Entscheidungsstichwort (Thema)
Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung. Geltung. unmittelbar. Legehennen. Haltung. Käfig. immissionsschutzrechtliche Genehmigung. Baugenehmigung. Legebatterie. Altanlage. Tierhalter. Pflichten. Tierschutz. Bestandsschutz. Übergangsvorschriften. Inhalts- und Schrankenbestimmung. Verhältnismäßigkeit. Vertrauensschutz. Inländerdiskriminierung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung gilt unmittelbar auch für bereits zugelassene Anlagen zur Haltung von Legehennen. Eine Aufhebung bzw. Änderung der Genehmigung oder eine nachträgliche Anordnung sind zur Durchsetzung der Anforderungen der Verordnung nicht erforderlich.
2. Die Übergangsvorschriften in § 33 Abs. 4 TierSchNutztV verstoßen nicht zu Lasten der Anlagenbetreiber gegen höherrangiges Recht.
Normenkette
GG Art. 80 Abs. 1 S. 2, Art. 20a, 14 Abs. 1 S. 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3; BImSchG § 6 Abs. 1, § 13; TierSchG §§ 2, 2a, 16a; TierSchNutztV § 13 ff., §§ 26, 33 Abs. 4; Richtlinie 1999/74/EG Art. 5 Abs. 2, Art. 13 Abs. 2
Verfahrensgang
Niedersächsisches OVG (Urteil vom 18.12.2007; Aktenzeichen 11 LC 139/06) |
VG Oldenburg (Entscheidung vom 22.03.2006; Aktenzeichen 11 A 3585/05) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 18. Dezember 2007 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die verschärften Anforderungen an die artgerechte Haltung von Legehennen auch auf die Anlage der Klägerin unmittelbare Anwendung finden oder die Klägerin sich bis zu einer Aufhebung bzw. Änderung der Anlagengenehmigungen auf Bestandsschutz berufen kann.
Für den Betrieb der Legehennenanlage wurde der Rechtsvorgängerin der Klägerin am 23. März 1994 eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt. Im Juli 1998 zeigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Beklagten an, dass beabsichtigt sei, die Aufstallungsart zu ändern und fortan alle Legehennen in herkömmlichen Käfigen zu halten. Diese Nutzungsänderung wurde – nachdem der Beklagte festgestellt hatte, dass eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung nicht erforderlich sei – am 27. August 1998 baurechtlich genehmigt. Die Klägerin hat in den Umbau der Ställe 1998/1999 nach eigener Darstellung insgesamt ca. 2,5 Mill. DM investiert. Das seinerzeit aufgenommene Darlehen über 1,4 Mill. DM läuft nach ihren Angaben noch bis März 2011.
Bei Erteilung der Genehmigungen waren die Anforderungen an die Legehennenhaltung in der Verordnung zum Schutz von Legehennen bei Käfighaltung (Hennenhaltungsverordnung) vom 10. Dezember 1987 (BGBl I S. 2622) geregelt. Diese Verordnung hat das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/90 – (BVerfGE 101, 1ff.) für nichtig erklärt.
Das Gemeinschaftsrecht bestimmt in der Richtlinie 1999/74/EG (ABl EG Nr. L 203 S. 53) Mindestanforderungen zum Schutz von Legehennen. Die Haltung von Legehennen in herkömmlichen Käfigen ist danach bis zum 31. Dezember 2011 zulässig. U.a. zur Umsetzung dieser Richtlinie wurde am 28. Februar 2002 die Erste Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (BGBl I S. 1026 ff.) erlassen. Die Verordnung sah für Altanlagen in § 17 gestaffelte Übergangsvorschriften vor. Danach sollte die herkömmliche Käfighaltung ab 1. Januar 2007 verboten sein. Für die Legehennenhaltung in sog. ausgestalteten Käfigen war eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2011 vorgesehen.
Durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. August 2006 (BGBl I S. 1804) ist neben der Freiland- und der Bodenhaltung sowie der ökologischen Erzeugung die sog. Kleingruppenhaltung eingeführt worden. Zudem sind die Übergangsvorschriften geändert worden. Die Laufzeit für herkömmliche Käfiganlagen ist – unter bestimmten Voraussetzungen – bis zum 31. Dezember 2008 mit Verlängerungsoption bis zum 31. Dezember 2009 und für ausgestaltete Käfiganlagen bis zum 31. Dezember 2020 verlängert worden. Nach Inkrafttreten der Dritten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 30. November 2006 (BGBl I S. 2759) sind die für die Legehennenhaltung maßgeblichen Übergangsvorschriften nunmehr in § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV geregelt.
Die nach der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung einzuhaltenden Mindestanforderungen an Haltungseinrichtungen für Legehennen lassen eine Haltung in herkömmlichen Käfigen nicht mehr zu. Für eine Umrüstung ihrer Anlage auf die neuen Haltungsformen müsste die Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat mindestens 30 € je Tierplatz aufwenden. Vor diesem Hintergrund bemüht sie sich seit 2002 um Klärung, ob sie ihren Betrieb nach Ablauf der Übergangsfristen jedenfalls so lange in der bisherigen Form weiterführen darf, bis der Beklagte die Baugenehmigung vom 27. August 1998, hilfsweise die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23. März 1994, aufgehoben oder geändert hat.
Das Bauverwaltungsamt hat der Klägerin auf schriftliche Nachfrage mitgeteilt, dass ein teilweiser Widerruf der Baugenehmigung vom 27. August 1998 dort nicht für erforderlich gehalten werde, weil die Klägerin die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung unmittelbar befolgen müsse. Das Amt für Veterinärwesen und Lebensmittelüberwachung kündigte der Klägerin an, dass es sich bei der Überprüfung von Anlagen mangels Normverwerfungskompetenz an die gesetzlichen Tatbestände halten werde.
Die Klägerin hat daraufhin im Dezember 2002 zwei Feststellungsklagen gegen den Beklagten erhoben. Zum einen wollte sie festgestellt wissen, dass sie ihre Anlage nach dem 1. Januar 2003 und dem 1. Januar 2007 in der bisherigen Form weiter betreiben und der Beklagte dagegen nicht ordnungsbehördlich einschreiten dürfe. Diese Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 22. März 2006 (??) abgewiesen; im Sprungrevisionsverfahren (BVerwG 3 C 20.06) haben die Beteiligten das Verfahren nach Inkrafttreten der Zweiten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung vom 1. August 2006 in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Mit der weiteren Feststellungsklage begehrte die Klägerin die Feststellung, dass sie ihre Legehennenanlage bis zu einer Aufhebung der Baugenehmigung vom 27. August 1998 ohne Änderungen weiter betreiben darf. Auch diese Klage hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. März 2006 abgewiesen.
Die dagegen gerichtete Berufung hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 18. Dezember 2007 zurückgewiesen. Die Feststellungsklage sei zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin sei verpflichtet, die in der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geregelten Haltungsbedingungen für Legehennen nach Maßgabe der Übergangsfristen zu beachten. Die Bestandskraft der ihr erteilten Anlagengenehmigungen stehe dem nicht entgegen. Die Reichweite des Bestandsschutzes sei nicht an der Baugenehmigung vom 27. August 1998, sondern an der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23. März 1994 zu messen. Auf eine ursprünglich immissionsschutzrechtlich genehmigte, später unwesentlich geänderte Anlage fänden die immissionsschutzrechtlichen Anforderungen an genehmigungsbedürftige Anlagen Anwendung. Eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung vermittele keinen auf tierschutzrechtliche Fragen bezogenen Bestandsschutz, der sich gegenüber nachträglichen Rechtsänderungen durchsetze. Tierschutzrechtliche Anforderungen würden von der Konzentrationswirkung der Anlagengenehmigung mangels Erlaubnispflicht nicht erfasst. Die Genehmigung entfalte daher insoweit keine Bindungswirkung. Aus dem Inhalt der Genehmigungen vom 23. März 1994 und vom 27. August 1998 ergebe sich nichts anderes, weil darin auf tierschutzrechtliche Haltungsanforderungen nicht eingegangen werde.
Gegen dieses Urteil hat die Klägerin die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führt sie aus:
Das Oberverwaltungsgericht habe einen durch die Anlagengenehmigungen, insbesondere die Baugenehmigung vom 27. August 1998, vermittelten Bestandsschutz zu Unrecht verneint. Die bestandsschützende Wirkung einer Anlagengenehmigung hänge weder vom Ausmaß der Konzentrationswirkung nach § 13 BImSchG ab noch komme es darauf an, dass die Legehennenhaltung tierschutzrechtlich nicht genehmigungspflichtig sei.
Selbst wenn man nachträgliche Eingriffe in bestandskräftig genehmigte Anlagen für zulässig halten wolle, bedürfe es dafür nach Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG einer gesetzlichen Grundlage, an der es hier fehle. Der Verordnungsgeber werde in § 2a TierSchG nicht ermächtigt, auch Übergangsbestimmungen für Altanlagen vorzusehen.
Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.
Der Vertreter des Bundesinteresses tritt dem Vorbringen des Beklagten bei. Die tierschutzrechtlichen Regelungen zur Legehennenhaltung gehörten zwar zu den Genehmigungsvoraussetzungen, nicht aber zum Regelungsinhalt einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung. Die Klägerin könne sich daher nicht auf Bestandsschutz berufen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass sie ihre Legehennenanlage so lange unter Weiterverwendung der Käfiganlagen weiter betreiben darf, bis der Beklagte die Baugenehmigung vom 27. August 1998, hilfsweise die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23. März 1994, ganz oder teilweise aufgehoben hat. Die Genehmigungen vermitteln keinen Schutz vor nachträglichen Änderungen der tierschutzrechtlichen Anforderungen (1). Die Vorschriften der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung zur Legehennenhaltung finden nach Maßgabe der Übergangsregelungen auch auf Altanlagen unmittelbar Anwendung (2). Die Übergangsvorschriften in § 33 Abs. 4 TierSchNutztV verstoßen nicht zu Lasten der Legehennenhalter gegen höherrangiges Recht (3).
1. Die Baugenehmigung vom 27. August 1998 vermittelt entgegen der Auffassung der Klägerin keinen weitergehenden Bestandsschutz als die immissionsschutzrechtliche Genehmigung vom 23. März 1994. Es macht keinen Unterschied, ob die Baugenehmigung für eine genehmigungsbedürftige Anlage von der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung eingeschlossen wird (§ 13 BImSchG) oder aber für bauliche Änderungen an einer immissionsschutzrechtlich genehmigten Anlage mangels Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 BImSchG eine selbstständige Baugenehmigung erteilt wird. In beiden Fällen wird der baurechtliche Bestandsschutz durch den immissionsschutzrechtlichen Bestandsschutz überlagert und eingeschränkt. Dasselbe gilt auch für immissionsschutzrechtlich nicht genehmigungsbedürftige Anlagen im Sinne von § 22 Abs. 1 BImSchG. Auch diese unterstehen dem Regime des Bundesimmissionsschutzgesetzes, das gegenüber dem Baurecht nicht mehr, sondern weniger Bestandsschutz gewährt (vgl. Sendler, Bestandsschutz im Wirtschaftsleben, WiVerw 1993, 236, 273). Zur Reichweite des immissionsschutzrechtlichen Bestandsschutzes hat der Senat in seinem Urteil vom 23. Oktober 2008 – 7 C 48.07 – folgendes ausgeführt:
“Nach § 6 Abs. 1 BImSchG ist die immissionsschutzrechtliche Genehmigung zu erteilen, wenn sichergestellt ist, dass die sich aus § 5 und einer aufgrund des § 7 erlassenen Rechtsverordnung ergebenden Pflichten erfüllt werden (Nr. 1), und andere öffentlich-rechtliche Vorschriften und Belange des Arbeitsschutzes der Errichtung und dem Betrieb der Anlage nicht entgegenstehen (Nr. 2). Zu den öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG gehören auch die anlagenbezogenen Vorschriften des Tierschutzrechts.
Die immissionsschutzrechtliche Genehmigung, die kein Dauerverwaltungsakt ist (Beschluss vom 11. Januar 1991 – BVerwG 7 B 102.90 – Buchholz 406.25 § 4 BImSchG Nr. 5), bewirkt zweierlei: Zum einen gestattet sie die Errichtung und den Betrieb der genehmigten Anlage. Zum anderen stellt sie fest, dass die Anlage mit den zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften vereinbar ist. Es kann offenbleiben, wie weit die Feststellungswirkung der Genehmigung im Einzelnen reicht. Aufgrund der Anknüpfung der Feststellungswirkung an den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung kann sie sich jedenfalls nicht auf nachträgliche Rechtsänderungen erstrecken. Nachträglichen Rechtsänderungen kann daher nicht mit dem Einwand begegnet werden, in einen als rechtmäßig festgestellten Bestand dürfe nicht eingegriffen werden (vgl. Sendler, Bestandsschutz im Wirtschaftsleben WiVerw 1993, 236, 279). Im Immissionsschutzrecht gibt es danach keinen Grundsatz, dass dem Betreiber eingeräumte Rechtspositionen trotz Rechtsänderungen zu belassen sind und nur gegen Entschädigung entzogen werden dürfen (Urteil vom 30. Juni 2005 – BVerwG 7 C 26.04 – BVerwGE 124, 47 ≪61≫ = Buchholz 451.91 EuropUmweltR Nr. 19). Daraus folgt zugleich, dass es bei nachträglichen Rechtsänderungen weder auf den Genehmigungsinhalt noch darauf ankommt, ob der Genehmigung Nebenbestimmungen zur Einhaltung der im Genehmigungszeitpunkt geltenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften beigefügt waren. Maßgeblich ist allein, ob die Verpflichtung, die Anlage nachträglichen Rechtsänderungen anzupassen, auf einer gesetzlichen Grundlage beruht und in ihrer konkreten Ausgestaltung verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt.
Im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 1 BImSchG folgt die Anpassungspflicht an nachträgliche Rechtsänderungen schon aus der dynamischen Natur der Betreiberpflichten im Sinne von § 5 BImSchG. Zu ihrer Umsetzung dienen die §§ 7, 17, 20 und 21 BImSchG.
Dass das Bundesimmissionsschutzgesetz für Rechtsänderungen im Bereich der öffentlich-rechtlichen Vorschriften im Sinne von § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG weder eine ausdrückliche Anpassungspflicht bestimmt noch spezielle Ermächtigungsgrundlagen für die Umsetzung nachträglicher Änderungen vorsieht, rechtfertigt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht den Schluss, dass die Anlagen insoweit größeren Schutz genießen als im Bereich der dynamischen Betreiberpflichten. Die Verpflichtung zu nachträglichen Änderungen beurteilt sich im Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 Nr. 2 BImSchG vielmehr nach dem jeweils einschlägigen Fachrecht, hier also den tierschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere den §§ 2, 2a TierSchG und den Regelungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung.”
Diese Erwägungen finden aufgrund der Überlagerung des baurechtlichen Bestandsschutzes durch den eingeschränkten immissionsschutzrechtlichen Bestandsschutz auch auf den hier zu entscheidenden Fall uneingeschränkt Anwendung.
bb) Die Anpassung bestehender Anlagen an nachträgliche Rechtsänderungen kann entweder im Wege einer konkretisierenden behördlichen Anordnung oder durch eine unmittelbar anwendbare, hinreichend konkrete Rechtsvorschrift erfolgen.
Für die Umsetzung der (verschärften) tierschutzrechtlichen Anforderungen an die Haltung von Legehennen hat der Gesetzgeber den Weg über eine unmittelbar geltende Verordnung beschritten. Aus Wortlaut und Regelungszweck der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung geht eindeutig hervor, dass sie die Pflichten der Betreiber von Haltungsanlagen für Legehennen zu Erwerbszwecken und die Anforderungen an die Haltungseinrichtungen unmittelbar gestaltet. Die Verordnung richtet sich unmittelbar an die Halter von Nutztieren (§ 4 TierSchNutztV) und bestimmt konkrete Haltungsvoraussetzungen und anlagenbezogene Anforderungen (§§ 3, 13 bis 14 TierSchNutztV). Sie begründet Ordnungswidrigkeitentatbestände, die voraussetzen, dass die im Einzelnen aufgeführten Gebote und Verbote der Verordnung unmittelbare Wirkung entfalten (§ 26 TierSchNutztV). Zudem enthält sie Übergangsvorschriften, die aus der unmittelbaren Geltung der Verordnung entstehende Härten für zugelassene Haltungseinrichtungen nach Maßgabe gestufter Regelungen abmildern sollen (§ 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV).
Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung wirkt damit unmittelbar auf die Rechtsposition der Betreiber bereits zugelassener Anlagen zur Haltung von Legehennen ein. Eine Aufhebung oder Änderung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung vom 23. März 1994 und/oder der Baugenehmigung vom 27. August 1998 bzw. eine nachträgliche Anordnung sind zur Durchsetzung der Anforderungen der Verordnung daher nicht erforderlich. Sollten diese Anforderungen nicht beachtet werden, ist es Aufgabe der Tierschutzbehörde, die notwendigen Anordnungen zu treffen (§ 16a Satz 1 TierSchG).
2. Die durch die unmittelbare wirkende Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung begründete Anpassungspflicht für Altanlagen bewegt sich im Rahmen des verfassungsrechtlich Zulässigen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin bedurfte es in § 2a Abs. 1 TierSchG keiner ausdrücklichen Ermächtigung an den Verordnungsgeber, auch Übergangsvorschriften für Altanlagen zu regeln. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG verlangt nicht, dass der Gesetzgeber Ermächtigungen zum Erlass von rückwirkenden Verordnungen oder Übergangsregelungen ausdrücklich erteilt. Es reicht aus, wenn sich die Ermächtigung dazu aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes ergibt (BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 1977 – 2 BvR 499/74, 2 BvR 1042/75 – BVerfGE 45, 142 ff.). Dies trifft auf § 2a TierSchG zu.
Sinn und Zweck der Verordnungsermächtigung in § 2a TierSchG ist es, eine am Maßstab der Gebots- und Verbotstatbestände des § 2 TierSchG ausgerichtete tierschutzgerechte Haltung sicherzustellen. Die Verordnungsgewalt des § 2a Abs. 1 TierSchG reicht so weit, wie dies “zum Schutz der Tiere erforderlich ist”. Innerhalb des dem Verordnungsgeber dadurch zuwachsenden Regelungsermessens ist daher jede tierschutzrechtliche Normierung zulässig, die die Grundrechte der Tierhalter nicht unverhältnismäßig einschränkt. Für den Verordnungsgeber ist damit ein hinreichend bestimmter Regelungsrahmen abgesteckt, innerhalb dessen er einen Ausgleich zwischen den Belangen des Tierschutzes und den rechtlich geschützten Interessen von Tierhaltern durch untergesetzliche Bestimmungen erreichen soll (BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 – 2 BvF 3/90 – a.a.O., S. 31 ff.).
Dieser Verordnungszweck legt es nahe, die im Lichte gewonnener Erfahrungen und wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie gewandelter Auffassungen über den angemessenen Umgang mit (Nutz-)Tieren verschärften Haltungsanforderungen so schnell wie möglich zur Geltung zu bringen, um den ethisch begründeten Tierschutz zu befördern. Dieses Ziel würde verfehlt, wenn Altanlagen dem verschärften Rechtsregime nicht unterworfen würden. Überdies verpflichtete auch die Richtlinie 1999/74/EG zu einer Regelung für Altanlagen (vgl. Art. 5 Abs. 2).
Der Gesetzgeber war auch im Hinblick auf den Parlamentsvorbehalt weder wegen der Eigenart des zu regelnden Sachbereichs noch der berührten Grundrechte verpflichtet, den gesamten Sachbereich einschließlich der Übergangsregelungen für Altanlagen selbst zu regeln. Die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs, insbesondere der ungesicherte Erkenntnisstand im Bereich des ethologischen Tierschutzes, legte es im Gegenteil nahe, von einer detaillierten gesetzlichen Regelung abzusehen und die nähere Ausgestaltung dem Verordnungsgeber zu überlassen, der die Regelungen rascher und einfacher dem neuesten Stand der Erkenntnisse im ethologischen Bereich anpassen kann (BVerfG, Urteil vom 6. Juli 1999 a.a.O. S. 34 f.).
Die Übergangsvorschriften in § 33 Abs. 4 TierSchNutztV verstoßen nicht gegen die Grundrechte der Anlagenbetreiber aus Art. 14 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GG.
Die Neuregelung der Anforderungen an die Haltung von Legehennen und die damit einhergehende nähere Ausgestaltung des Bestandsschutzes ist eine zulässige, insbesondere verhältnismäßige Inhalts- und Schrankenbestimmung im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG.
Substanzielle Zweifel an der Eignung und der Erforderlichkeit der neuen Haltungsanforderungen sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Der Normgeber verfügt bei der Beurteilung von Eignung und Erforderlichkeit der von ihm für die Durchsetzung seiner Regelungsziele gewählten Mittel über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum, der von der Eigenart des in Rede stehenden Sachgebiets abhängt. Je gewichtiger das gefährdete Rechtsgut desto geringer sind die Anforderungen an die Sicherheit der Prognose. Daran gemessen reicht es angesichts der verfassungsrechtlichen Verankerung des Tierschutzes als Staatszielbestimmung in Art. 20a GG aus, dass die neuen Anforderungen an die Legehennenhaltung, deren Erforderlichkeit außer Zweifel steht, jedenfalls nicht offensichtlich ungeeignet erscheinen.
Die zur Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes getroffenen Übergangsregelungen sind angemessen. Weder der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit noch das Gebot des Vertrauensschutzes verpflichten zu einer Übergangsregelung, die jedem Betroffenen die Fortsetzung einer früheren Tätigkeit ohne Rücksicht auf deren Umfang gestattet. Auch ein Recht darauf, von Neuregelungen verschont zu bleiben, bis einmal getätigte Investitionen sich vollständig amortisiert haben, besteht nicht (BVerfG, Beschluss vom 28. November 1984 – 1 BvL 13/81 – BVerfGE 68, 272 ≪287≫). Der Verordnungsgeber muss auch nicht jedem Einzelfall und jeder konkreten Disposition Rechnung tragen. Vielmehr ist er auch bei Übergangsregelungen befugt, zu typisieren und von untypischen Ausnahmefällen abzusehen (BVerfG, Beschluss vom 5. Mai 1987 – 1 BvR 724/81 u.a. – BVerfGE 75, 246 ≪282≫).
Daran gemessen hat der Verordnungsgeber die Grenze zulässiger Typisierung bei der Bemessung der Übergangsfristen für Altanlagen nicht überschritten. Die in § 33 Abs. 4 TierSchNutztV für die herkömmliche Käfighaltung vorgesehene Übergangsfrist bis 31. Dezember 2008 gibt den Anlagenbetreibern ausreichend Gelegenheit, sich auf die neuen Regelungen einzustellen. Ausweislich der Begründung zur Ersten Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (BRDrucks 429/01 S. 11 bis 14) hat der Verordnungsgeber sich bei der Bemessung der Übergangsfristen sowohl vom Zweck der Ermächtigung in § 2a TierSchG leiten lassen als auch die rechtlich geschützten Interessen der von der Neuregelung der Legehennenhaltung betroffenen Tierhalter im Auge gehabt. Die zwischen der herkömmlichen Käfighaltung und der Haltung in ausgestalteten Käfigen differenzierenden Übergangsfristen in § 33 Abs. 3 und 4 TierSchNutztV tragen den Interessen der Anlagenbetreiber angemessen Rechnung. Ungeachtet der Frage, ob die Anlagenbetreiber angesichts der jahrzehntelangen Diskussionen über die herkömmliche Käfighaltung von Legehennen überhaupt ein schutzwürdiges Vertrauen auf deren Fortbestand entwickeln konnten, stand jedenfalls seit Erlass der Richtlinie 1999/74/EG vom 19. Juli 1999 (ABl EG Nr. L 203 S. 53) fest, dass diese Form der Legehennenhaltung längstens bis zum 31. Dezember 2011 zulässig sein würde (Art. 5 Abs. 2). Überdies mussten die Anlagenbetreiber seither auch damit rechnen, dass der nationale Gesetzgeber gestützt auf Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie noch strengere (Übergangs-)Vorschriften erlässt.
Der Einwand der Klägerin, die Grenze zulässiger Typisierung sei jedenfalls deshalb überschritten, weil es an einer Härtefallregelung für die besonders stark, teilweise existenzgefährdend betroffenen Betriebe in den neuen Ländern fehle, führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, dass die Übergangsfrist für die herkömmliche Käfighaltung durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung im August 2006 zu Gunsten der Anlagenbetreiber vom 31. Dezember 2006 bis zum 31. Dezember 2008 verlängert worden ist, findet sich die von der Klägerin vermisste Härtefallregelung in § 33 Abs. 4 Satz 3 TierSchNutztV. Nach dieser Vorschrift kann die zuständige Behörde abweichend von Satz 1 auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen eine weitere Nutzung um bis zu einem Jahr, d.h. bis zum 31. Dezember 2009 genehmigen. Summa summarum beträgt die Übergangsfrist für die herkömmliche Käfighaltung damit vom Zeitpunkt des Erlasses der Richtlinie 1999/74/EG an gerechnet mehr als zehn Jahre. Damit sind auch die Interessen der Anlagenbetreiber in den neuen Ländern, die ihre Anlagen in den 90er Jahren auf den bundesdeutschen Standard umgerüstet haben, angemessen berücksichtigt.
Das Grundrecht der Berufsfreiheit ist ebenfalls nicht verletzt. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet keinen Anspruch auf Sicherung künftiger Erwerbsmöglichkeiten. Vielmehr unterliegen die Wettbewerbspositionen und damit auch der Umsatz und die Erträge dem Risiko laufender Veränderungen je nach den Marktverhältnissen (BVerfG, Urteil vom 17. Dezember 2002 – 1 BvL 28, 29, 30/95 – BVerfGE 106, 275 ≪299≫). Soweit mit den Regelungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung Beschränkungen der Berufsausübungsfreiheit einhergehen, dienen sie vernünftigen Zwecken des Gemeinwohls. Dazu gehören auch die Erfordernisse des ethisch begründeten Tierschutzes, der – wie sich schon aus Art. 20a GG ergibt – zu den wichtigen Gemeinschaftsgütern zählt.
Die in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit sind ebenfalls nicht verletzt. Sie genießen nur in den Fällen echter Rückwirkung generellen Vorrang vor dem jeweils verfolgten gesetzgeberischen Anliegen. Die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung greift aber nicht gestaltend in einen in der Vergangenheit liegenden (abgeschlossenen) Sachverhalt ein, sondern knüpft lediglich im Sinne einer unechten Rückwirkung tatbestandlich an Ereignisse vor ihrem Inkrafttreten an.
Der Umstand, dass die Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung kürzere Übergangsvorschriften vorsieht als die Richtlinie 1999/74/EG, die die herkömmliche Käfighaltung bis Ende 2011 erlaubt, stellt keine unzulässige Inländerdiskriminierung dar. Der Verordnungsgeber hat insoweit von der in Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 1999/74/EG vom 19. Juli 1999 eröffneten Möglichkeit, zum Schutz von Legehennen strengere Vorschriften beizubehalten oder anzuwenden, in verfassungsgemäßer Weise Gebrauch gemacht. Dabei versteht sich von selbst, dass strengere Vorschriften im Sinne von Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie auch kürzere Übergangsfristen sein können.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Sailer, Krauß, Neumann, Guttenberger, Schipper
Fundstellen
NuR 2009, 46 |
DVBl. 2009, 132 |
UPR 2009, 64 |