Entscheidungsstichwort (Thema)
Deutscher Beamtenbund. Verfolgung in der NS-Zeit. Verfolgung aus politischen Gründen, Gleichschaltung. Verhalten gegenüber Nationalsozialismus im Jahr 1932. berufsständische Interessen
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen die von den Nationalsozialisten im Jahre 1933 veranlasste Auflösung einer Beamtenvereinigung (hier: Deutscher Beamtenbund) als eine Maßnahme politischer Verfolgung im Sinne von § 1 Abs. 6 des Vermögensgesetzes angesehen werden kann.
Normenkette
VermG § 1 Abs. 6 S. 1
Verfahrensgang
VG Chemnitz (Entscheidung vom 22.07.1999; Aktenzeichen 9 K 1330/94) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 22. Juli 1999 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.
Tatbestand
I.
Die Klägerin, die vermögensverwaltende Gesellschaft des Deutschen Beamtenbundes, macht vermögensrechtliche Ansprüche auf zwei Grundstücke (Flurstücke Nr. 1111 und 1105/1 der Gemarkung B.) geltend, die der nationalsozialistische Reichsbund der Deutschen Beamten in den Jahren 1936 bis 1938 erworben hatte. Sie beruft sich darauf, dass der Erwerb mit dem Vermögen des von den Nationalsozialisten im Oktober 1933 aufgelösten Deutschen Beamtenbundes vorgenommen worden sei.
Den Antrag der Klägerin auf (Rück-)Übertragung des Eigentums an den Grundstücken lehnte das Landratsamt O. mit Bescheid vom 30. September 1992 ab. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Mit ihrer Klage strebt die Klägerin die (Rück-)Übertragung des Eigentums an dem Flurstück Nr. 1111 und die Feststellung ihrer Berechtigung auf den Erlös (abzüglich eines Teilbetrags) aus der Veräußerung des Flurstücks Nr. 1105/1 an. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausgeführt: Der jetzige Deutsche Beamtenbund sei nach § 2 Abs. 1 Satz 5 VermG Rechtsnachfolger der früheren Beamtenverbände der Weimarer Zeit, insbesondere des 1933 aufgelösten Deutschen Beamtenbundes. Dieser habe sein Vermögen zwangsweise an den Reichsbund abführen müssen; mit diesem Vermögen sei der Erwerb der beiden Grundstücke finanziert worden. Der Deutsche Beamtenbund sei 1933 von den Nationalsozialisten aus politischen Gründen verfolgt worden. Im April 1933 habe sich der zum Reichskommissar für die Beamtenorganisationen ernannte Nationalsozialist Sprenger unter Anwendung von Druck zum Vorsitzenden gemacht. Sein Nachfolger Neef habe sodann den Deutschen Beamtenbund ohne entsprechendes Votum der Mitglieder Ende 1933 aufgelöst.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Eine Verfolgung des Deutschen Beamtenbundes aus politischen oder weltanschaulichen Gründen im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG habe nicht stattgefunden. Der nationalsozialistische Staat sei lediglich bestrebt gewesen, die Beamten im Wege der Gleichschaltung organisatorisch in einer Einheitsorganisation zu erfassen und dem Einfluss der NSDAP zu unterstellen. Zwar möge die Leitung des Deutschen Beamtenbundes zwangsweise und „mit harter Hand” von Nationalsozialisten übernommen und möglicherweise auch sein Vermögen zwangsweise auf den Reichsbund der Deutschen Beamten übertragen worden sein. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass diese Maßnahmen das Ziel verfolgt hätten, den Deutschen Beamtenbund und seine Organisationen wegen einer politischen oder weltanschaulichen Gegnerschaft zu bekämpfen. Davon abgesehen scheitere der Anspruch der Klägerin auch daran, dass das Vermögensgesetz eine Erstreckung der Restitution auf Grundstücke, die erst mit dem entzogenen Vermögen erworben worden seien, nicht vorsehe.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche auf Rückübertragung und Erlösauskehr weiter. Sie macht geltend, das Verwaltungsgericht habe den Begriff der Verfolgung aus politischen oder weltanschaulichen Gründen im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG verkannt. Auch wenn Maßnahmen als „Gleichschaltung” ausgegeben worden seien, könnten sie den Verfolgungstatbestand erfüllen. Es komme allein darauf an, ob mit solchen Maßnahmen Verbände getroffen werden sollten, die von den Nationalsozialisten aus politischen oder weltanschaulichen Gründen als Gegner eingeschätzt worden seien. Dies sei beim Deutschen Beamtenbund der Fall gewesen, da die NSDAP diesen als gewerkschaftliche Organisation angesehen habe. Die im April 1933 auf nationalsozialistischen Druck erfolgte Ablösung des Vorstandes und die anschließende Übernahme der Leitung des Verbandes durch Nationalsozialisten mit dem Ziel der Auflösung seien ein typisches Anzeichen für eine Verfolgung. Diese zeige sich auch daran, dass die Auflösung im Oktober 1933 unter Bruch aller satzungsmäßigen Voraussetzungen erfolgt sei.
Der Beklagte und der Beigeladene verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts. Ergänzend weisen sie darauf hin, dass der Deutsche Beamtenbund auch nicht als gewerkschaftliche Interessenvertretung verfolgt worden sei; die Nationalsozialisten hätten den Deutschen Beamtenbund nicht mit anderen Gewerkschaften gleichgesetzt.
Der Oberbundesanwalt bejaht eine Verfolgung des Deutschen Beamtenbundes aus politischen und weltanschaulichen Gründen. Die Vertretung von Beamteninteressen gegenüber dem Dienstherrn sei von den Nationalsozialisten als eine feindselige, gegen ihre Weltanschauung gerichtete Tätigkeit verstanden worden. Ein Indiz für eine politische Verfolgung im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG sei die Nähe des Deutschen Beamtenbundes zu dem von den Nationalsozialisten bekämpften „Weimarer System”.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass der Klägerin die geltend gemachten Ansprüche nach dem Vermögensgesetz (VermG) nicht zustehen. Denn der frühere Deutsche Beamtenbund wurde nach dem 30. Januar 1933 nicht im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG aus politischen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt.
1. Nach § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG ist das Vermögensgesetz auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen entsprechend anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen verloren haben. Mit der Einfügung dieser Vorschrift wollte der Gesetzgeber in Anlehnung an die alliierten Rückerstattungsgesetze die Wiedergutmachung derjenigen Vermögensverluste nachholen, zu denen es während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft auf dem Gebiet der späteren DDR und des sowjetischen Sektors von Berlin gekommen war; dort hatte es bis zum In-Kraft-Treten des Vermögensgesetzes keine Wiedergutmachungsgesetzgebung gegeben, die den in den westlichen Besatzungszonen und in den westlichen Sektoren Berlins sowie später in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Gesetzen gleichwertig gewesen wäre (Beschluss vom 5. September 1997 – BVerwG 7 B 146.97 – Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 122 m.w.N.). Infolgedessen müssen bei der Auslegung der Vorschrift die alliierten Rückerstattungsregelungen und die dazu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden (BTDrucks 12/2944, S. 49).
Danach setzt eine Verfolgung aus politischen oder weltanschaulichen Gründen einen gezielten Zugriff auf den Betroffenen voraus, um ihn als politischen oder weltanschaulichen Gegner auszuschalten. Es muss sich um eine Maßnahme handeln, die ihren Grund darin hatte, dass der Verfolgte auf politischem oder weltanschaulichem Gebiet als ein Gegner der nationalsozialistischen Herrschaft, nationalsozialistischer Bestrebungen oder nationalsozialistischen Gedankenguts angesehen wurde (OLG Köln, RzW 1953, 44 und 141 ≪142≫; ORG Nürnberg, RzW 1956, 195 ≪196≫; ORG Rastatt, RzW 1959, 112 ≪113≫; BGH, RzW 1956, 360; BVerwG, Beschluss vom 5. September 1997 – BVerwG 7 B 146.97 –, a.a.O.; Beschlüsse vom 7. Mai 1999 – BVerwG 7 B 77.99 und 7 B 78.99 –). Die Beurteilung ist aus der Sicht der nationalsozialistischen Machthaber vorzunehmen.
Das gilt auch für Maßnahmen gegenüber Vereinigungen, die – wie der Deutsche Beamtenbund – die Berufs- und Standesinteressen der Beamten vertraten und damit zwangsläufig darauf angewiesen waren, im politischen Bereich zu handeln. Die Tätigkeit dieser Verbände entfaltete sich auf der Grundlage der Gewährleistungen der Weimarer Reichsverfassung, musste damit aber auch die durch diese Verfassung gezogenen Grenzen beachten. In diesem Sinne standen die Beamtenverbände notwendigerweise auf dem Boden der Verfassung; diese legitimierte sie nach Existenz und Zielsetzung. Eine hiermit einhergehende Abhängigkeit von dem, was in der verächtlich gemeinten Terminologie der NSDAP das „liberalistische System von Weimar” hieß, begründete jedoch für sich noch keine Gegnerschaft, die für die Nationalsozialisten Anlass zu einer politischen Verfolgung hätte sein können. Bekämpft wurde vielmehr das „System” als solches und damit seine Träger, Verteidiger und Befürworter, weil diese als ein beiseite zu räumendes Hindernis auf dem Wege zur Durchsetzung des nationalsozialistischen Totalitätsanspruchs wahrgenommen wurden. Als auszuschaltender politischer Gegner wurde demgemäß ein Verband dann angesehen, wenn von ihm nach Zielsetzung und Verhalten die Bereitschaft erwartet werden konnte, er werde in Krisenzeiten die verfassungsrechtliche Grundlage seiner Tätigkeit verteidigen und sich damit dem keine Einschränkung duldenden Herrschaftswillen des Nationalsozialismus widersetzen. Maßgeblich für diese Einschätzung ist insbesondere das Verhalten der Verbände im Krisenjahr 1932, als die Republik und ihre Verfassung in ihrem Fortbestand stark gefährdet waren. Dementsprechend stellte die mit der „Überwindung des Weimarer Systems” einhergehende Auflösung von Beamtenverbänden, die aus der Sicht des Nationalsozialismus nach der Machtübernahme ihre Existenzberechtigung verloren hatten, für sich gesehen noch keine politische Verfolgung dar, und zwar auch dann nicht, wenn die eingeleiteten oder durchgesetzten Maßnahmen unter Missachtung satzungsmäßiger Vorschriften oder durch Druck auf amtierende Vorstandsmitglieder erfolgten (OLG Köln, RzW 1953, 44; OLG Hamm, RzW 1953, 356; OLG Karlsruhe, RzW 1955, 80; ORG Rastadt, RzW 1959, 112 ≪113≫). Allerdings kann sich aus der Intensität des angewendeten Zwanges politische Verfolgung herleiten lassen.
2. Nach diesen Maßstäben ist eine Verfolgung des früheren Deutschen Beamtenbundes im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG zu verneinen. Er war im Jahr 1932 – entsprechend seinem Selbstverständnis – nicht als politischer Gegner des Nationalsozialismus in Erscheinung getreten. Entgegen der Auffassung der Klägerin und des Oberbundesanwalts machte ihn dazu aus der Sicht der Nationalsozialisten auch nicht die Wahrnehmung berufständischer, gewerkschaftlicher Interessen; seine Auflösung im April 1933 ließ überdies nach Vorbereitung und Durchführung keinen Zwang erkennen, der über eine bloße Gleichschaltung hinaus auf die Ausschaltung eines politischen Gegners gerichtet war.
Allerdings hat das Verwaltungsgericht die hierfür erforderlichen Feststellungen, insbesondere zum Auftreten des Deutschen Beamtenbundes im Jahr 1932, nicht getroffen. Dies hindert das Revisionsgericht aber nicht, seiner Entscheidung geschichtliche Tatsachen zugrunde zu legen, die in der Öffentlichkeit als feststehend erachtet werden oder sich aus allgemein zugänglichen Quellen ergeben (Beschluss vom 10. November 1995 – BVerwG 9 B 431.95 – Buchholz 412.3 § 6 BVFG Nr. 82 S. 76; Beschluss vom 3. Januar 1994 – BVerwG 9 B 634.93 –; vgl. auch BVerwGE 30, 225 ≪228≫; 54, 101 ≪107≫; Urteil vom 25. März 1971 – BVerwG 8 C 24.70 – Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 45).
Wie sich aus dem von der Klägerin vorgelegten „Zeitrechtshistorischen Gutachten” von Prof. Dr. Eckert vom 17. März 2000 ergibt, beschränkte sich der Deutsche Beamtenbund im Jahr 1932 darauf, Angriffen der Nationalsozialisten auf einzelne seiner Fachverbände entgegen zu treten; er vermied aber von seinem Verständnis der parteipolitischen Neutralität her jede – grundsätzliche – Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, die über die Wahrung der Verbandsinteressen hinausging (vgl. Gutachten Eckert, S. 56; ebenso Schütz, Zwischen Standesbewußtsein und gewerkschaftlicher Orientierung, Beamte und ihre Interessenverbände in der Weimarer Republik, Schriften der Hans-Böckler-Stiftung, Band 10, 1992, 304). So protestierte der Deutsche Beamtenbund sowohl gegen das von dem nationalsozialistischen Innenminister von Braunschweig, Klagges, am 19. Januar 1932 ausgesprochene Verbot der Mitgliedschaft im Landesverband der Polizeibeamten als auch gegen den von der NSDAP im Preußischen Landtag eingebrachten Antrag vom 3. Juni 1932 auf sofortige Auflösung des Verbandes Preußischer Polizeibeamten (Gutachten Eckert S. 62 bis 64). Ebenso legte der Deutsche Beamtenbund „schärfste Verwahrung” dagegen ein, dass die Regierung Oldenburgs, der Nationalsozialisten angehörten, die Beziehungen zum Landeskartell Oldenburg des Deutschen Beamtenbundes im September 1932 (zunächst) abbrach (Der Beamtenbund Nr. 73 vom 30. September 1932; Nr. 74 vom 4. Oktober 1932).
Dagegen unterließ der Deutsche Beamtenbund auch und gerade in der Zeit, als die Weimarer Republik unter den Angriffen der NSDAP zu zerbrechen begann, jede Äußerung, die in dieser Existenzkrise des Staates als Bekenntnis zu seinen verfassungsrechtlichen Grundlagen und gegen den Nationalsozialismus hätte verstanden werden können. Ausschlaggebend für diese Haltung war die in § 2 Abs. 1 der Satzung festgelegte parteipolitische Neutralität des Verbandes. Jedenfalls in dem hier maßgeblichen Zeitraum setzte der Deutsche Beamtenbund – auch mit Rücksicht auf einerseits bereits weitgehend nationalsozialistisch durchsetzte und andererseits sozialdemokratisch ausgerichtete Fachverbände – parteipolitische Neutralität mit dem Verzicht auf eine (allgemein-)politische Festlegung und sei es auch nur gegen den Nationalsozialismus gleich (vgl. Schütz, a.a.O. S. 244, auch S. 305 f., 310 und 351, der mit Blick auf die Unterstützung der Weimarer Republik deshalb eine völlige Handlungsunfähigkeit des Deutschen Beamtenbundes feststellt). Dies kommt in der Erklärung des wieder gewählten Vorsitzenden des Deutschen Beamtenbundes Flügel auf dem Bundestag im Oktober 1932 zum Ausdruck, dass „der Deutsche Beamtenbund … der NSDAP ebenso objektiv gegenüber(steht) wie jeder anderen politischen Partei” (Bericht über die Verhandlungen des 8. Bundestages des DBB, 1932, S. 86).
Dieses Verständnis von parteipolitischer Neutralität zeigte sich auch an der Haltung des Deutschen Beamtenbundes zu zwei wichtigen politischen Vorgängen des Jahres 1932. So nahm er anders als die der „Sozialen Arbeitsgemeinschaft im DBB” angehörenden Fachverbände und der Allgemeine Deutsche Beamtenbund, der noch 1932 eine Broschüre mit dem Titel „Der Nationalsozialismus, eine Gefahr für das Berufsbeamtentum” herausgab (von Hattenhauer, Geschichte des deutschen Beamtentums, 2. Aufl., 1993, 395 irrtümlich dem Deutschen Beamtenbund zugeschrieben, vgl. hierzu auch S. 429), von einer Stellungnahme gegen Hitler und für Hindenburg zur Reichspräsidentenwahl im Frühjahr 1932 Abstand, um seine Neutralität zu wahren. Die durch zwei Repräsentanten republikanisch gesinnter Fachverbände namens des Deutschen Beamtenbundes ohne Einvernehmen mit dessen Leitungsgremien und damit unautorisiert vorgenommene Unterzeichnung eines Aufrufs gemeinsam mit dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund gegen die Absetzung der Regierung in Preußen am 20. Juli 1932 führte zu erheblicher Kritik innerhalb des Deutschen Beamtenbundes und zu Auseinandersetzungen auf seinem 8. Bundestag am 27./28. Oktober 1932 (vgl. Bericht über die Verhandlungen des 8. Bundestages des DBB, 1932, S. 20 f., 32). Diese endeten mit einem Beschluss, der ein solches Verhalten künftig unmöglich machen sollte.
Für die Nationalsozialisten war die parteipolitische Neutralität, wie sie der Deutsche Beamtenbund verstand, deshalb kein Grund, diesen als politischen Gegner anzusehen, sondern vielmehr das „Mittel”, um eine offenere Haltung des Deutschen Beamtenbundes zur NSDAP einzufordern (vgl. Nationalsozialistische Beamtenzeitung Nr. 22 vom 20. November 1932, S. 323). Das Gutachten von Prof. Dr. Eckert (S. 60, 64 f.) beschreibt deshalb zu Recht das Verhältnis der Nationalsozialisten zum Allgemeinen Deutschen Beamtenbund als „offen feindlich”, zum Deutschen Beamtenbund aber (lediglich) als „gespannt”. Dementsprechend beschränkten sich die Nationalsozialisten – so das Fazit von Eckert – dem Deutschen Beamtenbund gegenüber darauf, vermeintliche Verletzungen der parteipolitischen Neutralität zu beanstanden, während sie dem Allgemeinen Deutschen Beamtenbund und auch einzelnen im Deutschen Beamtenbund organisierten Beamtenvereinigungen, wie namentlich denen der Polizeibeamten, mit offener politischer Feindschaft begegneten. Diese Verbände wurden wegen ihrer vermeintlichen Nähe zum „marxistischen System” Weimars bekämpft und sollten ausgelöscht werden.
Eine politische oder, wie der Oberbundesanwalt meint, weltanschauliche Gegnerschaft ergab sich auch nicht daraus, dass sich der Deutsche Beamtenbund als Vertreter der berufsständischen Interessen der Beamten verstand. Zwar war die Vertretung berufständischer Interessen durch unabhängige und dem Staat gegenüber stehende Verbände mit der nationalsozialistischen Ideologie einer Volksgemeinschaft unvereinbar, in der der Staat selbst für die Belange der Beamten und den Ausgleich der Interessen sorgte. Nach der Vorstellung der Nationalsozialisten ging diese Aufgabe der Beamtenverbände auf den Staat über und reduzierte sich die Zuständigkeit der Beamtenverbände und später des Reichsbundes der Deutschen Beamten vor allem auf die berufliche Fortbildung und soziale Selbsthilfeinrichtungen. Daher begründete die Vertretung berufsständischer Interessen für die Nationalsozialisten keine ernsthafte Gegnerschaft, sofern die Interessenvertretung nicht auf einer politischen oder weltanschaulichen Grundlage beruhte, aus der sich eine solche Gegnerschaft ergab (KG, RzW 1959, 455). Dies war beim Deutschen Beamtenbund nicht der Fall, weil von ihm – wie ausgeführt – keine Verteidigung der verfassungsrechtlichen Ordnung zu erwarten war, auf deren Grundlage die Vertretung der berufsständischen Interessen beruhte. Ein wesentlicher Unterschied zu anderen Interessenverbänden und Gewerkschaften bestand zudem darin, dass über das Disziplinarrecht und die durch das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 (RGBl I S. 175) ermöglichte Entlassung politisch unzuverlässiger Beamter für die Nationalsozialisten andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Führungspersonen der Beamtenverbände bestanden, als dies bei den freien Gewerkschaften der Fall war.
Ebenso wenig deuten die mit der Auflösung des Deutschen Beamtenbundes zusammenhängenden Vorgänge auf eine politische Verfolgung im Sinne der Ausschaltung eines politischen oder weltanschaulichen Gegners hin; dies hat bereits das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt. Die Umstände, die zum Rücktritt des Vorsitzenden Flügel führten, sind in dem vom Hauptgesellschafter der Klägerin herausgegebenen Band „Deutscher Beamtenbund – Ursprung Weg Ziel” (herausgegeben von der Bundesleitung des DBB ≪1968≫ S. I/90 und II/171) dahin geschildert worden, dass Ursache des Rücktritts die Kritik aus den eigenen Reihen war (vgl. auch Schütz, a.a.O. S. 324). Die Übernahme des Vorsitzes durch den Nationalsozialisten Sprenger erfolgte ebenfalls nicht aus Gründen politischer Verfolgung. Vielmehr sollte damit eine Plattform geschaffen werden, von der aus sich das angestrebte Ziel am besten verwirklichen ließ, die weit gefächerten Verbandsstrukturen im Bereich der Beamtenvereinigungen im Sinne einer noch zu schaffenden Einheitsorganisation umzubilden. Die Nationalsozialisten hätten hierzu schwerlich die Organisation eines Verbandes genutzt, der von ihnen als politischer Gegner angesehen und bekämpft worden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Unterschriften
Dr. Franßen, Gödel, Kley, Herbert, Neumann
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 22.02.2001 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 600600 |
BuW 2001, 744 |
BVerwGE, 68 |
DÖV 2001, 1046 |
NJ 2001, 438 |
DVBl. 2001, 1153 |