Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine beschäftigungsrechtliche Privilegierung des Wechsels vom familiären Aufenthalt zum Aufenthalt zur Beschäftigung
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Ausländer hat bei rechtzeitiger Antragstellung ein schutzwürdiges Interesse an der Erteilung einer auf den Ablauf der Geltungsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis rückwirkenden Aufenthaltserlaubnis, wenn er sich zur Begründung seines Anspruchs auf eine Vorschrift beruft, die den Besitz einer Aufenthaltserlaubnis voraussetzt (hier: § 9 BeschV).
2. Die Zustimmungsfreiheit des § 9 BeschV gilt jedenfalls nicht für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigt (hier: Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu einem Deutschen).
3. Bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung wird der Grundtatbestand des § 18 Abs. 2 AufenthG jedenfalls bei zustimmungspflichtigen Beschäftigungen durch § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG ergänzt.
4. Zur Konkretisierung des Begriffs der qualifizierten Berufsausbildung im Sinne des § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG kann auf § 6 BeschV zurückgegriffen werden. Danach liegt im Inland eine qualifizierte Berufsausbildung vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV), und bedarf es für eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einer entsprechenden Gleichwertigkeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BeschV).
Normenkette
AufenthG § 18 Abs. 4, 2-3; BeschV § 6 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, § 9
Verfahrensgang
OVG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 05.04.2017; Aktenzeichen OVG 3 B 21.16) |
VG Berlin (Entscheidung vom 31.03.2015; Aktenzeichen 24 K 4.14) |
Tatbestand
Rz. 1
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung.
Rz. 2
Der Kläger, ein 1977 geborener libyscher Staatsangehöriger, kam 2004 zu Studienzwecken nach Deutschland. 2007 heiratete er eine deutsche Staatsangehörige und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis zum Zweck des Familiennachzugs. Diese wurde zuletzt bis zum 8. August 2013 verlängert.
Rz. 3
Nach Scheidung der Ehe stellte der Kläger im Juli 2013 bei der Ausländerbehörde einen "Verlängerungsantrag". Dabei legte er einen Arbeitsvertrag der Libyschen Botschaft vor. Danach ist er dort seit Mai 2013 als Ortskraft beschäftigt. Die Tätigkeit erstreckt sich nach einer Stellungnahme der Botschaft auf den Kontakt mit libyschen Behörden, die rechtliche Beratung deutscher Investoren und die Ausstellung amtlicher Dokumente und Beglaubigungen in der Konsularabteilung. In der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht gab der Kläger an, dass er inzwischen zu gleichen Konditionen in die Kulturabteilung gewechselt sei und sich dort insbesondere um die Einreise und den Aufenthalt libyscher Studenten kümmere. Das Auswärtige Amt stimmte mit Verbalnote vom 2. April 2013 der Einstellung des Klägers als auf dem deutschen Arbeitsmarkt angeworbene Ortskraft bis zum 8. August 2013 zu; eine darüber hinausgehende Beschäftigung bedürfe der Vorlage eines gültigen Aufenthaltstitels, der den allgemeinen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gestatte. Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit verweigerte ihre Zustimmung zu der vom Kläger ausgeübten Beschäftigung. Daraufhin lehnte die Ausländerbehörde den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 2. Dezember 2013 ab und drohte ihm die Abschiebung nach Libyen an. Der Kläger habe kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG erworben, da die eheliche Lebensgemeinschaft vor Ablauf von drei Jahren aufgehoben worden sei. Eine Aufenthaltserlaubnis auf der Grundlage des § 18 AufenthG scheide mangels Zustimmung der Beigeladenen aus. Im Klageverfahren setzte die Ausländerbehörde die Vollziehung des Bescheids aus.
Rz. 4
Mit Urteil vom 31. März 2015 hat das Verwaltungsgericht Berlin den Beklagten zur Neubescheidung nach § 18 Abs. 2 AufenthG i.V.m. § 9 BeschV verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg mit Urteil vom 5. April 2017 die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Dabei hat es offengelassen, ob die ausgeübte Beschäftigung der Zustimmung der Beigeladenen bedürfe oder ob sie nach § 9 BeschV zustimmungsfrei sei. Der Kläger erfülle jedenfalls nicht die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG. Bei Annahme einer Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung erfordere, könne die Tätigkeit nicht nach § 18 Abs. 4 Satz 1 AufenthG einer der in der Beschäftigungsverordnung genannten Berufsgruppen zugeordnet werden. Der Kläger erfülle insbesondere nicht die Voraussetzungen des § 4 Satz 1 Nr. 1 BeschV, da er keine leitende Tätigkeit ausübe und nicht über besondere Spezialkenntnisse verfügen müsse. An seiner Beschäftigung bestehe auch kein öffentliches Interesse im Sinne des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Erfordere die Tätigkeit keine qualifizierte Berufsausbildung, fehle es an den Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AufenthG, da die Erteilung einer Zustimmung für die Beschäftigung nach der Beschäftigungsverordnung nicht zulässig sei.
Rz. 5
Zur Begründung seiner Revision macht der Kläger im Wesentlichen geltend, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung richte sich allein nach § 18 Abs. 2 AufenthG, wenn die Beschäftigung keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedürfe. Dies sei hier nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 BeschV wegen seines dreijährigen rechtmäßigen Voraufenthalts der Fall. Die Vorschrift gelte nicht nur für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis zur Beschäftigung. Unerheblich sei, dass er inzwischen nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sei, da er rechtzeitig die Erteilung eines Aufenthaltstitels zur Beschäftigung beantragt habe. Damit habe er ein schutzwürdiges Interesse an einer rückwirkenden Erteilung.
Rz. 6
Der Beklagte verteidigt die angegriffene Entscheidung. Er macht insbesondere geltend, der Grundtatbestand des § 18 Abs. 2 AufenthG werde auch bei zustimmungsfreien Beschäftigungen durch § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG ergänzt. Außerdem bedürfe es für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV des gegenwärtigen Besitzes einer Aufenthaltserlaubnis zu Erwerbszwecken. Die Vorschrift vermittle lediglich den Arbeitsmarktzugang im Aufenthalt und kein eigenes Recht zum Aufenthalt.
Rz. 7
Die beigeladene Bundesagentur für Arbeit schließt sich der Rechtsauffassung des Beklagten an. Die Verfahrenserleichterung des § 9 BeschV sei kraft historischer Überholung inzwischen nur für Inhaber einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Erwerbstätigkeit relevant, da alle anderen Aufenthaltstitel entweder von Gesetzes wegen mit einem uneingeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt verbunden seien oder schon aus anderen Gründen keiner Zustimmung bedürften.
Rz. 8
Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren und teilt die Auffassung des Beklagten und der Beigeladenen zur Auslegung des § 18 AufenthG.
Entscheidungsgründe
Rz. 9
Die Revision des Klägers hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Klage im Ergebnis ohne Verstoß gegen revisibles Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 AufenthG (1.). Auch die mit der Ablehnung seines Antrags verbundene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden (2.).
Rz. 10
Gegenstand des Revisionsverfahrens ist bei sachdienlicher Auslegung nur noch das Begehren des Klägers auf (rückwirkende) Neubescheidung seines Antrags auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG sowie auf Aufhebung der Abschiebungsandrohung. Da der Kläger für die von ihm geltend gemachte Zustimmungsfreiheit nach § 9 der Verordnung über die Beschäftigung von Ausländerinnen und Ausländern (Beschäftigungsverordnung - BeschV) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis sein muss und es hieran - trotz rechtzeitiger Antragstellung - seit Ablauf der Geltungsdauer der dem Kläger zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis im August 2013 unstreitig fehlt, hat er ein schutzwürdiges Interesse (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9. Juni 2009 - 1 C 7.08 - Buchholz 402.242 § 9a AufenthG Nr. 1 Rn. 13 m.w.N.) an einer auf diesen Zeitpunkt rückwirkenden Entscheidung.
Rz. 11
Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist nach der Rechtsprechung des Senats bei Verpflichtungsklagen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung in der Tatsacheninstanz (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Dezember 2015 - 1 C 31.14 - BVerwGE 153, 353 Rn. 9). Dasselbe gilt, soweit es um die gerichtliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer nicht vollzogenen Abschiebungsandrohung geht (BVerwG, Urteil vom 22. März 2012 - 1 C 3.11 - BVerwGE 142, 179 Rn. 13). Rechtsänderungen, die nach der Berufungsentscheidung eintreten, sind vom Revisionsgericht zu berücksichtigen, wenn sie das Berufungsgericht, wenn es jetzt entschiede, zu beachten hätte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. September 2015 - 1 C 27.14 - NVwZ 2016, 71 Rn. 10). Ein anderer Zeitpunkt gilt nur dann, wenn und soweit aus Gründen des materiellen Rechts ausnahmsweise auf einen anderen Zeitpunkt abzustellen ist. Das ist hier der Fall, soweit der Kläger eine auf den August 2013 rückwirkende Neubescheidung begehrt. Wird die Erteilung eines Aufenthaltstitels für einen zurückliegenden Zeitraum begehrt, ist insoweit auf die damalige Sachlage und - soweit nachfolgende Rechtsänderungen keine materielle Rückwirkung für vorangehende Zeiträume haben - Rechtslage abzustellen. In der Sache haben sich die hier maßgeblichen Rechtsvorschriften seit August 2013 aber nicht geändert.
Rz. 12
1. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Ausländerbehörde über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung nach § 18 AufenthG.
Rz. 13
1.1 Der Kläger unterliegt dem Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (a) und bedarf einer Aufenthaltserlaubnis (b).
Rz. 14
a) Als ein in Deutschland bei der Libyschen Botschaft als Ortskraft (also ohne dienstliche Entsendung durch die libysche Regierung) angestellter libyscher Staatsangehöriger unterfällt er weder dem Anwendungsausschluss des § 1 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG (Exterritorialität von Mitgliedern der diplomatischen Missionen, der konsularischen Vertretungen und weiterer Exterritorialer nach §§ 18 bis 20 GVG) noch dem des § 1 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG (Befreiung nach Maßgabe völkerrechtlicher Verträge für den diplomatischen und konsularischen Verkehr und für die Tätigkeit internationaler Organisationen und Einrichtungen).
Rz. 15
b) Seine Beschäftigung als Ortskraft ändert auch nichts daran, dass er als Drittstaatsangehöriger nach § 4 Abs. 1 AufenthG für den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels bedarf. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV für eine Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels liegen nicht vor, da das Auswärtige Amt der Beschäftigung des Klägers als Ortskraft nur bis zum 8. August 2013, dem Ablauf der Geltungsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis, zugestimmt hat. Seitdem erfolgt die Beschäftigung ohne Zustimmung des Auswärtigen Amtes und kann sich der Kläger nicht (mehr) auf die Privilegierung des § 27 Abs. 1 Nr. 2 AufenthV berufen.
Rz. 16
1.2 Der Kläger erfüllt aber nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 3 bzw. 4 AufenthG für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung. Nach § 18 Abs. 2 AufenthG kann einem Ausländer ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden, wenn die Bundesagentur für Arbeit nach § 39 AufenthG zugestimmt hat oder durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG (hier: BeschV) oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist, dass die Ausübung der Beschäftigung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit zulässig ist (Satz 1). Beschränkungen bei der Erteilung der Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit sind in den Aufenthaltstitel zu übernehmen (Satz 2). Nach § 18 Abs. 3 AufenthG darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG (hier: BeschV) die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist. Nach § 18 Abs. 4 AufenthG darf ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach § 18 Abs. 2 AufenthG, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur für eine Beschäftigung in einer Berufsgruppe erteilt werden, die durch Rechtsverordnung nach § 42 AufenthG (hier: BeschV) zugelassen worden ist (Satz 1). Im begründeten Einzelfall kann eine Aufenthaltserlaubnis für eine Beschäftigung erteilt werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht (Satz 2).
Rz. 17
Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob danach die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung der Zustimmung der (beigeladenen) Bundesagentur für Arbeit bedarf oder ob diese nach der hier allein in Betracht kommenden Regelung in § 9 BeschV entbehrlich ist, da der Kläger jedenfalls nicht die weiteren Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG erfülle. Insoweit kann dahinstehen, ob die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, die Frage der Zustimmungspflicht sei nicht entscheidungserheblich, mit Bundesrecht zu vereinbaren ist. Das Berufungsurteil erweist sich jedenfalls im Ergebnis als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Denn die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung bedarf für die vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Ortskraft bei der Libyschen Botschaft der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit; die Voraussetzungen für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV liegen nicht vor (a). Der Kläger erfüllt auch nicht die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG, die - zwischen den Beteiligten unstreitig - jedenfalls bei Ausübung einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung vorliegen müssen (b).
Rz. 18
a) Der Verordnungsgeber hat zum 1. Juli 2013 das Ausländerbeschäftigungsrecht geändert und anstelle der bisherigen Beschäftigungsverordnung (BeschV a.F.) und der Beschäftigungsverfahrensverordnung (BeschVerfV) den Arbeitsmarktzugang sowohl für neu einreisende Ausländer als auch für die bereits im Land lebenden Ausländer in einer einheitlichen (neuen) Beschäftigungsverordnung (BeschV) geregelt. Nach § 9 Abs. 1 BeschV bedarf keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit die Ausübung einer Beschäftigung bei Ausländerinnen und Ausländern, die eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis besitzen und (1.) zwei Jahre rechtmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Bundesgebiet ausgeübt haben oder (2.) sich seit drei Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhalten.
Rz. 19
Eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV scheitert schon daran, dass es sich bei der dem Kläger zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis nicht um eine Aufenthaltserlaubnis im Sinne dieser Vorschrift handelt. Hierfür genügt - entgegen der Auffassung des Klägers und des Verwaltungsgerichts - nicht der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die - wie die dem Kläger zuletzt zum Familiennachzug zu seiner deutschen Ehefrau erteilte Aufenthaltserlaubnis (vgl. § 28 Abs. 5 AufenthG a.F.) - kraft Gesetzes zur Ausübung jedweder Beschäftigung berechtigt. Ob die Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV selbst beim Besitz einer Aufenthaltserlaubnis mit einer ausdrücklichen Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde nur in Verlängerungsfällen - also bei gleichbleibendem Aufenthaltszweck - greift und damit de facto nur noch bei der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung von Bedeutung ist, da alle anderen Aufenthaltserlaubnisse inzwischen entweder kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigen (etwa nach § 27 Abs. 5 AufenthG) oder schon nach anderer Vorschrift eine Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit entbehrlich ist (etwa über § 31 BeschV), bedarf aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keiner Entscheidung.
Rz. 20
§ 9 BeschV verlangt pauschal den "Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis", ohne näher zu konkretisieren, ob damit jedweder Besitz einer Aufenthaltserlaubnis dem Besitz einer Blauen Karte EU gleichsteht oder ob die Privilegierung jedenfalls nicht für Personen gilt, die weder im Besitz einer Blauen Karte EU noch einer Aufenthaltserlaubnis sind, bei der die Ausländerbehörde die Ausübung einer Beschäftigung - mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit - ausdrücklich zugelassen hat. Der Begriff "Aufenthaltserlaubnis" bedarf daher im konkreten Kontext der Norm der Auslegung. Für eine weite Auslegung mag einerseits sprechen, dass die Vorschrift nach ihrem Wortlaut ohne Hinweis auf eine bestimmte Zweckbindung oder das Erfordernis einer behördlichen Arbeitsmarktzulassung nur den Besitz "einer" Aufenthaltserlaubnis fordert. Auch der Überschrift der Norm ("Beschäftigung bei Vorbeschäftigungszeiten oder längerem Voraufenthalt") ist nicht zu entnehmen, dass die Privilegierung den Besitz einer bestimmten Aufenthaltserlaubnis voraussetzt. Andererseits bezieht sich die Zustimmungsfreiheit in § 9 BeschV - im Gegensatz zu anderen in der Beschäftigungsverordnung geregelten Fällen der Zustimmungsfreiheit - nicht auf die Erteilung eines (die Ausübung einer bestimmten Beschäftigung erlaubenden) Aufenthaltstitels, sondern auf die Ausübung einer Beschäftigung bei Ausländern, die (bereits) im Besitz einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis sind. Dies spricht für die Auffassung des Beklagten, dass die Vorschrift lediglich den Arbeitsmarktzugang regelt und kein eigenes Recht zum Aufenthalt vermittelt.
Rz. 21
Für eine einschränkende Auslegung des Begriffs der Aufenthaltserlaubnis sprechen maßgeblich die Entstehungsgeschichte und der Wille des Verordnungsgebers. Nach der Begründung zu § 9 BeschV sollten die bisher in § 3b BeschVerfV enthaltenen Regelungen über einen uneingeschränkten Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt nach zweijähriger Beschäftigung oder dreijährigem Aufenthalt übernommen werden, die für Ausländer, die sich mit einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung in Deutschland aufhalten, bisher nur über die Verweisungsvorschrift des § 44 BeschV a.F. galten (BR-Drs. 182/13 S. 31). Über § 3b BeschVerfV wurde schon in der Vergangenheit - seinerzeit aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung - bei der Verfestigung der Rechtsposition auf dem deutschen Arbeitsmarkt auf die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bei der Zulassung von Ausländern verzichtet, die bereits länger im Bundesgebiet arbeiteten oder sich hier aufhielten und bei denen deshalb nach der ursprünglichen Regelung in § 9 BeschVerfV a.F. im Zustimmungsverfahren weder eine Arbeitsmarktprüfung noch eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen mit denen deutscher Beschäftigter durchzuführen war (BR-Drs. 210/11 S. 94). Die Zustimmungsfreiheit war über § 1 Nr. 1 BeschVerfV allerdings weiter eingeschränkt. Danach durfte die Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung zustimmungsfrei nur Ausländern erteilt werden, die eine Aufenthaltserlaubnis besitzen, die kein Aufenthaltstitel zum Zwecke der Beschäftigung ist (§§ 17, 18, 19 und 19a AufenthG) oder die nicht schon aufgrund des Aufenthaltsgesetzes zur Beschäftigung berechtigt (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG). Dabei ist die doppelt negative "oder"-Verknüpfung im Sinne eines "weder noch" zu verstehen, weil die durch die Grundsatzregelung in § 1 BeschVerfV ersichtlich gewollte Beschränkung der zustimmungsfreien Arbeitsmarktzulassung von im Inland lebenden Ausländern ansonsten nicht erreicht würde. Damit galt die Zustimmungsfreiheit des § 3b BeschVerfV unmittelbar weder für Besitzer einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung noch für Inhaber einer kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigenden Aufenthaltserlaubnis, sondern nur in bestimmten Fällen des Familiennachzugs zu einem Ausländer (vgl. § 29 Abs. 5 AufenthG a.F.) sowie für Inhaber bestimmter humanitärer Aufenthaltserlaubnisse (etwa nach § 25 Abs. 3 und 5 AufenthG). Außerdem fand § 3b BeschVerfV für Ausländer, die sich mit einer Blauen Karte EU oder einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung in Deutschland aufhielten - insoweit abweichend von der Regelung in § 1 Nr. 1 BeschVerfV - über die Verweisungsvorschrift in § 44 BeschV a.F. entsprechende Anwendung. Von den Vorgängerregelungen von vornherein nicht erfasst waren hingegen Ausländer, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis waren, die - wie die dem Kläger erteilte Aufenthaltserlaubnis - kraft Gesetzes zur Ausübung einer Beschäftigung berechtigte.
Rz. 22
An dieser Einschränkung wollte der Verordnungsgeber mit der Neuregelung in § 9 BeschV (n.F.) nichts ändern. Zwar ist die einschränkende Definition der erfassten Aufenthaltserlaubnisse im früheren § 1 Nr. 1 BeschVerfV entfallen. Der Begründung zu § 9 BeschV ist aber nicht zu entnehmen, dass der Verordnungsgeber mit der Neuregelung eine Erweiterung des privilegierten Personenkreises beabsichtigt hat. Vielmehr wollte er lediglich die in § 3b BeschVerfV enthaltene Regelung übernehmen und mit § 44 BeschV a.F. zusammenführen (vgl. BR-Drs. 182/13 S. 31). Hätte er den Anwendungsbereich der Privilegierung erweitern und der Vorschrift eine völlig neue Bedeutung bei der Aufenthaltsverfestigung beimessen wollen, wäre zu erwarten gewesen, dass er dies in der Begründung deutlich macht und nicht lediglich von einer "Übernahme" der bisherigen Regelungen spricht. Stattdessen hebt er in der Verordnungsbegründung ausdrücklich hervor, dass die von der Vorgängerregelung erfassten Aufenthaltstitel ("diese") zunächst nur befristet erteilt würden und die Frage, ab wann ein uneingeschränktes Recht auf Zugang zum Arbeitsmarkt bestehe, deshalb eine erhebliche Bedeutung für die Entscheidung habe, nach Deutschland auszuwandern. Mit der Regelung sollten ausländische Fachkräfte leichter erkennen können, ab wann sie nach der ersten "Zulassung" zur Beschäftigung uneingeschränkt in Deutschland arbeiten dürften (BR-Drs. 182/13 S. 31).
Rz. 23
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis des Klägers, dass eine von der Bundesregierung 2017 beabsichtigte Einschränkung des § 9 BeschV im Bundesrat keine Zustimmung gefunden hat. Mit diesem Änderungsvorschlag wollte die Bundesregierung dem faktischen Bedeutungsverlust der Regelung nach Schaffung des § 27 Abs. 5 AufenthG (wonach inzwischen jede Aufenthaltserlaubnis aus familiären Gründen kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt) und des § 31 BeschV (wonach die Erteilung einer Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung bei Aufenthaltserlaubnissen nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes generell keiner Zustimmung der Bundesagentur bedarf) Rechnung tragen ("... wird die Vorschrift aktualisiert"). Dabei sollte die Zustimmungsfreiheit auf Ausländer beschränkt werden, die einen Aufenthaltstitel nach Kapitel 2 Abschnitt 4 des Aufenthaltsgesetzes (Aufenthalt zum Zweck der Beschäftigung) besitzen und zwei Jahre rechtmäßig eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt haben (BR-Drs. 10/17 S. 5 f., 40). Dass der Bundesrat mit dieser Einschränkung nicht einverstanden war (BR-Drs. 10/17 ≪Beschluss≫ S. 3 f.), lässt keine zwingenden Rückschlüsse auf die Auslegung des geltenden § 9 BeschV zu.
Rz. 24
Auch systematische Gründe sprechen für eine enge Auslegung des Begriffs der Aufenthaltserlaubnis in § 9 BeschV. Das Aufenthaltsgesetz differenziert zwischen Aufenthaltstiteln, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen, und Aufenthaltstiteln, bei denen die Ausübung einer Beschäftigung einer ausdrücklichen Erlaubnis der Ausländerbehörde bedarf. Die durch § 9 BeschV ausdrücklich privilegierten Besitzer einer Blauen Karte EU halten sich zweifelsfrei zum Zweck der Beschäftigung im Bundesgebiet auf (vgl. § 19a AufenthG) und benötigen für die Ausübung einer Beschäftigung einer Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde. Außerdem findet sich § 9 BeschV in der Beschäftigungsverordnung im Teil 2 unter der Überschrift "Zuwanderung von Fachkräften". Auch diese erfolgt nach dem dem Aufenthaltserlaubnisrecht zugrunde liegenden Trennungsprinzip über einen Aufenthalt zum Zweck der Beschäftigung und bedarf einer ausdrücklichen Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde. Zwar gilt § 9 BeschV nicht nur für Fachkräfte. Eine derartige Beschränkung ergibt sich weder aus dem Wortlaut der Norm noch aus den nach der Verordnungsbegründung übernommenen Vorgängerregelungen. Allein der Umstand, dass sich § 9 BeschV im 2. Teil der Beschäftigungsverordnung unter der Überschrift "Zuwanderung von Fachkräften" befindet und der Verordnungsgeber in der Verordnungsbegründung als Motiv für die Übernahme der Vorgängerregelungen in § 3b BeschVerfV und § 44 BeschV a.F. darauf hinweist, dass Fachkräfte hierdurch eine Perspektive erhalten sollen, rechtfertigt keine Begrenzung der Privilegierung auf diesen Personenkreis. Die systematische Einordnung der Norm im Kapitel über die Zuwanderung von Fachkräften verdeutlicht aber zusammen mit der Verordnungsbegründung, dass es bei § 9 BeschV um die Verfestigung eines durch behördliche Zulassung eröffneten Arbeitsmarktzugangs geht. Ein Ausländer, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis ist, die kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, darf zwar jeder Beschäftigung nachgehen. Er hält sich aufenthaltsrechtlich aber nicht zum Zweck der Beschäftigung, sondern aus anderen Gründen und unabhängig von der tatsächlichen Ausübung einer Beschäftigung im Bundesgebiet auf. Sein Zugang zum Arbeitsmarkt beruht nicht auf einer behördlichen Zulassung, sondern ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz und ist untrennbar mit einem anderen Aufenthaltszweck verknüpft. Solange dieser (andere) Aufenthaltszweck andauert, bedarf der Ausländer keiner Arbeitsmarktzulassung durch die Ausländerbehörde (mit oder ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit). Damit kann er sich, wenn er - wie hier - nach Wegfall des bisherigen Aufenthaltszwecks im Wege eines sog. "Spurwechsels" die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zweck der Beschäftigung begehrt, schon nicht auf einen ihm durch Zulassung eröffneten Arbeitsmarktzugang berufen. Von dieser Differenzierung ist offensichtlich auch der Verordnungsgeber ausgegangen, wenn er in der Begründung zu § 9 BeschV hervorhebt, dass die von den Vorgängerregelungen erfassten Aufenthaltstitel zunächst nur befristet erteilt würden und ausländische Fachkräfte leichter erkennen können sollten, ab wann sie nach der ersten "Zulassung" zur Beschäftigung uneingeschränkt in Deutschland arbeiten dürfen (BR-Drs. 182/13 S. 31).
Rz. 25
Schließlich ergeben sich auch aus Sinn und Zweck der Beschäftigungsverordnung und speziell des § 9 BeschV keine zwingenden Gründe für eine weite Auslegung des Begriffs der Aufenthaltserlaubnis. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BeschV steuert die Beschäftigungsverordnung die Zuwanderung ausländischer Arbeitnehmer und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen sie und die bereits in Deutschland lebenden Ausländer zum Arbeitsmarkt zugelassen werden können. Damit gilt die Beschäftigungsverordnung zwar für die Zulassung von Ausländern zu einer Beschäftigung unabhängig vom (bisherigen) Aufenthalt und Aufenthaltszweck. Allerdings ist der sachliche Anwendungsbereich der Beschäftigungsverordnung auf Fälle beschränkt, in denen der Ausländer nicht schon kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt ist, sondern es darum geht, ob ihm die Ausübung einer Beschäftigung erlaubt wird (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 BeschV). Innerhalb dieses vorgegebenen Anwendungsbereichs ermöglicht § 9 BeschV eine Verfestigung des Arbeitsmarktzugangs nach einer behördlichen Zulassung. Auch dies spricht dafür, dass für eine Zustimmungsfreiheit nach § 9 BeschV allein der Besitz eines kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigenden Aufenthaltstitels nicht ausreicht, sondern es für den Verzicht auf eine (nochmalige) Einbeziehung der Bundesagentur für Arbeit und Prüfung der (beschäftigungsrechtlichen) Zulassungsvoraussetzungen zumindest des Besitzes eines Aufenthaltstitels mit einer Arbeitsmarktzulassung bedarf.
Rz. 26
b) Kann sich der Kläger nicht auf § 9 BeschV berufen, bedarf die von ihm ausgeübte Beschäftigung der Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit. Diese kann bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Beschäftigung durch das Gericht nur ersetzt werden, wenn es um die Ausübung einer nach der Beschäftigungsverordnung zustimmungsfähigen Beschäftigung geht. Außerdem müssen - zwischen den Beteiligten unstreitig - jedenfalls bei zustimmungspflichtigen Beschäftigungen die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen des § 18 Abs. 3 bzw. 4 AufenthG vorliegen.
Rz. 27
aa) Entgegen der Auffassung des Klägers regeln § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht lediglich die Voraussetzungen, unter denen die Bundesagentur für Arbeit eine nach der Beschäftigungsverordnung erforderliche Zustimmung zu erteilen hat, sondern enthalten weitere Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung durch die Ausländerbehörde ("Ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2... darf nur erteilt werden, wenn..."). Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, darf die Ausländerbehörde jedenfalls bei zustimmungspflichtigen Beschäftigungen keine Aufenthaltserlaubnis erteilen.
Rz. 28
Dass mit § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG der Grundtatbestand des § 18 Abs. 2 AufenthG eingeschränkt werden sollte, ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte. Denn die Ergänzungen in § 18 Abs. 3, 4 und 5 AufenthG sind auf Vorschlag des Vermittlungsausschusses aufgenommen worden (BT-Drs. 15/3479 S. 4). Während § 18 Abs. 2 AufenthG alle Arten von Beschäftigungen erfasst, differenziert § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG innerhalb des Spektrums möglicher Beschäftigungen nach dem Erfordernis einer qualifizierten Berufsausbildung. Außerdem bedarf es nach § 18 Abs. 5 AufenthG stets einer Arbeitsplatzzusage. Unter welchen Voraussetzungen die Bundesagentur für Arbeit (materiell) einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung zuzustimmen hat, ergibt sich systematisch nicht aus § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG, sondern aus § 39 AufenthG und aus der Beschäftigungsverordnung (vgl. § 1 Abs. 1 BeschV). Ob und ggf. in welchem Umfang § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG bei zustimmungsfreien Beschäftigungen zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen einer einschränkenden Auslegung unterliegen, bedarf im vorliegenden Verfahren, in dem es um die Ausübung einer zustimmungspflichtigen Beschäftigung geht, keiner Entscheidung.
Rz. 29
bb) Zur Konkretisierung des Begriffs der qualifizierten Berufsausbildung im Sinne des § 18 Abs. 3 und 4 AufenthG kann auf § 6 BeschV zurückgegriffen werden. Danach liegt im Inland eine qualifizierte Berufsausbildung vor, wenn die Ausbildungsdauer mindestens zwei Jahre beträgt (§ 6 Abs. 1 Satz 2 BeschV), und bedarf es für eine im Ausland erworbene Berufsqualifikation einer entsprechenden Gleichwertigkeit (§ 6 Abs. 2 Satz 1 BeschV). Ob die vom Kläger ausgeübte Beschäftigung als Ortskraft bei der Botschaft in diesem Sinne eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, bedarf - wie vom Berufungsgericht zutreffend angenommen - keiner abschließenden Entscheidung. Denn der Kläger erfüllt weder die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AufenthG noch diejenigen des § 18 Abs. 4 AufenthG.
Rz. 30
cc) Bei Annahme einer Beschäftigung, die eine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, darf nach § 18 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2 nur für eine Beschäftigung in einer Berufsgruppe erteilt werden, die durch Rechtsverordnung nach § 42 (hier: BeschV) zugelassen worden ist. Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die vom Kläger bei Ablauf der Geltungsdauer der ihm zuletzt erteilten Aufenthaltserlaubnis im August 2013 ausgeübte Beschäftigung in der Konsularabteilung der Libyschen Botschaft insbesondere nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Zustimmung nach § 4 Satz 1 Nr. 1 BeschV (Leitende Angestellte und Spezialisten) erfüllt. Danach kann die Zustimmung erteilt werden für leitende Angestellte und andere Personen, die zur Ausübung ihrer Beschäftigung über besondere, vor allem unternehmensspezifische Spezialkenntnisse verfügen, eines im Inland ansässigen Unternehmens für eine qualifizierte Beschäftigung in diesem Unternehmen. Dabei kann - mit dem Berufungsgericht - dahinstehen, ob eine Botschaft mit einem im Inland ansässigen Unternehmen gleichgestellt werden kann. Denn der Kläger übte im August 2013 nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen, den Senat grundsätzlich bindenden (§ 137 Abs. 2 VwGO) tatrichterlichen Feststellungen des Berufungsgerichts weder eine leitende Tätigkeit aus noch musste er zur Ausübung der Tätigkeit über besondere, vor allem unternehmensspezifische Spezialkenntnisse verfügen. Nichts anderes gilt im Übrigen mit Blick auf die vom Kläger im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht nach einem Abteilungswechsel zu gleichen Konditionen ausgeübte Sachbearbeitertätigkeit in der Kulturabteilung der Botschaft. Gegenteiliges wird auch vom Kläger nicht behauptet.
Rz. 31
dd) Der Kläger erfüllt ersichtlich auch nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 4 Satz 2 AufenthG. Danach kann in begründeten Einzelfällen eine Aufenthaltserlaubnis (auch) für eine Beschäftigung erteilt werden, wenn an der Beschäftigung ein öffentliches, insbesondere ein regionales, wirtschaftliches oder arbeitsmarktpolitisches Interesse besteht. Da sich die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer nach § 18 Abs. 1 AufenthG an den Erfordernissen des Wirtschaftsstandortes Deutschland orientiert unter Berücksichtigung der Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt und dem Erfordernis, die Arbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen, kann ein öffentliches Interesse an der Beschäftigung eines bestimmten Ausländers etwa darin bestehen, dass er in einem Unternehmen zur Schaffung von Arbeitsplätzen beiträgt oder den Abbau von Arbeitsplätzen verhindert. Da das öffentliche Interesse ausdrücklich nur in begründeten Einzelfällen zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis führen kann, muss es über das Interesse des Arbeitgebers an der Einstellung eines bestimmten ausländischen Arbeitnehmers (vgl. BVerwG, Beschluss vom 4. November 1991 - 1 B 132.91 - Buchholz 402.240 § 10 AuslG 1990 Nr. 1 = juris Rn. 6 zum öffentlichen Interesse an der Beschäftigung eines Ausländers nach § 10 Abs. 1 und 2 AuslG 1990 i.V.m. § 5 Nr. 2, § 8 AAV) und erst recht über das private Beschäftigungsinteresse des Ausländers hinausgehen. Ein öffentliches Interesse ergibt sich im Falle des Klägers auch nicht aus außenpolitischen Gründen. Nach den Protokollrichtlinien des Auswärtigen Amtes haben ausländische Vertretungen seit Anfang 2013 nicht (mehr) die Möglichkeit zur Anwerbung eigener Staatsangehöriger im Entsendestaat, sondern können nur noch Ortskräfte einstellen, die im Besitz des hierfür erforderlichen Aufenthaltstitels sind (5.4.1 der Protokollrichtlinien). In Anwendung dieser Richtlinien hat das Auswärtige Amt der Beschäftigung des Klägers nur bis zum 8. August 2013 zugestimmt.
Rz. 32
ee) Der Kläger erfüllt schließlich auch nicht die Voraussetzungen des § 18 Abs. 3 AufenthG. Danach darf eine Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung nach Absatz 2, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, nur erteilt werden, wenn dies durch zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist oder wenn aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 42 (hier: BeschV) die Erteilung der Zustimmung zu einer Aufenthaltserlaubnis für diese Beschäftigung zulässig ist. Weder ergibt sich eine (abstrakte) Erlaubnisfähigkeit der zustimmungspflichtigen Beschäftigung aus einer zwischenstaatlichen Vereinbarung noch erfüllt der Kläger als Ortskraft die Voraussetzungen für eine in der Beschäftigungsverordnung aufgeführte zustimmungsfähige Tätigkeit, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt.
Rz. 33
2. Die Klage hat auch keinen Erfolg, soweit sie sich gegen die Abschiebungsandrohung richtet. Der Kläger ist nach § 50 Abs. 1 AufenthG ausreisepflichtig, da er einen erforderlichen Aufenthaltstitel nicht mehr besitzt. Die Ausreisepflicht ist nach § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 84 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG mit der Zustellung des angegriffenen Bescheids vollziehbar geworden, da Widerspruch und Klage gegen die Ablehnung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung haben. Soweit die Behörde im gerichtlichen Verfahren die Vollziehung ausgesetzt hat, endet diese Aussetzung mit Abschluss des Gerichtsverfahrens.
Rz. 34
Die dem Kläger von der Ausländerbehörde gesetzte Frist zur freiwilligen Ausreise ist nicht zu beanstanden. Nach § 59 Abs. 1 Satz 1 und 4 AufenthG ist dem Ausländer eine Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise zu setzen; unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls kann sie auch für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. Im Bescheid vom 2. Dezember 2013, der dem Kläger am 4. Dezember 2013 zugestellt worden ist, hat die Ausländerbehörde eine Frist bis zum 9. Januar 2014 gesetzt. Eine solche datumsmäßige Fixierung ist mit dem Gebot einer nach Tagen zu bestimmenden Ausreisefrist jedenfalls dann zu vereinbaren, wenn die Ausreisepflicht - wie hier - kraft Gesetzes vollziehbar ist. In diesem Fall wird die der Sache nach in Tagen gesetzte Ausreisefrist durch einen die aufschiebende Wirkung der Klage anordnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts gemäß § 59 Abs. 1 Satz 6 AufenthG unterbrochen und läuft mit Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung erneut an (BVerwG, Urteil vom 25. März 2015 - 1 C 19.14 - BVerwGE 151, 377 Rn. 26). Entsprechendes gilt, wenn die Behörde - wie hier - zur Abwendung einer gerichtlichen Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO den Vollzug ihrer Entscheidung bis zum Abschluss des gerichtlichen Verfahrens aussetzt.
Rz. 35
Als Rückkehrentscheidung steht die Abschiebungsandrohung auch im Einklang mit der Richtlinie 2008/115/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 - Rückführungsrichtlinie (ABl. EU Nr. L 348 vom 24. Dezember 2008 S. 98). Sie ist nach nationalem Recht nicht mit einem gesetzlichen Einreiseverbot verbunden (vgl. § 11 AufenthG). Offenbleiben kann, welche zeitlichen Anforderungen an die Anordnung eines Einreiseverbots im - hier nur in Betracht kommenden - Fall des Art. 11 Abs. 1 Buchst. b Rückführungsrichtlinie aus der Richtlinie folgen, ob das Einreiseverbot also etwa bereits zusammen mit der Rückkehrentscheidung (aufschiebend bedingt) angeordnet oder jedenfalls im Zusammenhang mit der Abschiebung festgesetzt werden muss. Denn das Fehlen einer Entscheidung zum Einreiseverbot belastet den Kläger nicht und hat keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung als Rückkehrentscheidung (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. Mai 2018 - 1 C 17.17 - juris Rn. 24 m.w.N.).
Rz. 36
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Da sich die Beigeladene nicht mit einem eigenen Antrag am Kostenrisiko beteiligt hat, entspricht es der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt.
Fundstellen
Haufe-Index 12193847 |
BVerwGE 2019, 1 |
FamRZ 2019, 78 |
DÖV 2019, 79 |
InfAuslR 2018, 2 |
InfAuslR 2019, 7 |
JZ 2019, 304 |
VR 2019, 71 |
ZAR 2019, 154 |
DVBl. 2018, 4 |