Entscheidungsstichwort (Thema)
Erneute Berufung in das Beamtenverhältnis;. Ermessensentscheidung des Dienstherrn;. von einer – abzusehen, kein Anspruch des Ruhestandsbeamten auf fehlerfreie Ermessensausübung;. Ermessen, kein Anspruch des Ruhestandsbeamten auf fehlerfreie Ausübung des – bei Entscheidung, ihn nicht erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen;. Ruhestand, erneute Berufung in das Beamtenverhältnis auf Antrag
Leitsatz (amtlich)
Der wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzte Beamte hat keinen Anspruch darauf, dass jederzeit über seinen Antrag, ihn erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, ermessensfehlerfrei entschieden wird.
Normenkette
LBG NW § 48 (= § 45 BBG), § 85 (= § 79 BBG)
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Entscheidung vom 02.09.1999; Aktenzeichen 12 A 5026/98) |
VG Köln (Entscheidung vom 16.09.1998; Aktenzeichen 19 K 11341/96) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. September 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Mit Bescheid vom 24. April 1985 versetzte der Beklagte den Kläger, der 1979 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen und zum Landesoberinspektor befördert worden war, zum 1. Juni 1985 wegen vorzeitiger Dienstunfähigkeit in den Ruhestand. Am 22. April 1985 gab der Beklagte schriftlich eine „rechtsverbindliche Zusicherung” ab, den Kläger, sofern ihm Dienstfähigkeit amtsärztlich wieder attestiert sein würde, unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Landesoberinspektor zu ernennen, wenn der Kläger einen solchen Antrag bis spätestens zum 31. Mai 1990 stellen würde. In der Folgezeit stellte der Kläger mehrere derartige Anträge, die alle bestandskräftig abgelehnt wurden.
Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 28. Oktober 1996 einen erneuten Antrag vom 7. Oktober 1996 abgelehnt hatte, hat der Kläger nach erfolglosem Widerspruchsverfahren Klage erhoben. Er begehrt die Wiederberufung in das Beamtenverhältnis, notfalls auch in einem niedrigeren Amt als dem des Landesoberinspektors und nach Vermittlung möglicherweise nicht mehr vorhandenen Fachwissens.
Die Klage hatte in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat ausgeführt:
Der Kläger habe aus § 48 Abs. 2 LBG NW keinen Anspruch auf Wiederberufung in das Beamtenverhältnis, weil er den entsprechenden Antrag nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit Beginn des Ruhestandes gestellt habe. Aus demselben Grund sowie mangels ärztlicher Feststellung, dass er dienstfähig sei, stehe ihm auch aus der Zusicherung kein Anspruch zu. Aus § 48 Abs. 1 LBG NW ergebe sich nicht einmal ein Anspruch aus sachgerechte Ausübung des Ermessens durch den Dienstherrn, ob er den Beamten erneut ins Beamtenverhältnis berufe.
Im Wege eines Wiederaufgreifens des Verfahrens könne der Kläger seine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis ebenfalls nicht erreichen. Die beamtenrechtlichen Bestimmungen über den Wiedereinstellungsanspruch machten die Vorschriften über das Wiederaufgreifen unanwendbar. Der Antrag vom 7. Oktober 1996 sei überdies nicht auf das Wiederaufgreifen eines der früheren bestandskräftig abgeschlossenen Verfahren gerichtet.
Für den mit dem Hilfsantrag geltend gemachten Anspruch auf Vermittlung des erforderlichen Fachwissens fehle es an einer Rechtsgrundlage.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts und beantragt,
- unter Aufhebung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. September 1999 und des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 16. September 1998 den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 28. Oktober 1996 und des Widerspruchsbescheides vom 3. Dezember 1996 zu verpflichten, den Kläger unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zum Landesoberinspektor zu ernennen,
hilfsweise,
dem Kläger unter erneuter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit ein anderes einer Laufbahn des gehobenen Dienstes zugehöriges Amt zu übertragen,
äußerst hilfsweise,
den Kläger durch geeignete Maßnahmen an einen Leistungsstand heranzuführen, der seine erneute Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit und die Übertragung eines Amtes einer Laufbahn des gehobenen Dienstes zulässt, und diese Ernennung sodann auszusprechen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil.
Der Oberbundesanwalt hält in Übereinstimmung mit dem Bundesministerium des Innern die Auslegung des § 48 Abs. 1 LBG NW durch das Berufungsgericht für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf erneute Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit, wie er ihn mit allen drei Anträgen geltend macht, nicht zu. Ansprüchen aus § 48 Abs. 2 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen (Landesbeamtengesetz) – LBG NW – in der Fassung des 8. Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 10. Februar 1998 (GVBl S. 134) sowie aus der „rechtsverbindlichen Zusicherung” vom 22. April 1985 steht entgegen, dass der Kläger den mit der Klage verfolgten und einzigen noch nicht bestandskräftig abgelehnten Reaktivierungsantrag vom 7. Oktober 1996 nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit Beginn des Ruhestandes gestellt hat.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass der Beklagte erneut eine Ermessensentscheidung darüber trifft, ob er den Kläger wieder in das Beamtenverhältnis beruft. Einen solchen Anspruch des Ruhestandsbeamten sieht das Gesetz nicht vor. Auch ein Anspruch auf fehlerfreie Ermessensausübung bedarf einer Rechtsgrundlage im Gesetz (vgl. Urteile vom 4. November 1976 – BVerwG 2 C 40.74 – ≪BVerwGE 51, 264, 267 f.≫ und vom 26. Februar 1993 – BVerwG 8 C 20.92 – ≪Buchholz 448.0 § 21 WPflG Nr. 47 S. 14 m.w.N.≫).
§ 48 Abs. 1 LBG NW stellt nicht diese erforderliche Rechtsgrundlage dar. Nach dieser Vorschrift ist ein wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzter Beamter, solange er das 63. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, verpflichtet, einer erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Folge zu leisten, wenn ihm im Dienstbereich seines früheren Dienstherrn ein Amt seiner früheren oder einer anderen Laufbahn mit mindestens demselben Endgrundgehalt übertragen werden soll und zu erwarten ist, dass der Beamte den gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes genügt. Soweit die Vorschrift in den Worten „wenn ihm … ein Amt … übertragen werden soll” eine Ermessensentscheidung des Dienstherrn anspricht, kann der Ruhestandsbeamte, dessen erneute Berufung entgegen seinen Wünschen nicht beabsichtigt ist, die sachgerechte Ausübung dieses Ermessens nicht im Sinne eines subjektiven Rechts einfordern.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts begründen Rechtsvorschriften, die der Verwaltung ein Ermessen einräumen, einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nur dann, wenn die das Ermessen einräumende Norm – zumindest auch – dem Interesse des Betroffenen zu dienen bestimmt ist (vgl. Urteile vom 4. November 1976 – BVerwG 2 C 40.74 – ≪a.a.O.≫; vom 29. Juni 1990 – BVerwG 8 C 26.89 – BVerwGE 85, 220 ≪222≫; vom 26. Februar 1993 – BVerwG 8 C 20.92 – ≪a.a.O.≫ und vom 30. September 1993 – BVerwG 5 C 41.91 – BVerwGE 94, 202 ≪204/205≫). Eine lediglich mittelbar-tatsächliche Begünstigung reicht zur Begründung eines Anspruchs auf fehlerfreie Ermessensausübung nicht aus (vgl. Urteil vom 13. Oktober 1994 – BVerwG 7 C 15.94 – ≪Buchholz 113 § 4 InVorG Nr. 3≫). In Übereinstimmung mit dieser Rechtsprechung hat der Senat in seinem Urteil vom 4. November 1976 – BVerwG 2 C 40.74 – ≪a.a.O.≫ der Bestimmung des § 50 Abs. 1 LBG NW a.F., die § 48 Abs. 1 LBG NW a.F. entspricht, eine individual-begünstigende Funktion abgesprochen und folglich einen Anspruch des Beamten auf Fehlerfreiheit der Ermessensentscheidung, ihn nicht erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen, verneint.
§ 48 Abs. 1 Satz 1 LBG NW n.F. ist keine vom Gesetz gewollte Begünstigung des in den Ruhestand versetzten Beamten zu entnehmen. Als Rechtsfolge ist ausschließlich eine Verpflichtung des Beamten vorgesehen, der erneuten Berufung in das Beamtenverhältnis Folge zu leisten. Diese eine einseitige Verpflichtung begründende Regelung lässt schon dem Wortlaut nach nicht erkennen, dass zugleich Rechte des Beamten konstituiert werden sollten. Vielmehr ergibt sich aus der Systematik des § 48 LBG NW, dass der Dienstherr im öffentlichen Interesse – ohne die zeitliche Beschränkung nach § 48 Abs. 2 LBG NW – befugt ist, den wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzten Beamten grundsätzlich auch gegen dessen Willen erneut in das Beamtenverhältnis zu berufen. Insoweit ist dem Beamten nur das Recht eingeräumt, eine erneute Begründung des Beamtenverhältnisses, die nicht den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, abzuwehren. Das Recht des Beamten, erneut in das Beamtenverhältnis berufen zu werden, regelt hingegen § 48 Abs. 2 LBG NW abschließend. Dass über den dort vorgesehenen Anspruch hinaus ein weiteres Recht des Beamten auf Begründung des Beamtenverhältnisses nach Ermessen eingeräumt werden sollte, ist auch nach dem Regelungszweck und der normativen Gliederung ausgeschlossen.
Der Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung”, dem die Neufassung der Vorschriften über die Wiederberufung Rechnung tragen soll (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts, BTDrucks 13/3994), gibt für eine beabsichtigte Begünstigung des Betroffenen nichts her. Die „in Zeiten knapper Kassen” angestrebte Verringerung des vorzeitigen Ruhestandes und die „Senkung der Versorgungslasten” (BTDrucks a.a.O.) dienen öffentlichen Interessen, nicht den Belangen des Beamten im Ruhestand.
Auch wegen der im Vergleich zum früheren Recht erweiterten Möglichkeiten des Dienstherrn, einen wieder dienstfähig gewordenen Ruhestandsbeamten in das Beamtenverhältnis zu berufen, ist es nicht geboten, § 48 Abs. 1 Satz 1 LBG NW n.F. als eine Vorschrift zu verstehen, die dem Ruhestandsbeamten einen Anspruch auf fehlerfreie Ausübung des Wiederberufungsermessens einräumt. Der Gesetzgeber darf ohne Verletzung höherrangigen Rechts die Interessen des Dienstherrn und des Beamten hinsichtlich der Reaktivierung unterschiedlich bewerten und ist nicht verpflichtet, Befugnissen des Dienstherrn korrespondierende Ansprüche des Beamten gegenüberzustellen.
Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, § 85 LBG NW, fordert gleichfalls nicht, § 48 Abs. 1 Satz 1 LBG NW als individual-begünstigende Norm auszulegen. Die Fürsorgepflicht des Dienstherrn geht nicht über das hinaus, das Beamten oder früheren Beamten durch spezialgesetzliche Regelung abschließend eingeräumt ist (stRspr, vgl. Urteil vom 4. November 1976 – BVerwG 2 C 40.74 – ≪a.a.O.≫; Beschluss vom 30. November 1994 – BVerwG 10 B 1.94 – ≪Buchholz 262 § 1 TGV Nr. 2≫ m.w.N).
Für einen Anspruch auf Heranführung an einen Leistungsstand, wie er für ein Amt des gehobenen Dienstes erforderlich ist, fehlt es an einer Rechtsgrundlage. § 48 Abs. 1 Satz 2 LBG NW oder § 48 LVO NW begründen keine dahingehenden Ansprüche des Klägers.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 26.10.2000 durch Nöpel Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 544002 |
NVwZ 2001, 328 |
ZBR 2001, 143 |
ZTR 2001, 95 |
DÖD 2001, 69 |
DÖV 2001, 296 |
VR 2001, 431 |
ZfPR 2002, 112 |
DVBl. 2001, 734 |
NPA 2001 |
VA 2001, 156 |