Entscheidungsstichwort (Thema)
Ruhestandsbeamter. Beeinträchtigung dienstlicher Interessen. Nebentätigkeit. Privatliquidation beamteter Chefärzte. Untersagung einer Erwerbstätigkeit im Ruhestand. gesetzliche Befristung der Untersagung. Vorrang des Hauptamtes. Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit der Amtsführung. Verwertung dienstlich erworbener Kenntnisse. Nutzen von Fähigkeiten und Erfahrungen im Ruhestand.
Leitsatz (amtlich)
Die Erwerbstätigkeit eines Ruhestandsbeamten kann nur dann wegen der Besorgnis der Beeinträchtigung dienstlicher Interessen untersagt werden, wenn sie nachteilige Rückschlüsse auf dessen frühere Amtsführung zulässt.
Eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen kann sich nur aus einem Zusammenhang mit der früheren dienstlichen Tätigkeit, nicht aber aus einem Zusammenhang mit einer früheren Nebentätigkeit ergeben.
Dienstliche Interessen werden nicht dadurch beeinträchtigt, dass ein Ruhestandsbeamter mit einer Erwerbstätigkeit in Konkurrenz zum Dienstherrn tritt.
Normenkette
BeamtStG § 41 Sätze 1, 3; LBG Berlin §§ 62, 68; VwGO § 134
Verfahrensgang
VG Berlin (Urteil vom 08.02.2013; Aktenzeichen 7 K 376.10) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2013 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I
Der Kläger, ein emeritierter Hochschullehrer und Ruhestandsbeamter, wendet sich dagegen, dass ihm die Beklagte eine im Ruhestand aufgenommene berufliche Tätigkeit untersagt hat.
Der Kläger wurde 1984 vom Land … unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Universitätsprofessor an der … Universität für das Fach „…” ernannt. Er leitete das Universitätsinstitut für … und war als Chefarzt an einem Universitätsklinikum tätig.
Um zu verhindern, dass der Kläger den Ruf einer anderen Universität annahm, erteilte ihm die Universität im Jahr 1991 in einer Bleibevereinbarung die Zusage, er könne … Diagnostikleistungen für externe Auftraggeber, insbesondere für Krankenhäuser, mit dienstlichen Mitteln als Nebentätigkeit erbringen und privat liquidieren. In der Folgezeit übte der Kläger diese Tätigkeit in einer von ihm aufgebauten Einrichtung des Universitätsinstituts („…”) aus. Im Jahr 1996 widerrief die Universität die Nebentätigkeitsgenehmigung, weil sie die Nebentätigkeit dem dienstlichen Aufgabenbereich des Klägers zuordnen wollte. Dessen Anfechtungsklage gegen den Widerruf hatte wegen der vorbehaltlos erteilten Zusage in der Bleibevereinbarung Erfolg.
Der Kläger trat drei Jahre nach Erreichen der allgemeinen Altersgrenze am 1. Oktober 2010 in den Ruhestand. Seitdem setzt er seine berufliche Tätigkeit in einer eigenen ärztlichen Praxis („…”) fort. Dort erbringt er weiterhin … Diagnostikleistungen für externe Auftraggeber, aber auch als vertragsärztliche Leistung für eigene Patienten.
Bei Eintritt in den Ruhestand untersagte die Beklagte dem Kläger den Betrieb und die Unterhaltung seiner Praxis mit sofortiger Wirkung bis zum Ablauf des Jahres 2014. Die Beklagte berief sich vor allem darauf, der Kläger unterliege einem Konkurrenzverbot. Auch warf sie dem Kläger verschiedene Pflichtenverstöße vor, etwa die Mitnahme von Arbeitsmaterial (Gewebeproben) aus dem … Institut und die Verwendung einer Patientenliste des Instituts.
Der Antrag des Klägers, ihm die Weiterführung seiner Praxis im Wege vorläufigen Rechtsschutzes bis zum Abschluss des Klageverfahrens zu ermöglichen, hat in beiden verwaltungsgerichtlichen Instanzen Erfolg gehabt. Auf die Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht die Untersagungsverfügung aufgehoben. Die Urteilsgründe decken sich weitgehend mit den Gründen des Beschlusses des Oberverwaltungsgerichts im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes. Das Verwaltungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die ärztliche Tätigkeit, die der Kläger im Ruhestand ausübe, stehe in einem Zusammenhang mit der früheren dienstlichen Tätigkeit, weil sie sich qualitativ weitgehend mit den dienstlichen Aufgaben des Klägers vor Eintritt in den Ruhestand decke. Sie dürfe jedoch nicht untersagt werden, weil sie nicht geeignet sei, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen. Dies sei bei einer Tätigkeit von Ruhestandsbeamten nur der Fall, wenn sich daraus berechtigte Zweifel an der Integrität der früheren Amtsführung ergäben. Daher seien Ruhestandsbeamte zur Amtsverschwiegenheit verpflichtet und dürften nicht für Dritte tätig werden, mit deren Angelegenheiten sie dienstlich befasst gewesen seien. Dagegen dürften sie ihre beruflichen Kenntnisse und Erfahrungen nutzen und in Konkurrenz zum Dienstherrn treten.
Die ärztliche Tätigkeit des Klägers im Ruhestand lasse keine nachteiligen Schlüsse auf die Wahrnehmung seiner früheren dienstlichen Aufgaben zu: Mit der Diagnostik für Patienten der Beklagten sei der Kläger nicht mehr befasst. Die Diagnostikleistungen für externe Auftraggeber habe er bereits während seiner Dienstzeit jedenfalls in wesentlichen Teilen als Nebentätigkeit privat erbracht und liquidiert. Die Vorwürfe der Beklagten gegen den Kläger seien allesamt nicht erwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene Sprungrevision der Beklagten. Sie macht geltend, Erwerbstätigkeiten von Ruhestandsbeamten seien nach den gleichen Rechtsgrundsätzen zu beurteilen wie Nebentätigkeiten aktiver Beamter. Daher beeinträchtige eine Erwerbstätigkeit im Ruhestand dienstliche Interessen, wenn der Ruhestandsbeamte dem Dienstherrn Konkurrenz mache. Auch die Pflichtenverstöße des Klägers rechtfertigten die Untersagung seiner Erwerbstätigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 8. Februar 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Sprungrevision der Beklagten ist zulässig. Die Beklagte hat das vom Verwaltungsgericht zugelassene Rechtsmittel form- und fristgerecht eingelegt, insbesondere die schriftliche Zustimmungserklärung des Klägers zur Einlegung der Sprungrevision fristgerecht vorgelegt (§ 134 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO).
Die Sprungrevision der Beklagten ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist mit Bundesrecht und revisiblem Landesbeamtenrecht vereinbar (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO, § 63 Abs. 3 Satz 2 BeamtStG i.V.m. § 127 BRRG). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die berufliche Tätigkeit des Klägers im Ruhestand nicht untersagt werden darf, weil durch diese keine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen zu besorgen ist.
Für die Anzeige und Untersagung einer Erwerbstätigkeit von Ruhestandsbeamten der Länder und der ihrer Aufsicht unterstehenden dienstherrnfähigen juristischen Personen gilt nunmehr unmittelbar § 41 des Beamtenstatusgesetzes – BeamtStG – vom 17. Juni 2008 (BGBl I S. 1010). Nach Satz 1 dieser Vorschrift haben Ruhestandsbeamte die Ausübung einer Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes anzuzeigen, die mit der früheren dienstlichen Tätigkeit im Zusammenhang steht und durch die dienstliche Interessen beeinträchtigt werden können. Der Zusammenhang muss innerhalb eines Zeitraums vor Eintritt in den Ruhestand bestehen, den das Landesrecht zu bestimmen hat. Nach § 41 Satz 2 BeamtStG ist die Erwerbstätigkeit zu untersagen, wenn zu besorgen ist, dass durch sie dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Nach Satz 3 endet das Verbot spätestens mit Ablauf von fünf Jahren seit Beendigung des Beamtenverhältnisses. Das Landesrecht kann einen kürzeren Zeitraum festlegen.
1. Nach der gesetzlichen Systematik knüpft der Untersagungstatbestand des § 41 Satz 2 BeamtStG an die Anzeigepflicht nach Satz 1 der Vorschrift an. Die Untersagung einer Erwerbstätigkeit setzt voraus, dass die Erwerbstätigkeit der Anzeigepflicht unterliegt. Hierfür muss ein Zusammenhang zwischen der Erwerbstätigkeit und der früheren dienstlichen Tätigkeit des Ruhestandsbeamten bestehen. Das Berliner Landesrecht legt den Zeitraum, in dem der Ruhestandsbeamte die den Zusammenhang begründende dienstliche Tätigkeit ausgeübt haben muss, auf die letzten fünf Jahre vor Beendigung des Beamtenverhältnisses, d.h. vor Beginn des Ruhestandes, fest (§ 68 Abs. 1 des Landesbeamtengesetzes Berlin – LBG Berlin – vom 19. März 2009, GVBl S. 70).
Eine dienstliche Tätigkeit im Sinne von § 41 Satz 1 BeamtStG liegt vor, wenn die Tätigkeit zu dem Aufgabenbereich des früheren Hauptamtes des Ruhestandsbeamten gehört hat; sie muss von der beamtenrechtlichen Dienstleistungspflicht umfasst gewesen sein. Demzufolge sind Nebentätigkeiten keine dienstlichen Tätigkeiten, weil sie nicht zu den Aufgaben des Hauptamtes gehören (vgl. § 60 Abs. 2 LBG Berlin). Sie sind dem Bereich der privaten Lebensführung zuzurechnen.
Dies gilt auch für Nebentätigkeiten leitender Krankenhausärzte (Chefärzte) im Beamtenverhältnis, die sich in tatsächlicher Hinsicht nicht von deren dienstlichen Aufgaben im Bereich der Krankenversorgung unterscheiden. Sie umfassen ärztliche Tätigkeiten, in der Regel die Behandlung von Privatpatienten, die der Dienstherr aufgrund einer Vereinbarung oder Zusicherung aus dem Aufgabenbereich des Hauptamtes des Arztes herausgenommen und diesem zur Wahrnehmung in eigenem Namen und auf eigene Rechnung zugewiesen hat. Der Arzt übt die Nebentätigkeit während der Arbeitszeit aus und nimmt hierfür gegen Zahlung eines angemessenen Entgelts an den Dienstherrn das Personal und die Sachausstattung des Krankenhauses in Anspruch (vgl. § 64 Abs. 1 und 2 LBG Berlin). Auf diese Weise erhalten leitende Krankenhausärzte im Beamtenverhältnis die Gelegenheit, während des Dienstes ein zusätzliches Erwerbseinkommen zu erzielen (BVerfG, Beschluss vom 7. November 1979 – 2 BvR 513/13, 558/74 – BVerfGE 52, 303 ≪343 f.≫; Kammerbeschluss vom 8. Dezember 2006 – 2 BvR 385/05 – NVwZ-RR 2007, 185; BVerwG, Urteil vom 27. Februar 2008 – BVerwG 2 C 27.06 – BVerwGE 130, 252 = Buchholz 237.7 § 72 NWLBG Nr. 6 ≪jeweils Rn. 10 f.≫).
Ein Zusammenhang im Sinne von § 41 Satz 1 BeamtStG zwischen der Erwerbstätigkeit im Ruhestand und der früheren dienstlichen Tätigkeit besteht, wenn die Erwerbstätigkeit einen Anknüpfungspunkt in der dienstlichen Tätigkeit hat und die dienstliche Tätigkeit für das frühere Hauptamt des Ruhestandsbeamten nicht nur untergeordnete Bedeutung hat. Dieser Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Begriffs des Zusammenhangs folgt aus dem Zweck der dadurch begründeten Anzeigepflicht. Die Anzeige einer Erwerbstätigkeit im Ruhestand soll die Prüfung ermöglichen, ob sie nach § 41 Satz 2 BeamtStG untersagt werden muss. Daher erweist sich eine Anzeige nur als sinnvoll, wenn eine Untersagung ernsthaft in Betracht kommt.
Nach den bindenden, nach § 134 Abs. 4 VwGO nicht mit Verfahrensrügen angreifbaren tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts kann nicht abschließend beurteilt werden, ob zwischen der im Ruhestand aufgenommenen Erwerbstätigkeit und den Aufgaben des früheren Hauptamtes des Klägers ein Zusammenhang im Sinne des § 41 Satz 1 BeamtStG besteht. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger im Ruhestand … Diagnostikleistungen für externe Auftraggeber und für eigene Patienten als vertragsärztliche Leistung erbringt. Die Leistungen für externe Auftraggeber können einen Zusammenhang nicht begründen, weil der Kläger diese Tätigkeit vor Eintritt in den Ruhestand nicht aufgrund seines Hauptamtes, sondern als Nebentätigkeit ausgeübt hat. Insoweit führt er im Ruhestand eine private, aus dem früheren dienstlichen Aufgabenbereich herausgenommene Tätigkeit in anderem Rahmen fort. Der Zusammenhang kann aber durch die früheren Diagnostikleistungen für Patienten der Beklagten hergestellt werden, die dem Kläger als dienstliche Aufgabe im Rahmen der Krankenversorgung oblegen haben. Diese dienstliche Tätigkeit begründet den Zusammenhang mit der Erwerbstätigkeit im Ruhestand, wenn sie im Vergleich zu den anderen Aufgaben des früheren Hauptamtes des Klägers in Forschung, Lehre und Krankenversorgung qualitativ oder quantitativ nicht nur von untergeordneter Bedeutung waren. Hierzu fehlen aussagekräftige Feststellungen des Verwaltungsgerichts.
2. Auch bei Bestehen eines Zusammenhangs im Sinne von § 41 Satz 1 BeamtStG durfte die Beklagte die Tätigkeit des Klägers im Ruhestand nicht nach Satz 2 dieser Vorschrift untersagen, weil durch die Tätigkeit eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nicht zu besorgen ist. Dem Verwaltungsgericht ist darin zuzustimmen, dass der Bedeutungsgehalt des gesetzlichen Begriffs der dienstlichen Interessen im Sinne des § 41 Satz 2 BeamtStG inhaltlich nicht mit dem wortgleichen Begriff des Nebentätigkeitsrechts übereinstimmt. Insbesondere stellt es kein dienstliches Interesse dar, dass der Dienstherr vor der Konkurrenz durch einen Ruhestandsbeamten geschützt wird.
Nach den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder steht die Ausübung von Nebentätigkeiten regelmäßig unter Genehmigungsvorbehalt. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Ausübung dienstliche Interessen beeinträchtigt werden (vgl. § 99 Abs. 2 Satz 1 BBG und § 62 Abs. 2 Satz 1 LBG Berlin). Ergibt sich eine derartige Beeinträchtigung nach der Erteilung, muss die Genehmigung widerrufen werden (§ 99 Abs. 4 Satz 3 BBG und § 62 Abs. 4 Satz 2 LBG Berlin). Die Auslegung dieses allgemeinen gesetzlichen Versagungs- und Widerrufsgrundes muss sich an dessen Zweck orientieren, der darin besteht, den Vorrang des Hauptamtes sicherzustellen. Dieser Vorrang folgt aus dem durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Grundsatz der Hauptberuflichkeit des Beamtendienstes sowie aus den ebenfalls in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Dienstpflichten zum vollen beruflichen Einsatz und zur unparteiischen und uneigennützigen Amtsführung.
Daher erfasst das dienstliche Interesse jeden Belang, der die Erledigung der dienstlichen Aufgaben und die integere Amtsführung der Beamten, insbesondere deren Unparteilichkeit und Uneigennützigkeit, betrifft oder sich darauf auswirken kann. Dementsprechend muss das Verbot, eine Nebentätigkeit auszuüben, stets einen dienstlichen Bezug aufweisen. Öffentliche Interessen ohne Bezug zu dem Hauptamt und den für die Amtsführung geltenden Dienstpflichten, etwa das arbeitsmarktpolitische Interesse an der Einstellung von Berufsanfängern, können ein Nebentätigkeitsverbot nicht rechtfertigen (Urteile vom 26. Juni 1980 – BVerwG 2 C 37.78 – BVerwGE 60, 254 ≪257≫ = Buchholz 237.2 § 29 LBG Berlin Nr. 1 S. 4, vom 30. Juni 1983 – BVerwG 2 C 57.82 – BVerwGE 67, 287 ≪293 ff.≫ = Buchholz 238.5 § 40 DRiG Nr. 1 S. 3 ff., vom 25. Januar 1990 – BVerwG 2 C 10.89 – BVerwGE 84, 299 ≪301 f.≫ = Buchholz 237.2 § 29 BlnLBG Nr. 2 S. 2 f. und vom 24. November 2005 – BVerwG 2 C 32.04 – BVerwGE 124, 347 ≪350 f.≫ = Buchholz 230 § 42 BRRG Nr. 3 S. 5 f.).
Aufgrund des Vorrangs des Hauptamtes ist eine Versagung oder ein Widerruf der Nebentätigkeitsgenehmigung nicht erst dann angezeigt, wenn feststeht, dass die Ausübung der Nebentätigkeit der Erledigung der dienstlichen Aufgaben abträglich ist und dem Vertrauen in die integere Amtsführung schadet. Vielmehr reicht es aus, dass eine derartige Beeinträchtigung zu besorgen ist. Dies ist bereits anzunehmen, wenn bei verständiger Würdigung der Umstände des Einzelfalles nachteilige Auswirkungen der Nebentätigkeit für die bestmögliche Erfüllung der Dienstpflichten ernsthaft möglich sind. Es muss bereits der Eindruck vermieden werden, der Beamte könne seine Dienstpflichten nicht umfassend und ordnungsgemäß erfüllen, weil er möglicherweise nicht mehr unparteiisch sei (stRspr; vgl. Urteile vom 26. Juni 1980 a.a.O. S. 257 f. bzw. S. 4 f., vom 30. Juni 1983 a.a.O. S. 293 f. bzw. S. 5 f. und vom 24. November 2005 a.a.O. S. 350 f. bzw. S. 3 f.). Sind nachteilige Auswirkungen auf die Erfüllung der Dienstpflicht nicht zu besorgen, hat der Dienstherr keine Handhabe, um die Nebentätigkeit zu unterbinden. Der Beamte hat einen Anspruch auf Erteilung der Nebentätigkeitsgenehmigung (stRspr; vgl. Urteil vom 25. Januar 1990 a.a.O. S. 300 f. bzw. S. 1 f.).
Diese zweckgebundene Auslegung der gesetzlichen Begriffe der dienstlichen Interessen und der Besorgnis ihrer Beeinträchtigung im Nebentätigkeitsrecht kann schon deshalb nicht auf die Auslegung des wortgleichen Begriffes des § 41 Satz 2 BeamtStG übertragen werden, weil Ruhestandsbeamte kein Hauptamt und keine Dienstleistungspflicht haben. Ruhestandsbeamten steht es frei, ihre Arbeitskraft zu verwerten; auf Erfordernisse der Dienstausübung müssen sie keine Rücksicht mehr nehmen. Folgerichtig kann die Untersagung von Erwerbstätigkeiten im Ruhestand nicht darauf gestützt werden, dass der Vorrang des Hauptamtes sichergestellt werden müsse. Stellt die Erwerbstätigkeit im Ruhestand Berufsausübung dar, ist sie durch Art. 12 Abs. 1 GG, ansonsten ist sie durch Art. 2 Abs. 1 GG geschützt.
Daher können Erwerbstätigkeiten von Ruhestandsbeamten nur untersagt werden, wenn dies notwendig ist, um das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erhalten. Dies ist anzunehmen, wenn die Tätigkeit nachteilige Rückschlüsse auf die frühere Amtsführung des Ruhestandsbeamten zulässt.
Nur dieser Gesichtspunkt stellt ein dienstliches Interesse dar, das die Untersagung rechtfertigen kann. Da auch hier die Besorgnis der Interessensbeeinträchtigung ausreicht, genügt der durch die Tätigkeit im Ruhestand begründete Anschein, der Ruhestandsbeamte habe sich in seinem früheren Hauptamt womöglich nicht in jeder Hinsicht pflichtgemäß verhalten. Diese Besorgnis erscheint in zwei Fallgestaltungen regelmäßig als begründet:
Zum einen darf die Erwerbstätigkeit nicht den Eindruck erwecken, der Ruhestandsbeamte beachte eine im Ruhestand nachwirkende Dienstpflicht – wie etwa die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit – nicht. Dies ist anzunehmen, wenn er durch die Tätigkeit dienstlich erworbene, der Amtsverschwiegenheit unterliegende Kenntnisse verwertet. Davon abgesehen kann der Ruhestandsbeamte berufliche Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verwerten, die er aufgrund einer langjährigen beruflichen Tätigkeit als Beamter im öffentlichen Dienst erworben und vertieft hat.
Zum anderen darf die Erwerbstätigkeit im Ruhestand nicht den Anschein begründen, der Beamte habe bereits während des Dienstes die Integrität der Amtsführung, d.h. die Pflichten zur unparteilichen und uneigennützigen Amtsführung, zurückgestellt, um sich die Möglichkeit einer Erwerbstätigkeit im Ruhestand zu eröffnen oder nicht zu verbauen. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn der Beamte im Ruhestand für Personen oder Unternehmen tätig wird, auf deren Angelegenheiten er in dem gesetzlich festgelegten Zeitraum dienstlich Einfluss nehmen konnte. Die Untersagung einer Tätigkeit für derartige Personen oder Unternehmen, sei es aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Werkvertrags, ist geboten, weil sie den Anschein erweckt, der Beamte habe bei seiner Amtsführung übermäßige Rücksicht auf deren Belange genommen. Zugleich soll durch das Tätigkeitsverbot präventiv auf die Beamten eingewirkt werden: Ihnen soll deutlich gemacht werden, dass sich übermäßiges Wohlwollen gegenüber Dritten im Dienst nach Eintritt in den Ruhestand nicht auszahlt (stRspr; vgl. Urteile vom 6. Dezember 1989 – BVerwG 6 C 52.87 – BVerwGE 84, 194 ≪195 f.≫ = Buchholz 236.1 § 20a SG Nr. 1 S. 2 f., vom 24. September 1992 – BVerwG 2 A 6.91 – BVerwGE 91, 57 ≪60 f.≫ = Buchholz 236.1 § 20a SG Nr. 4 S. 24 f. und vom 12. Dezember 1996 – BVerwG 2 C 37.95 – BVerwGE 102, 326 ≪328 f.≫ = Buchholz 236.1 § 20a SG Nr. 5 S. 2 f.).
Daraus folgt zum einen, dass sich eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen im Sinne von § 41 Satz 2 BeamtStG nur aus der Amtsführung, d.h. aus der früheren dienstlichen Tätigkeit, nicht aber aus einer Nebentätigkeit ergeben kann. Zum anderen stellt der Schutz vor der Konkurrenz durch einen Ruhestandsbeamten für sich genommen kein dienstliches Interesse dar, das die Untersagung seiner Erwerbstätigkeit rechtfertigen kann.
Danach liegt auf der Hand, dass die Erwerbstätigkeit des Klägers im Ruhestand nicht geeignet ist, dienstliche Interessen zu beeinträchtigen:
Der Kläger nutzt seine beruflichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen, die er auch als beamteter Universitätsprofessor, Leiter eines Universitätsinstituts und Chefarzt gewonnen hat. Tatsächliche Anhaltspunkte für die Möglichkeit eines Konflikts mit der Amtsverschwiegenheit hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Auch lässt sich ausschließen, dass sich der Kläger bei seiner früheren dienstlichen Tätigkeit im Rahmen der Krankenversorgung, d.h. bei seiner ärztlichen Tätigkeit für Patienten der Beklagten, von der Aussicht hat beeinflussen lassen, daraus nach Eintritt in den Ruhestand Nutzen zu ziehen. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass der Kläger im Ruhestand nicht mehr für Patienten der Beklagten tätig wird. Die Behandlung ehemaliger Patienten der Beklagten im Ruhestand ist nicht geeignet, Zweifel an der unparteiischen und uneigennützigen Ausübung der früheren dienstlichen Tätigkeit zu begründen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich der Kläger auch insoweit ausschließlich von medizinischen Erfordernissen hat leiten lassen.
Die Beeinträchtigung dienstlicher Interessen aufgrund der von der Beklagten erhobenen Vorwürfe, z.B. der Kläger habe unbefugt Gewebeproben aus dem Universitätsinstitut und dessen Patientenliste für seine Erwerbstätigkeit im Ruhestand verwendet, scheidet schon deshalb aus, weil das Verwaltungsgericht diesen Vortrag der Beklagten nicht für erwiesen gehalten hat. In Bezug auf diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Beklagte im Verfahren der Sprungrevision keine Verfahrensrügen erheben (§ 134 Abs. 4 VwGO).
3. In Einklang mit der Vorgabe des § 41 Satz 3 BeamtStG legt das Berliner Landesrecht zwei Fristen für die Pflicht zur Anzeige einer Erwerbstätigkeit außerhalb des öffentlichen Dienstes und damit zugleich für die zulässige Dauer ihrer Untersagung fest: Nach § 68 Abs. 1 LBG Berlin beträgt der Zeitraum entweder fünf Jahre ab Beendigung des Beamtenverhältnisses, d.h. ab Eintritt in den Ruhestand, oder drei Jahre, wenn der Beamte mit Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand tritt.
Der Gesetzeswortlaut legt nahe, dass der kürzere Zeitraum von drei Jahren nur für Ruhestandsbeamte gilt, die wegen des Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten sind. Das Verwaltungsgericht hat jedoch zu Recht angenommen, dass es sich mit dem Normzweck nicht vereinbaren lässt, Beamte wie den Kläger, die über die gesetzliche Altersgrenze hinaus Dienst geleistet haben, in Bezug auf den zulässigen Untersagungszeitraum für eine Erwerbstätigkeit Beamten gleichzustellen, die vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden. Daher kann davon ausgegangen werden, dass der Landesgesetzgeber den Untersagungszeitraum bei einem Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand über die gesetzliche Altersgrenze hinaus nicht geregelt hat. Insoweit liegt eine planwidrige, weil mit dem Regelungszweck unvereinbare Regelungslücke vor. Mangels anderer Anhaltspunkte ist anzunehmen, dass der Landesgesetzgeber die Lücke, wenn er sie erkannt hätte, durch die Anwendung des bei Ruhestandseintritt wegen Erreichens der Altersgrenze geltenden Untersagungszeitraums von höchstens drei Jahren, beginnend mit dem Eintritt in den Ruhestand, geschlossen hätte (vgl. zur Analogie: Urteil vom 28. Juni 2012 – BVerwG 2 C 13.11 – BVerwGE 143, 230 = Buchholz 239.1 § 52 BeamtVG Nr. 2 ≪jeweils Rn. 24≫).
Dieser Zeitraum ist im Fall des Klägers seit dem 1. Oktober 2013 verstrichen, sodass die Beklagte die Untersagung ungeachtet der fehlenden materiellrechtlichen Voraussetzungen nicht bis Ende 2014 aussprechen durfte.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Domgörgen, Dr. Heitz, Dr. von der Weiden, Dr. Hartung, Dollinger
Fundstellen
Haufe-Index 7199166 |
BVerwGE 2015, 153 |
AuA 2014, 543 |
DÖV 2015, 33 |
JZ 2014, 554 |
LKV 2014, 3 |
LKV 2014, 410 |
NJ 2014, 10 |
NZS 2014, 6 |
VR 2014, 432 |
AA 2014, 199 |
DVBl. 2014, 1257 |
IÖD 2014, 208 |
NordÖR 2014, 379 |
FSt 2015, 400 |
FuNds 2015, 232 |
SR-aktuell 2014, 109 |