Verfahrensgang
OVG für das Land Brandenburg (Urteil vom 03.11.2004; Aktenzeichen 3 A 449/01) |
VG Cottbus (Urteil vom 28.02.2001) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 3. November 2004 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung, mit der ihr die Umnutzung einer Getränkelagerfläche in einen Teil der Verkaufsfläche untersagt worden ist.
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks in Doberlug-Kirchhain, auf dem ein Selbstbedienungs-Lebensmittelmarkt betrieben wird. Ein Bebauungsplan besteht nicht. Am 15. März 1996 wurde ihr die Baugenehmigung erteilt. Danach umfasste der Betrieb u.a. einen Verkaufsraum (549,76 m(2)), das Getränkelager (147,02 m(2)), die Kassenzone (52,00 m(2)), eine Verkehrsfläche und Entsorgungszone (39,65 m(2)), einen in den Markt integrierten Thekenbereich (33,78 m(2)), einen Backshop (23,83 m(2)), einen Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren (69,03 m(2)) sowie einen gemeinsamen Windfang (23,01 m(2)). Bei einer Ortsbesichtigung am 9. August 1996 stellten Mitarbeiter des Beklagten fest, dass das Getränkelager als Verkaufsfläche genutzt wurde. Ein Antrag auf Nutzungsänderung wurde am 5. Dezember 1996 abgelehnt. Am 15. Januar 1997 erließ der Beklagte gegenüber der Klägerin eine entsprechende Nutzungsuntersagungsverfügung. Der hiergegen gerichtete Widerspruch und die Klage beim Verwaltungsgericht Cottbus blieben ohne Erfolg.
Mit Urteil vom 3. November 2004 – OVG 3 A 449/01 – hat das Oberverwaltungsgericht für das Land Brandenburg die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Nutzungsuntersagungsverfügung sei rechtmäßig. Auch die Würdigung des Beklagten, wonach die Nutzungsänderung nicht genehmigungsfähig sei, sei zutreffend. Die Zulässigkeit des streitigen Vorhabens könne sich allein nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB richten, da das Vorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes, aber innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liege und die Eigenart der näheren Umgebung nicht einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspreche. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB sei jedoch gemäß § 246 Abs. 7 BauGB in Verbindung mit § 3 des Brandenburgischen Gesetzes zur Durchführung des Baugesetzbuches (BbgBauGBDG) vom 10. Juni 1998 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO anzuwenden. Das Vorhaben der Klägerin sei ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb. Bei der Bestimmung der Großflächigkeit sei von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 19.85 – (NVwZ 1987, 1076 = BRS 47 Nr. 56) und im Beschluss vom 22. Juli 2004 – BVerwG 4 B 29.04 – (ZfBR 2004, 699 = Buchholz 406.12 § 11 BauNVO Nr. 28) auszugehen. Zur Verkaufsfläche sei grundsätzlich all das zu zählen, was nicht Lager, sondern dazu bestimmt sei, Kunden sich dort mit dem Ziel aufhalten zu lassen, Verkaufsabschlüsse zu fördern. Einzubeziehen seien auch Bereiche, in die die Kunden aus Sicherheitsgründen (Kassen) oder solchen der Hygiene (Verkaufsstände für Fleisch, Fisch, Geflügel, Wurst) nicht eintreten dürften. Unter bestimmten Voraussetzungen seien die Verkaufsflächen benachbarter, bautechnisch selbstständiger Einzelhandelsbetriebe zusammenzurechnen. Stünden mehrere Einzelhandelsbetriebe in einem so engen räumlichen und funktionellen Zusammenhang, dass eine Umgehung des § 11 Abs. 3 BauNVO offensichtlich sei, erscheine es gerechtfertigt, diese Betriebe in ihrer Gesamtheit wie einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb zu beurteilen. Die vom Verordnungsgeber mit § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BauNVO vorausgesetzte Abgrenzung zwischen Einkaufszentren und großflächigen Einzelhandelsbetrieben werde dadurch nicht ausgehöhlt. Für die Frage, wann von einer Funktionseinheit auszugehen sei, bedürfe es einer differenzierenden Bewertung unter Berücksichtigung verschiedener baulicher und betrieblicher Gesichtspunkte. Erforderlich sei eine für den Kunden erkennbare wechselseitige Nutzung betrieblicher Kapazitäten. Daneben sei ein gemeinsames Nutzungskonzept zu verlangen, aufgrund dessen die Betriebe wechselseitig voneinander profitierten und das die Betriebe als gemeinschaftlich verbundene Teilnehmer am Wettbewerb erscheinen lasse. Für eine Funktionseinheit spreche es, wenn die Sortimente auf eine konkrete identische Zielgruppe hin orientiert seien und sich derart ergänzten, dass der Synergieeffekt eines gemeinsamen Standortes genutzt werden könne. Bei der gebotenen Einbeziehung des Backshops und des Ladens für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren werde die Grenze zur Großflächigkeit überschritten. Die baulichen Gegebenheiten sprächen insoweit eindeutig für eine Funktionseinheit. Die Betriebe befänden sich nicht nur auf einem einheitlichen Grundstück, sondern innerhalb desselben Gebäudes. Zufahrt und Stellplätze würden gemeinsam genutzt. Das Merkmal eines gemeinsamen Nutzungskonzepts sei ebenfalls erfüllt. Die Sortimente seien auf eine identische Zielgruppe hin orientiert und optimal aufeinander abgestimmt, da es sich jeweils um Waren des täglichen Bedarfs handele. Aus der maßgeblichen Sicht der Kunden bestehe nicht nur eine beziehungslose Aneinanderreihung selbstständiger Läden, sondern Backshop und der Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren erschienen als dem Lebensmittelmarkt funktionell zugeordnet.
Auch das Außer-Kraft-Treten des § 3 BbgBauGBDG zum 31. Dezember 2004 führe zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Die Voraussetzungen einer Zulassung des Vorhabens nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB lägen nicht vor. Die Vergrößerung der Verkaufsfläche um ca. 20 % führe nach der Lebenserfahrung zu einer weiteren Verstärkung des Zu- und Abgangsverkehrs und damit zu einer höheren Belastung der umliegenden Wohnbebauung. Dies rechtfertige die Annahme, dass das den Rahmen der Umgebungsbebauung ohnehin schon überschreitende Vorhaben der Klägerin sich nicht harmonisch in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge. Darüber hinaus würden bodenrechtlich beachtliche, bewältigungsbedürftige Spannungen ausgelöst, weil im Hinblick auf eine damit verbundene Vorbildwirkung die städtebauliche Situation negativ in Bewegung gebracht werde.
Die Klägerin hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Zur Begründung führt sie aus, bei dem Vorhaben handele es sich nicht um einen großflächigen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO. Bei der Bestimmung der Verkaufsfläche seien solche Bereiche nicht zu berücksichtigen, die die Kunden nicht betreten dürften. Eine Zusammenrechnung von Verkaufsflächen mehrerer Betriebe entspreche nicht dem Willen des Verordnungsgebers. Eine bauliche und organisatorische Funktionseinheit genüge nicht, um eine solche Zusammenrechnung zu rechtfertigen. Eine gemeinsame Zufahrt und die Nutzung gemeinsamer Stellplätze seien für jede größere Ansammlung von Einzelhandelsbetrieben bezeichnend. Dasselbe gelte hinsichtlich des Merkmals eines gemeinsamen Nutzungskonzepts. Auch das Abstellen auf ein “abgestimmtes Vorgehen verschiedener Betreiber” verwische die Grenze zur “normalen Ladenzeile”. Ebenso wenig könne der vom Berufungsgericht angenommene Synergieeffekt sich ergänzender Sortimente ein Indiz für die Großflächigkeit mehrerer selbstständiger Einzelhandelsbetriebe sein. Der Backshop und der Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren seien eigenständig lebensfähig. Das Vorhaben sei ferner nicht geeignet, bodenrechtlich beachtliche, bewältigungsbedürftige Spannungen zu begründen oder zu erhöhen. Die Belastung durch den Verkehrslärm werde sich nicht erhöhen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Brandenburg vom 3. November 2004 und des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 28. Februar 2001 zu ändern sowie die Bescheide des Beklagten vom 15. Januar 1997 und 5. Februar 1998 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Das Berufungsurteil verstößt nicht gegen Bundesrecht. Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass mit der Einbeziehung des Getränkelagers in die Verkaufsfläche ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb entsteht. Ein solcher war zum Zeitpunkt der Entscheidung des Berufungsgerichts nach § 246 Abs. 7 BauGB in Verbindung mit § 3 des Brandenburgischen Gesetzes zur Durchführung des Baugesetzbuches (BbgBauGBDG) im unbeplanten Innenbereich gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht zulässig (1.). Eine Genehmigung kommt nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch für die seit dem 1. Januar 2005 geltende Rechtslage nicht in Betracht (2.).
1.1 Nach § 246 Abs. 7 BauGB konnten die Länder bestimmen, dass § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB bis zum 31. Dezember 2004 nicht für Einkaufszentren, großflächige Einzelhandelsbetriebe und sonstige großflächige Handelsbetriebe im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO anzuwenden ist. Von dieser Möglichkeit hat das Land Brandenburg in § 3 des Brandenburgischen Gesetzes zur Durchführung des Baugesetzbuches (BbgBauGBDG) vom 10. Juni 1998 (GVBl I S. 126) Gebrauch gemacht. Diese Regelungen standen der Erteilung einer Baugenehmigung zu dem für das Oberverwaltungsgericht maßgeblichen Zeitpunkt seiner mündlichen Verhandlung entgegen. Da das Vorhaben nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplanes (§ 30 Abs. 1 BauGB), aber innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegt (§ 34 Abs. 1 BauGB) und die Eigenart der näheren Umgebung nicht einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (§ 34 Abs. 2 BauGB), hätte es bauplanungsrechtlich nur gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB zulässig sein können.
1.2 Das Oberverwaltungsgericht ist zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, dass mit der Einbeziehung des Getränkelagers in die Verkaufsfläche ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO entsteht.
Einzelhandelsbetriebe sind großflächig im Sinne von § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO, wenn sie eine Verkaufsfläche von 800 m(2) überschreiten. Dies hat der Senat in seinem Urteil vom 24. November 2005 – BVerwG 4 C 10.04 – (zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen) näher dargelegt.
1.3 Mit der Umwandlung der als Getränkelager genehmigten Fläche in Verkaufsfläche ist diese in die Berechnung der Verkaufsfläche einzubeziehen. Dies stellt auch die Klägerin nicht in Frage. In die Verkaufsfläche einzubeziehen sind auch die “Kassenzone”, also der Bereich, in dem sich die Kassen und die Durchgänge befinden, und die Fläche, die vorliegend mit “Verkehrsfläche und Entsorgungszone” bezeichnet wird und von den Kunden vor dem Betreten des abgetrennten Verkaufsbereichs sowie nach Verlassen der Kasse durchlaufen wird. Denn auch sie prägen in städtebaulicher Hinsicht die Attraktivität und Wettbewerbsfähigkeit des Betriebs. Dies wird deutlich, wenn man die Verkaufsform der Selbstbedienung und die der Bedienung durch Personal (sowie die hierzu bestehenden Mischformen) vergleichend betrachtet. Denn insbesondere der räumliche Bereich vor der Zugangsschranke und hinter den Kassen erscheint beim System der Selbstbedienung nur wegen der Besonderheiten dieser Verkaufsform als abtrennbar. Der Kunde geht durch eine Schranke, um den Selbstbedienungsbereich betreten zu können. Nachdem er bezahlt und den Kassenbereich durchschritten hat, betritt er eine Fläche, in der er die Waren einpacken, Verpackungsmittel entsorgen und sich zum Ausgang begeben kann. In einem Laden, in dem er herkömmlich bedient wird, besteht eine derartige räumliche Abtrennung nicht. Auf die Frage, an welcher Stelle der Kauf im Sinne des Zivilrechts abgeschlossen ist, kommt es aus städtebaulicher Sicht nicht an. Zur Verkaufsfläche sind auch diejenigen Bereiche innerhalb eines Selbstbedienungsladens zu zählen, die vom Kunden zwar aus betrieblichen und hygienischen Gründen nicht betreten werden dürfen, in denen aber die Ware für ihn sichtbar ausliegt (Käse-, Fleisch- und Wursttheke etc.) und in dem das Personal die Ware zerkleinert, abwiegt und abpackt. Insoweit handelt es sich um einen Bereich, der bei einem reinen Bedienungsladen herkömmlicher Art ebenfalls der Verkaufsfläche zuzurechnen wäre. Davon zu unterscheiden sind diejenigen Flächen, auf denen für den Kunden nicht sichtbar die handwerkliche und sonstige Vorbereitung (Portionierung etc.) erfolgt, sowie die (reinen) Lagerflächen.
Bereits nach diesen Grundsätzen ist hier ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb anzunehmen. Denn mit dem ursprünglich genehmigten Verkaufsraum (549,76 m(2)), dem einzubeziehenden früheren Getränkelager (147,02 m(2)), der Theke (33,78 m(2)), der Kassenzone (52,00 m(2)) sowie dem Bereich “Verkehrsfläche und Entsorgungszone” (39,65 m(2)) wird die maßgebliche Schwelle von 800 m(2) um 22,21 m(2) überschritten.
1.4 Im Ergebnis zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht auch die Flächen für den Backshop (23,83 m(2)), den Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren (69,03 m(2)) sowie den von allen drei Bereichen gemeinsam genutzten Windfang (23,01 m(2)) einbezogen. Denn der Backshop sowie der Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren bilden mit dem Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb eine betriebliche Einheit und sind daher mit ihm zusammen als ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO anzusehen.
Der Senat ist bereits in seinem Urteil vom 22. Mai 1987 – BVerwG 4 C 77.84 – (Buchholz 406.12 § 1 BauNVO Nr. 5 = ZfBR 1987, 251 ≪insoweit in BVerwGE 77, 317 nicht abgedruckt≫) davon ausgegangen, dass ein Vorhaben die Errichtung eines als Einheit zu betrachtenden Betriebes zum Gegenstand haben kann. Er hat erwogen, dass das seinerzeit umstrittene Vorhaben “in Wahrheit nur einen Betrieb darstellen” könne, weil es zwar zwei räumlich getrennte Baukörper umfasste, aber aufgrund eines Bauantrages eines Grundstückseigentümers auf einem Grundstück gleichzeitig und mit aufeinander abgestimmten Sortimenten in den beiden Märkten verwirklicht werden sollte. Er hat andererseits im Urteil vom 4. Mai 1988 – BVerwG 4 C 34.86 – (BVerwGE 79, 309 ≪315≫) hervorgehoben, dass ein räumlicher Zusammenhang allein noch nicht zu einer “summierenden” Betrachtungsweise berechtigt. Der Senat hat in diesem Zusammenhang auch den Begriff der “Funktionseinheit” verwendet, für eine solche im zu behandelnden Fall indes keine Anhaltspunkte gesehen.
§ 11 Abs. 3 BauNVO liegt die Wertung zugrunde, dass die in dieser Vorschrift bezeichneten Betriebe typischerweise ein Beeinträchtigungspotential aufweisen, das es rechtfertigt, sie einem Sonderregime zu unterwerfen. Den Typus der in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauNVO genannten Einkaufszentren schränkt der Verordnungsgeber nicht mit weiteren Merkmalen ein. Demgegenüber grenzt er in § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BauNVO die nur in Kerngebieten und Sondergebieten zulässigen Einzelhandelsbetriebe mit zwei eigenständigen Merkmalen ein, nämlich mit dem Merkmal der Großflächigkeit und mit der Bezeichnung bestimmter städtebaulich erheblicher Auswirkungen. Der Begriff der Großflächigkeit dient ihm dazu, in typisierender Weise unabhängig von regionalen oder lokalen Besonderheiten bundesweit den Betriebstyp festzuschreiben, der von den in den §§ 2 bis 9 BauNVO bezeichneten Baugebieten ferngehalten werden soll. Wird die Schwelle zur Großflächigkeit überschritten, hat eine eigenständige, eingehende Prüfung einzusetzen, für die der Verordnungsgeber in den Sätzen 3 und 4 des § 11 Abs. 3 BauNVO eine Reihe von Kriterien benennt (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 24. November 2005 – BVerwG 4 C 10.04 –).
Der Begriff des großflächigen Einzelhandelsbetriebs ist vorrangig nach dieser Zielsetzung des § 11 Abs. 3 BauNVO auszulegen. Umschreibungen des Begriffs Betrieb oder Einzelhandelsbetrieb, die in anderen Fachgebieten oder anderen rechtlichen Zusammenhängen verwendet werden, können daher nur eingeschränkt nutzbar gemacht werden (vgl. auch das Senatsurteil vom 18. Juni 2003 – BVerwG 4 C 5.02 – ZfBR 2004, 62 zum Begriff des Verbrauchermarkts in der BauNVO 1968). § 11 Abs. 3 BauNVO verhält sich gegenüber den sich dynamisch entwickelnden unterschiedlichen Strukturen des Einzelhandels neutral und regelt lediglich die städtebaulichen Auswirkungen. Dass Einzelhandelsbetriebe heute vielfältige, zum Teil sich überschneidende Erscheinungs- und Gestaltungsformen aufweisen, ändert freilich nichts daran, dass Regelungsgegenstand der Vorschrift allein “der einzelne Betrieb” ist.
Ob es sich in diesem Sinne um einen einzigen oder um mehrere Betriebe handelt, bestimmt sich nach baulichen und betrieblichfunktionellen Gesichtspunkten. Für die räumliche Abgrenzung eines Einzelhandelsbetriebs ist auf die nach außen erkennbaren baulichen Gegebenheiten abzustellen. Eine Verkaufsstätte kann ein selbstständiger Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO nur sein, wenn sie selbstständig, d.h. unabhängig von anderen Einzelhandelsbetrieben genutzt werden kann und deshalb baurechtlich auch als eigenständiges Vorhaben genehmigungsfähig wäre. Hierfür muss die Verkaufsstätte jedenfalls einen eigenen Eingang, eine eigene Anlieferung und eigene Personalräume haben; sie muss unabhängig von anderen Betrieben geöffnet und geschlossen werden können. Ohne Bedeutung ist hingegen, wer rechtlich oder wirtschaftlich jeweils Betreiber ist. Die Frage der bauplanungsrechtlichen Selbstständigkeit ist auch unabhängig davon zu beurteilen, ob Selbstbedienung, Bedienung durch Personal oder eine Mischform erfolgt und wie die dem entsprechenden Bereiche innerhalb der Betriebsfläche voneinander abgegrenzt sind.
Die Verkaufsflächen baulich und funktionell eigenständiger Betriebe können grundsätzlich nicht zusammengerechnet werden. Für die Prüfung einer “Funktionseinheit” unter den Gesichtspunkten eines gemeinsamen Nutzungskonzepts, der Ergänzung der Sortimente, der Nutzung von Synergieeffekten u.ä. ist in diesen Fällen kein Raum. Das gilt indes nicht uneingeschränkt. Ist innerhalb eines Gebäudes die Betriebsfläche baulich in mehrere selbstständig nutzbare betriebliche Einheiten unterteilt, bilden diese Einheiten gleichwohl einen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO, wenn die Gesamtfläche durch einen Einzelhandelsbetrieb als “Hauptbetrieb” geprägt wird und auf den baulich abgetrennten Flächen zu dessen Warenangebot als “Nebenleistung” ein Warenangebot hinzutritt, das in einem inneren Zusammenhang mit der “Hauptleistung” steht, diese jedoch nur abrundet und von untergeordneter Bedeutung bleibt (vgl. Urteil vom 30. Juni 2004 – BVerwG 4 C 3.03 – BVerwGE 121, 205 ≪209≫ zu den einem Postdienstleistungsbetrieb zuzuordnenden Nebenleistungen). Dann ist es im Hinblick auf die bauplanungsrechtliche Zielsetzung geboten, die Verkaufsflächen für die Ermittlung der Schwelle der Großflächigkeit im Sinne von § 11 Abs. 3 BauNVO zusammenzurechnen. Unter welchen Voraussetzungen eine derartige Unterordnung anzunehmen ist, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalls. Für eine betriebliche Einheit wird im Allgemeinen sprechen, dass die für die “Nebenbetriebe” in Anspruch genommenen Flächen deutlich hinter denjenigen des Hauptbetriebs zurückbleiben. Schließlich kann berücksichtigt werden, dass nach der Verkehrsanschauung aus der Sicht des Verbrauchers ein Randangebot als zum Hauptbetrieb zugehörig angesehen wird (vgl. auch das Urteil des Senats vom 30. Juni 2004 a.a.O.). Baulich gesondert nutzbare Betriebsflächen bilden somit dann eine betriebliche Einheit mit einem Hauptbetrieb, wenn auf ihnen lediglich ein diesen ergänzendes Angebot erbracht wird. Dies ist insbesondere der Fall, wenn nach der Verkehrsanschauung der kleinere Bereich ebenso in die Verkaufsfläche des größeren Betriebs einbezogen sein könnte. Ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen baulich selbstständig nutzbare Verkaufsstätten einen Einzelhandelsbetrieb im Sinne des § 11 Abs. 3 BauNVO bilden können, wenn sie nicht in einem Gebäude untergebracht sind, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles keiner Entscheidung.
1.5 Das Oberverwaltungsgericht ist vorliegend ersichtlich davon ausgegangen, dass der Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb, der Backshop und der Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren bautechnisch selbstständig nutzbar sind. Es geht dabei wohl davon aus, dass sie von dem gemeinsamen Windfang aus über separate Zugänge verfügen (Urteilsabdruck S. 19). Jedenfalls haben der Backshop und der Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren jeweils eigenständige Personalräume und Toiletten. Aus den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ergibt sich jedoch, dass diese Betriebsbereiche nur dem Lebensmittelmarkt zuzurechnende “Nebenleistungen” erbringen. Die für sie in Anspruch genommenen Flächen sind im Vergleich zur Fläche des Hauptbetriebs untergeordnet. Ferner bietet der Backshop ebenso wie der Laden für Toto/Lotto, Zeitschriften und Schreibwaren ein gleichsam ausgelagertes untergeordnetes Ergänzungsangebot. Beide Sortimente könnten ohne weiteres in dem Lebensmitteleinzelhandelsbetrieb angeboten werden, wie dies bei anderen Betrieben dieser Art häufig der Fall ist. Das Oberverwaltungsgericht hebt hierzu hervor, die Sortimente seien auf eine identische Zielgruppe hin orientiert und optimal aufeinander abgestimmt, da es sich jeweils um Waren des täglichen Bedarfs handele. Daher handelt es sich vorliegend um einen der Fälle, in denen eine Zusammenrechnung unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Einheit geboten ist. Somit erreicht der Betrieb insgesamt eine Verkaufsfläche von 938,08 m(2) und überschreitet damit bei weitem die Schwelle der Großflächigkeit.
2. Auch nach Außer-Kraft-Treten der Regelung in § 246 Abs. 7 BauGB ist das Vorhaben der Klägerin nicht genehmigungsfähig.
Das Revisionsgericht hat Rechtsänderungen, die während des Revisionsverfahrens eintreten, im gleichen Umfang zu beachten, wie sie die Vorinstanz berücksichtigen müsste, wenn sie jetzt entschiede (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2004 – BVerwG 4 C 11.03 – BVerwGE 121, 152). Das Berufungsgericht ist auf die seit dem Ablauf des 31. Dezember 2004 geltende Rechtslage bereits eingegangen. Sein Ausgangspunkt, wonach mit der Umwandlung der Lagerfläche in Verkaufsfläche ein großflächiger Einzelhandelsbetrieb entsteht, ist wie ausgeführt zutreffend. Mit dem Überschreiten der Schwelle der Großflächigkeit hat die materiellrechtliche Prüfung nunmehr daran anzuknüpfen. Dabei ist der Einzelhandelsbetrieb in seiner Gesamtheit und nicht etwa nur hinsichtlich der beantragten Vergrößerung zu würdigen (vgl. Senatsurteil vom 24. November 2005 – BVerwG 4 C 10.04 –). Nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts befindet sich in der Umgebung kein weiterer derartiger Betrieb, so dass der umstrittene Einzelhandelsbetrieb sich nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB einfügt. Dabei bietet der Fall keine Veranlassung, der Frage nachzugehen, ob bereits das Bestehen eines einzelnen großflächigen Einzelhandelsbetriebs als Anknüpfungspunkt für § 34 Abs. 1 BauGB ausreicht oder ob ein solcher Betrieb nicht eher als Fremdkörper anzusehen sein wird. Weiterhin gelangt das Oberverwaltungsgericht unter Hinweis auf die zunehmende Verkehrsbelastung sowie die Vorbildwirkung zu dem Ergebnis, dass der Betrieb bodenrechtlich beachtliche Spannungen hervorruft. Bereits die Vergrößerung der Verkaufsfläche werde zu einer Verstärkung des bisherigen Zu- und Abgangsverkehrs und damit zu einer höheren Belastung der umliegenden Wohnbebauung führen. Dies rechtfertigt nach der Einschätzung des Oberverwaltungsgerichts die Annahme, dass das den Rahmen der Umgebungsbebauung ohnehin schon überschreitende Vorhaben der Klägerin sich nicht harmonisch in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt.
Die Klägerin stellt in Frage, ob lediglich die Vergrößerung der Verkaufsfläche zu einer höheren Belastung der Umgebung führen werde, ohne allerdings zulässige Verfahrensrügen zu erheben. Dies mag indes auf sich beruhen. Denn es kommt bei der jetzt aus Anlass des Entstehens eines großflächigen Einzelhandelsbetriebs vorzunehmenden Prüfung darauf an, wie hoch die von diesem Betrieb insgesamt ausgehenden Belastungen sind. Diese sind in jedem Fall nicht nur geringfügig. Somit ist die Schlussfolgerung des Berufungsgerichts zutreffend, es handele sich nicht um einen der Fälle, in denen ein Vorhaben sich trotz der Überschreitung des durch die Umgebungsbebauung gesetzten Rahmens einfüge, weil es keine bewältigungsbedürftigen Spannungen erzeuge oder verstärke. Davon abgesehen hat das Oberverwaltungsgericht seine Entscheidung überdies darauf gestützt, dass vom Vorhaben aus einem weiteren Grund bewältigungsbedürftige Spannungen ausgehen. Denn es gelangt zu dem Ergebnis, dass die städtebauliche Situation auch im Hinblick auf die mit dem Vorhaben verbundene Vorbildwirkung negativ in Bewegung gebracht wird. In der näheren Umgebung des Vorhabens befinden sich mehrere Grundstücke, die sich für eine weitere Ansiedlung vergleichbarer Betriebe anbieten. Somit kommt eine Genehmigung bereits nach § 34 Abs. 1 BauGB nicht in Betracht, so dass mit dem Oberverwaltungsgericht dahinstehen kann, ob einer Zulassung des Vorhabens überdies die Regelung in § 34 Abs. 3 BauGB 2004 entgegensteht.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Paetow, Halama, Prof. Dr. Rojahn, Dr. Jannasch, Dr. Philipp
Fundstellen