswirkung der Zulassung entgegenzuhalten.
Die gerichtliche Prüfung kann wegen der Bestandskraft eines vorgreiflichen Bescheids auf einer nachfolgenden Stufe nur dann beschränkt werden, wenn auf der vorangegangenen Stufe gegen den vorgreiflichen Bescheid Rechtsschutz gewährleistet war. Bestand für einen Betroffenen die Möglichkeit einer Anfechtung des vorgreiflichen Bescheides nicht, muss ihm aus Gründen eines wirkungsvollen Rechtsschutzes jedenfalls im nachfolgenden Verfahren die Befugnis eingeräumt werden, alle Anfechtungsgründe unbeschränkt vorzubringen (zu einer vergleichbaren Fallgestaltung vgl. Urteil vom 24. Juni 2004 – BVerwG 7 C 21.03 – Buchholz 428 § 1 Abs. 7 VermG Nr. 14).
Die Klägerin musste bei Zulassung des Rahmenbetriebsplans davon ausgehen, dass eine hiergegen gerichtete Klage von vornherein aussichtslos war. Nach der seinerzeitigen Rechtsprechung wurde mit der Zulassung eines Betriebsplans nicht auch über die Zulässigkeit der Inanspruchnahme des Grundstücks entschieden, auf dem das Vorhaben verwirklicht werden soll. Der Eigentümer eines solchen Grundstücks konnte die Rechtmäßigkeit der bergbaulichen Maßnahmen uneingeschränkt im Enteignungsverfahren zur Überprüfung stellen: Von der Zulassung des Betriebsplans gehe insoweit keine präjudizierende Wirkung aus. Der Eigentümer werde durch diese Zulassung noch nicht in eigenen Rechten verletzt (Urteil vom 14. Dezember 1990 – BVerwG 7 C 18.90 – Buchholz 406.27 § 55 BBergG Nr. 3). Diese Rechtsprechung war zwar für das Verhältnis der Grundabtretung zur Zulassung eines Rahmenbetriebsplans entwickelt worden. Sie war aber ohne Weiteres auf das Verhältnis der Zulegung zur Zulassung eines Rahmenbetriebsplans übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat diese Rechtsprechung erst mit seinem Urteil vom 29. Juni 2006 – BVerwG 7 C 11.05 – (BVerwGE 126, 205 = Buchholz 406.27 § 48 BBergG Nr. 7) aufgegeben. Es ist mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes unvereinbar, mit Blick auf eine inzwischen geänderte Rechtsprechung dem Enteignungsbetroffenen die Bindungswirkung einer Zulassung entgegenzuhalten, die (erfolgreich) anzufechten er seinerzeit auf der Grundlage der damaligen Rechtsprechung keinen Anlass und keine Möglichkeit hatte.
cc) Im Übrigen besteht eine (eingeschränkte) Bindungswirkung der Zulassung eines Rahmenbetriebsplans im Verhältnis zu nachfolgenden Verfahren nur vorbehaltlich einer Änderung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse. Eine solche Änderung ist hier eingetreten.
Der beabsichtigte Abbau umfasst weithin Flächen, die inzwischen der Europäischen Kommission als Gebiete von gemeinschaftlicher Bedeutung gemeldet und deshalb gemäß § 25 Abs. 2 LNatSchG unter besonderen Schutz gestellt worden sind. Damit ist eine erneute Prüfung veranlasst, welche Erhaltungsziele für das Schutzgebiet maßgeblich sind und ob sie durch das Vorhaben der Beigeladenen in einer Weise beeinträchtigt werden, die die Zulassung ihres Vorhabens ausschließt. Das sehen die Beigeladene und die zuständige Bergbehörde nicht anders. Die Beigeladene hat eine Studie anfertigen lassen und eingereicht, die den Nachweis erbringen soll, dass ihr Vorhaben mit den Erhaltungszielen für das Schutzgebiet vereinbar ist.
2. Das Oberverwaltungsgericht hätte deshalb der Frage nachgehen müssen, ob dem Vorhaben der Beigeladenen aus Gründen des Natur- und Landschaftsschutzes überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen.
a) Tatsächliche Feststellungen hierzu hat das Oberverwaltungsgericht von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig nicht getroffen. Der Senat kann diese Feststellungen im Revisionsverfahren nicht nachholen. Insbesondere ist es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts, erstmals die tatrichterlich nicht geprüfte Frage zu klären, ob die Beigeladene mit der von ihr vorgelegten Verträglichkeitsstudie nachgewiesen hat, dass die Erhaltungsziele für das festgesetzte Schutzgebiet durch die Fortführung des Tagebaues nicht beeinträchtigt werden. Ebenso wenig ist es Aufgabe des Revisionsgerichts, der Frage nachzugehen, ob die Einwände der Klägerin gegen diese Verträglichkeitsstudie und den ihr vorausgehenden landschaftspflegerischen Begleitplan substantiiert sind. Was als substantiierter Einwand zu gelten hat, hängt von der Substanz der Verträglichkeitsstudie und des landschaftspflegerischen Begleitplans und damit von einer Sachverhaltswürdigung ab, die dem Tatsachengericht obliegt.
b) Die deshalb gebotene Zurückverweisung der Sache an das Oberverwaltungsgericht lässt sich nicht deshalb vermeiden, weil der Zulegungsbeschluss des Oberbergamts aus Gründen rechtswidrig ist, deren abschließende Feststellung im Revisionsverfahren möglich wäre.
aa) Unerheblich ist, ob das Oberbergamt selbst (ausreichend) geprüft und festgestellt hat, ob dem Vorhaben der Beigeladenen überwiegende öffentliche Belange entgegenstehen. “Gründe des Allgemeinwohls”, die den grenzüberschreitenden Abbau “erfordern”, sind unbestimmte Tatbestandsmerkmale. Ob sie vorliegen, hat das Gericht selbst zu prüfen und festzustellen. Mängel in der Sachverhaltsermittlung der Bergbehörde oder in der Begründung ihrer Entscheidung führen nicht zur Aufhebung des Zulegungsbeschlusses, wenn die Voraussetzungen der Zulegung tatsächlich vorgelegen haben. Eine “Zurückverweisung” an die Ausgangsbehörde nach § 113 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Frist des § 113 Abs. 3 Satz 4 VwGO verstrichen ist.
bb) Dem Abbauvorhaben stehen nicht deshalb überwiegende öffentliche Belange entgegen, weil eine förmliche Prüfung der Umweltverträglichkeit nicht stattgefunden hat.
Die förmliche Umweltverträglichkeitsprüfung ist unselbstständiger Teil verwaltungsbehördlicher Verfahren, die der Entscheidung über die Zulässigkeit von Vorhaben dienen (§ 2 Abs. 1 Satz 1 UVPG). Die Zulegung dient nicht der Entscheidung über die Zulässigkeit des Abbaus. Diese Entscheidung wird vielmehr durch die Zulassung von Betriebsplänen getroffen. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung ist dabei nur für die Zulassung bestimmter Rahmenbetriebspläne vorgeschrieben (§ 52 Abs. 2a BBergG). Die Zulegung hängt jedoch in ihrer Rechtmäßigkeit nicht von einer vorherigen ihrerseits rechtmäßigen Zulassung eines Rahmenbetriebsplans ab. Nach § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBergG ist nicht die Zulassung eines Betriebsplans Voraussetzung der Zulegung, sondern grundsätzlich umgekehrt die Gewinnungsberechtigung und damit gegebenenfalls die Zulegung Voraussetzung für die Zulassung eines Betriebsplans.
Im Übrigen bedurfte die Zulassung des Rahmenbetriebsplans keiner förmlichen Umweltverträglichkeitsprüfung. Der Rahmenbetriebsplan hat nur den gegenständlich und zeitlich begrenzten Teilabschnitt eines Gesamtvorhabens zum Gegenstand, mit dem bereits tatsächlich begonnen worden war, bevor die Frist zur Umsetzung der UVP-Richtlinie abgelaufen war. Die bloße Fortführung eines solchen Vorhabens bedarf keiner (erstmaligen) Umweltverträglichkeitsprüfung (Urteile vom 12. Juni 2002 – BVerwG 7 C 2.02 – Buchholz 406.27 § 52 BBergG Nr. 4 und – BVerwG 7 C 3.02 – ZfB 2002, 165; Beschluss vom 21. November 2005 – BVerwG 7 B 26.05 – ZfB 2006, 27).
c) Der Zulegungsbeschluss ist nicht ermessensfehlerhaft und deshalb rechtswidrig. Die Zulegung ist eine gebundene Entscheidung.
Nach dem Wortlaut des § 35 BBergG “kann” die zuständige Behörde das Recht auf einen grenzüberschreitenden Abbau erteilen, wenn die im Folgenden aufgeführten Voraussetzungen vorliegen. Diese Voraussetzungen decken mit dem Erfordernis einer umfassenden Abwägung alle denkbaren Gesichtspunkte ab, die für und gegen die Erteilung des Rechts zum grenzüberschreitenden Abbau erheblich werden können. Dass der Gesetzgeber der zuständigen Behörde daneben die Befugnis einräumen wollte, den Antrag auch aus Ermessenserwägungen abzulehnen, ergibt keinen Sinn. Vielmehr bezeichnet das Wort “kann” in § 35 BBergG nur die Befugnis der Behörde zur Erteilung des Rechts auf grenzüberschreitenden Abbau unter den dort genannten Voraussetzungen.
d) Die Zulegung ist in ihrer konkreten Ausgestaltung nicht unverhältnismäßig. Das Oberbergamt hat das Recht zum grenzüberschreitenden Abbau entsprechend § 36 Satz 1 Nr. 4 BBergG zeitlich und räumlich beschränkt.
Es musste die Zulegung räumlich nicht auf die Flächen begrenzen, die unabdingbar notwendig sind, um über die Grundstücke der Klägerin hinweg den Abbau in die östlich davon liegenden eigenen Grundstücken der Beigeladenen weiterzuführen. Es geht bei der Zulegung nicht um eine Art Notwegerecht, das auf das bergtechnisch unbedingt Notwendige zu beschränken ist. Das Oberbergamt durfte den grenzüberschreitenden Abbau vielmehr auf Grundstücke erstrecken, soweit sie abbaubaren Lavasand enthalten. Die Zulegung zielt auf die vollständige Ausbeutung der Lagerstätte. § 35 Nr. 4 BBergG verdeutlicht dies. Sind die übrigen Voraussetzungen gegeben, hat die Zulegung danach nur zu unterbleiben, wenn damit zu rechnen ist, dass die im Nachbargrundstück anstehenden Bodenschätze von einem anderen Gewinnungsbetrieb ebenso wirtschaftlich gewonnen werden können.
Das Oberbergamt durfte das Recht auf grenzüberschreitenden Abbau auf 25 Jahre festlegen. Es hat sich dabei an der Zeit orientiert, die die Beigeladene unter Berücksichtigung des bisherigen Abbautempos für die Gewinnung des hier lagernden Lavasandes voraussichtlich benötigt. Das belastet die Klägerin nicht übermäßig. Sie kann und will das Grundstück nicht nutzen, sondern von Bergbautätigkeit freihalten. Liegen aber die Voraussetzungen der Zulegung vor, überwiegt also insbesondere das öffentliche Interesse an der Gewinnung des Lavasandes entgegenstehende öffentliche Belange von Natur und Landschaft, besteht kein eigenes Interesse der Klägerin an einer Freigabe des Grundstücks, das eine kürzere Frist für die Zulegung geboten erscheinen ließe.
3. Für die erneute Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts und die dabei erforderliche Abwägung nach § 35 Nr. 3 BBergG weist der Senat auf folgendes hin:
a) Ein Vorhaben dient dem gesetzlich vorgegebenen Enteignungszweck nicht erst dann und ist deshalb auch nicht erst dann im enteignungsrechtlichen Sinne erforderlich, wenn es einem unabweisbaren Bedürfnis entspricht. Vielmehr reicht es aus, wenn es vernünftigerweise geboten ist (Urteil vom 15. Januar 2004 – BVerwG 4 A 11.02 – BVerwGE 120, 1 ≪3≫ = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 12; Urteil vom 9. November 2006 – BVerwG 4 A 2001.06 – BVerwGE 127, 95 ≪Rn. 33 ff.≫ = Buchholz 442.40 § 8 LuftVG Nr. 25). Ob die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen die Gewinnung von Lavasand in dem konkreten Tagebau in diesem Sinne erfordert, kann nur aufgrund einer Prognose beurteilt werden. Da der Betrieb eines Tagebaus auf einen langen Zeitraum angelegt ist, muss auch der Prognose ein langer Zeitraum zugrunde gelegt werden. Es ist unerheblich, ob der benötigte Rohstoff derzeit aus anderen Gruben gewonnen werden könnte, wenn die Beigeladene ihren Tagebau einstellen müsste. Für die Zulegung muss nicht rechnerisch nachgewiesen werden, dass ohne grenzüberschreitenden Abbau aktuell eine Unterversorgung des Marktes eintritt. Anderenfalls ließe sich für fast jeden Tagebau begründen, dass er nicht erforderlich ist, solange aktuell ein verbleibender Tagebau in der Lage ist, Lavasand zu liefern. Dieser Tagebau wäre dann allerdings umso schneller erschöpft, mit der Folge, dass neue Tagebaue aufgeschlossen werden müssten. Deshalb ist es vernünftigerweise geboten, einen aufgeschlossenen Tagebau auch unter Zugriff auf eine fremde Gewinnungsberechtigung fortzuführen, solange er mittel- und langfristig einen Beitrag zur Versorgung beispielsweise der heimischen Baustoffindustrie mit Lavasand leistet, selbst wenn aktuell (kurzfristig) andere Betriebe den benötigten Lavasand zur Verfügung stellen könnten.
Unerheblich ist, dass der in Lissingen gewonnene Lavasand erst durch Vermischung mit Lavasand aus anderen Gruben geeignet ist, Steine herzustellen, die eine vorgegebene DIN-Norm erfüllen. Damit wird der Lavasand nicht zu einem minderwertigen Rohstoff, dessen Gewinnung keinen grenzüberschreitenden Abbau rechtfertigt.
b) Die Erhaltung von Arbeitsplätzen im Bergbau kann zu den anderen gesamtwirtschaftlichen Gründen gehören, die in § 35 Nr. 3 BBergG neben der Versorgung des Marktes mit Bodenschätzen angeführt sind. Gesamtwirtschaftliche Bedeutung hat der Verlust von Arbeitsplätzen in einem konkreten Betrieb, wenn dadurch Auswirkungen auf den jedenfalls regionalen Arbeitsmarkt spürbar werden oder Arbeitskräfte aus der Region abwandern und deshalb im Bergbau insgesamt nicht mehr hinreichend (ausgebildete) Arbeitskräfte zur Verfügung stehen. Dient die Fortführung des Abbaus der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, fällt im Rahmen der Abwägung aber auch ins Gewicht, inwieweit mit der Fortführung des Betriebs zugleich Arbeitsplätze im Bergbau erhalten werden.
c) Dient die Fortführung des Abbaus der Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, wird das Gewicht dieses Belangs ferner durch die Investitionen mitbestimmt, die der Unternehmer für den Aufschluss der Lagerstätte und den Betrieb des Tagebaus getätigt hat. Der gebotene schonende Umgang mit vorhandenen Ressourcen verlangt einen sinnvollen und planmäßigen Abbau der Lagerstätte und damit eine möglichst vollständige Ausbeutung einer einmal aufgeschlossenen Lagerstätte. Die hierfür getätigten Investitionen sollen nicht nutzlos verfallen.
d) Hingegen lässt sich aus der so genannten Rohstoffsicherungsklausel des § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG nicht herleiten, ein öffentliches Interesse an einem grenzüberschreitenden Abbau habe bei der Entscheidung über eine Zulegung schon grundsätzlich Vorrang vor entgegenstehenden privaten oder anderen öffentlichen Interessen.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 BBergG bleiben von den Vorschriften des Bundesberggesetzes Rechtsvorschriften unberührt, die auf Grundstücken solche Tätigkeiten verbieten oder beschränken, die ihrer Art nach der Aufsuchung oder Gewinnung dienen können, wenn die Grundstücke durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes einem öffentlichen Zweck gewidmet oder im Interesse eines öffentlichen Zwecks geschützt sind. Bei Anwendung dieser Vorschriften ist nach § 48 Abs. 1 Satz 2 BBergG dafür Sorge zu tragen, dass die Aufsuchung und Gewinnung so wenig wie möglich beeinträchtigt werden.
Mit dieser so genannten Rohstoffsicherungsklausel bringt der Gesetzgeber das öffentliche Interesse unter anderem an der Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen zum Ausdruck. Ausdruck desselben Interesses ist auch, dass der Gesetzgeber für die Aufsuchung und Gewinnung von Bodenschätzen nicht nur in § 35 BBergG, sondern insbesondere auch in § 79 BBergG weitreichende Enteignungsrechte eingeräumt hat. § 48 Abs. 1 BBergG und § 35 BBergG sind mithin Ausprägungen desselben öffentlichen Interesses. Aus § 48 BBergG lässt sich aber nicht herleiten, dass zusätzlich innerhalb der spezifisch enteignungsrechtlichen Abwägung das öffentliche Interesse an der Gewinnung des Bodenschatzes stets oder auch nur grundsätzlich den Vorrang vor entgegenstehenden Interessen haben soll.
e) Das gegenläufige private Interesse der Klägerin besteht darin, ihre Eigentumsposition ungeschmälert zu erhalten. Gegenstand der Zulegung ist die Gewinnungsberechtigung, nicht das Eigentum an dem Grundstück. In die Waagschale zu legen ist das Interesse der Klägerin daran, diese Gewinnungsberechtigung selbst ausüben und damit die Verfügungsbefugnis über den Lavasand behalten zu dürfen. Diesem Interesse kann nicht jedes Gewicht mit der Überlegung abgesprochen werden, die Klägerin wolle die aus ihrem Eigentum fließende Gewinnungsberechtigung erklärtermaßen nicht selbst ausüben oder durch Dritte ausüben lassen. Indem das Bundesberggesetz bestimmte Bodenschätze zu grundeigenen erklärt, überlässt es dem Eigentümer, ob er einen Bodenschatz gewinnen oder davon beispielsweise im Interesse einer anderweitigen Nutzung des Grundstücks absehen will. Im Rahmen der Abwägung ist deshalb das private Interesse geschützt, ein Grundstück anderer Zwecke wegen, hier etwa zum Erhalt eines unberührten Stücks Natur und Landschaft, von Bergbautätigkeit freizuhalten.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann, Guttenberger, Schipper
Fundstellen
Haufe-Index 2090755 |
BVerwGE 2009, 261 |
DÖV 2009, 215 |
GewArch 2009, 259 |
NuR 2009, 48 |
ZfBR 2009, 279 |
ZfB 2009, 46 |
AbfallR 2009, 46 |
DVBl. 2009, 182 |
UPR 2009, 103 |