Entscheidungsstichwort (Thema)
Marktdefinition. Marktanalyse. Beurteilungsspielraum. fiktiver Markt. Vorleistungsmarkt. Vorleistungsprodukt. Weitervertrieb. Weitervertriebsprodukt. Resale. Bitstrom. Bitstrom-Zugang. Zugang. Kollokation. Entgeltgenehmigung. Entgeltregulierung. Standardangebot. Abwägung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Abgrenzung eines Vorleistungsmarktes nach § 10 Abs. 1 TKG setzt nicht stets das Bestehen realer Marktverhältnisse voraus. Der auf die Herstellung wettbewerblicher Verhältnisse gerichtete Normzweck kann die Abgrenzung eines “fiktiven” Marktes rechtfertigen, auf dem bisher noch kein tatsächliches Marktgeschehen stattfand.
2. Ist ein Vorleistungsprodukt nur begrenzt austauschbar mit einem am Markt auf Weitervertriebsbasis (“Resale”) schon angebotenen Vorleistungsprodukt, das den Nachfragern bestimmte Möglichkeiten der Qualitätsdifferenzierung nicht bietet, können die Produkte unterschiedlichen Märkten zugeordnet werden.
3. Der nationale Gesetzgeber darf das in Art. 16 Abs. 4 Rahmenrichtlinie i. V. m. Art. 8 ff. Zugangsrichtlinie gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Regulierungsermessen nicht generell für bestimmte Fallgruppen ausschließen (im Anschluss an das Urteil vom 2. April 2008 – BVerwG 6 C 15.07 – BVerwGE 131, 41 Rn. 61 ff.).
Normenkette
TKG §§ 9-13, 19, 21, 23-24, 30
Verfahrensgang
VG Köln (Urteil vom 05.09.2007; Aktenzeichen 21 K 4193/06) |
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Köln vom 5. September 2007 wird die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 13. September 2006 aufgehoben, soweit danach die Zugangsentgelte der Genehmigung unterliegen (Nummer I.2 des Verfügungstenors) und der Klägerin die Pflicht zur Veröffentlichung eines Standardangebots auferlegt worden ist (Nummer II. des Verfügungstenors). Die weitergehende Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin 2/3 und die Beklagte 1/3.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Regulierung des Vorleistungsmarktes für “Breitband-Zugang” bzw. “Bitstrom-Zugang” (Markt 12 der Märkte-Empfehlung der Europäischen Kommission vom 11. Februar 2003).
Die Klägerin bietet unter Verwendung der DSL-Technologie breitbandige digitale Datenübertragungsdienste, u. a. Internetzugangsdienste, an. Hierzu werden beim Endkunden DSL-Anschlüsse eingerichtet, von denen aus mittels Modems modulierte Daten über den breitbandigen Teil der Teilnehmeranschlussleitung zu sog. DSLAM geführt werden, die an den bundesweit rund 8 000 Hauptverteilern der Klägerin angeschlossen sind. Die DSLAM bündeln den ihnen aus den Teilnehmeranschlussleitungen zugeführten Datenverkehr zu einheitlichen Signalen, die sie in das Konzentratornetz weiterleiten. Von dort aus werden die gebündelten Signale über Netzknoten (“PoP”) in das Kernnetz transportiert und schließlich der sog. Dienste-Ebene zugeführt, von der aus der eigentliche Zugang zum Internet erfolgt. Der Verkehr von der Dienste-Ebene zum Endnutzer wird über die genannten Netzebenen in umgekehrter Richtung geführt.
Neben der Klägerin bieten auch deren Wettbewerber DSL-Anschlüsse und breitbandige Datentransportdienste an. Hierfür standen den Wettbewerbern, soweit sie nicht über eine vollständige eigene Netzinfrastruktur verfügen, bislang zwei Alternativen zur Verfügung: Entweder konnten sie Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung der Klägerin erhalten, mussten dafür aber mit erheblichem Investitionsaufwand die bundesweit rund 8 000 Hauptverteiler erschließen; oder sie konnten den Breitbandanschluss der Klägerin an ihre eigenen Endnutzer weiterverkaufen (“Resale DSL”) und sich die Breitbandverbindungen über das Konzentratornetz der Klägerin zuführen lassen. Bei Inanspruchnahme des Zuführungsprodukts “T-DSL-ZISP” der Klägerin kann die Übergabe des Breitbandverkehrs an einem der 74 Netzknoten (“PoP”) erfolgen.
Die Bundesnetzagentur führte in Bezug auf den Markt “Breitbandzugang für Großkunden” eine Marktdefinition und -analyse durch, die sie mit ihrer Festlegung vom 12. Januar 2006 abschloss. Darin heißt es, unter Bitstrom-Zugang sei ein Vorleistungsprodukt im kupferbasierten Festnetzbereich zu verstehen, das sich aus einem Anschlussteil und einem Zuführungsteil zusammensetze und den Nachfrager in die Lage versetze, eine mit individuellen Qualitätsparametern versehene Hochgeschwindigkeitsverbindung bis zum Endkunden herzustellen. Da es ein so verstandenes Bitstrom-Vorleistungsprodukt in Deutschland flächendeckend noch nicht und regional nur in Ansätzen gebe, sei der Vorleistungsmarkt vorausschauend abzugrenzen. Die unterschiedlichen Qualitätsstandards, die die beiden Übertragungstechnologien “Asynchronous Transfer Mode” (ATM) und “Internet-Protokoll” (IP) böten, machten es erforderlich, die Bitstrom-Produkte technologiebezogen zu klassifizieren; der Markt für ATM-Bitstrom-Zugang und der Markt für IP-Bitstrom-Zugang entsprächen zusammen Markt 12 der Märkte-Empfehlung. Weitervertriebsprodukte und auf deren Grundlage angebotene Produktkombinationen (insbesondere aus “Resale DSL” und “T-DSL-ZISP”) seien kein Substitut für Bitstrom, da sie dem Nachfrager keine Qualitätsdifferenzierung erlaubten. Im Endkundenbereich, der wegen der nur abgeleiteten Nachfrage nach Vorleistungen und wegen der erst rudimentären Existenz der Vorleistungsmärkte in die Untersuchung einzubeziehen sei, korrespondierten mit den beiden Vorleistungsmärkten ein “Massenmarkt” für Produkte ohne besondere Qualitätsgarantien sowie ein “Markt für Premium-Anschlüsse” für technisch ausdifferenzierte Produkte mit besonderen Qualitätsgarantien. ATM-Bitstrom-Zugang sei ein Vorleistungsprodukt für den “Premium”-Markt, während IP-Bitstrom-Zugang als Vorleistungsprodukt sowohl für den “Massenmarkt” als auch für den “Premium”-Markt in Betracht komme. Beide Vorleistungsmärkte für Bitstrom-Zugang seien durch beträchtliche und anhaltende Marktzutrittsschranken gekennzeichnet, tendierten längerfristig nicht zu wirksamem Wettbewerb und bedürften über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus einer regulatorischen Steuerung; auf beiden Märkten verfüge die Klägerin über beträchtliche Marktmacht.
Auf der Grundlage dieser Marktdefinition und -analyse, soweit sie sich auf den Vorleistungsmarkt für IP-Bitstrom-Zugang bezog, erließ die Bundesnetzagentur die angefochtene Regulierungsverfügung vom 13. September 2006. Darin erlegte sie der Klägerin die Verpflichtungen auf, anderen Unternehmen auf Nachfrage IP-Bitstrom-Zugang dadurch zu gewähren, dass sie im Rahmen eines einheitlichen Produkts den nachfragenden Unternehmen xDSL-Anschlüsse überlässt und den darüber geführten Paketstrom über ihr Konzentratornetz zu den PoP ihres IP-Kernnetzes transportiert, wo sie ihn nachfragenden Unternehmen übergibt (Nr. I.1.1), zum Zwecke des Zugangs Kollokation zu gewähren (Nr. I.1.2), bei Zugangsvereinbarungen die Gleichbehandlung sicherzustellen (Nr. I.1.3) und ihre Vorleistungspreise extern wie intern transparent zu gestalten (Nr. I.1.4). Die Bundesnetzagentur sprach aus, dass die Entgelte für Zugangsleistungen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterliegen (Nr. I.2). Sie behielt sich eine Ergänzung der Zugangsverpflichtungen sowie den Widerruf des Ausspruchs über die Entgeltregulierung vor (Nr. I.3 und I.4). Schließlich erlegte sie der Klägerin die Verpflichtung auf, ein Standardangebot für Zugangsleistungen zu veröffentlichen, für die eine allgemeine Nachfrage besteht (Nr. II.).
Die dagegen erhobene Klage ist vom Verwaltungsgericht im Wesentlichen mit folgender Begründung abgewiesen worden: Die Bundesnetzagentur habe sich bei der Marktdefinition und -analyse im Rahmen des ihr dabei zustehenden Beurteilungsspielraums gehalten. Sachgerecht sei insbesondere ihre Annahme, dass die von der Klägerin bislang angebotenen Weitervertriebs- bzw. Kombinationsprodukte wegen der fehlenden Möglichkeit der Qualitätsdifferenzierung mit dem IP-Bitstrom-Zugang nicht austauschbar seien und deshalb nicht demselben Markt angehörten. Denn der Bitstrom-Zugang umfasse neben asymmetrischen auch symmetrische und neben gebündelten auch entbündelte Zugangsvarianten, die die Klägerin ihren Wettbewerbern bislang nicht anbiete. Auch die in der Regulierungsverfügung im Einzelnen vorgesehenen Abhilfemaßnahmen seien insgesamt rechtmäßig.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verstöße gegen formelles und materielles Recht: Wie schon die Bundesnetzagentur im Rahmen der Marktabgrenzung hätte auch das Verwaltungsgericht nicht entscheiden dürfen, ohne zuvor die tatsächliche Möglichkeit der mit dem Bitstrom-Produkt erstrebten Qualitätsdifferenzierung aufzuklären. Da die netztechnischen Gegebenheiten über die Bereitstellung unterschiedlicher Bandbreiten hinaus weitere Differenzierungen nicht erlaubten, sei die Marktabgrenzung ebenso fehlerhaft wie die durch die Regulierungsverfügung auferlegte Zugangsverpflichtung. Die angegriffene Entgeltregulierung leide an einem Abwägungsausfall.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Regulierungsverfügung der Bundesnetzagentur vom 13. September 2006 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt ihre Marktfestlegung und die darauf gestützte Regulierungsverfügung sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist teilweise begründet. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage stattgeben müssen, soweit sie sich gegen die Entgeltregulierung und die Pflicht zur Veröffentlichung eines Standardangebots (Nr. I.2 und II. der Regulierungsverfügung) richtet. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen.
Die Klage ist insgesamt zulässig und führt in der Sache zu einem Teilerfolg.
1. Die Bundesnetzagentur hat ohne Rechtsfehler festgestellt, dass der bundesweite Markt für IP-Bitstrom-Zugang, auf dem die Klägerin über beträchtliche Marktmacht verfügt, im Sinne von §§ 10, 11 TKG regulierungsbedürftig ist.
a) Der Senat hat bereits entschieden und hält auch nach erneuter Überprüfung unter Berücksichtigung des Klagevorbringens daran fest, dass der Bundesnetzagentur ein Beurteilungsspielraum in Bezug auf die von ihr zu verantwortende Marktdefinition und Marktanalyse zusteht. Dies ist im Hinblick auf Wortlaut und Normzweck der Art. 7, 15 und 16 der Richtlinie 2002/21/EG vom 7. März 2002 über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste – Rahmenrichtlinie, RRL – derart offenkundig, dass eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 234 Abs. 3 EG, auf die die Klägerin angetragen hat, insoweit entbehrlich ist (s. Urteile vom 2. April 2008 – BVerwG 6 C 15.07 – BVerwGE 131, 41 Rn. 14 ff. = Buchholz 442.066 § 10 TKG Nr. 1 und vom 29. Oktober 2008 – BVerwG 6 C 38.07 – juris Rn. 15 ff.). Aus dem Beurteilungsspielraum folgt, dass das Gericht die Festlegungen der Bundesnetzagentur darauf überprüft, ob die Behörde die gültigen Verfahrensbestimmungen eingehalten hat, von einem richtigen Verständnis des anzuwendenden Gesetzesbegriffs ausgegangen ist, den erheblichen Sachverhalt vollständig und zutreffend ermittelt und sich bei der eigentlichen Bewertung an allgemein gültige Wertungsmaßstäbe gehalten, insbesondere das Willkürverbot nicht verletzt hat.
b) Verstöße gegen das der Marktfestlegung zugrunde liegende Konsultations- und Konsolidierungsverfahren (§ 12 TKG) sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.
c) In der Sache hat die Bundesnetzagentur den Markt für IP-Bitstrom-Zugang rechtsfehlerfrei abgegrenzt. Gemäß § 10 Abs. 1 TKG legt die Behörde die sachlich und räumlich relevanten Telekommunikationsmärkte fest, die für eine Regulierung in Betracht kommen. Dabei hat sie gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 TKG i. V. m. Art. 15 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 RRL die Empfehlung der Kommission in Bezug auf relevante Produkt- und Dienstmärkte – hier die auf den Streitfall noch anwendbare Märkte-Empfehlung vom 11. Februar 2003 (ABl EG Nr. L 114 S. 45) – weitestgehend zu berücksichtigen. Diese Normen begründen eine gesetzliche Vermutung dafür, dass die in der Märkte-Empfehlung aufgeführten Märkte auch in Deutschland potentiell, d. h. vorbehaltlich der noch durchzuführenden Marktanalyse, regulierungsbedürftig sind. Die Aufgabe der Bundesnetzagentur besteht in einer nachvollziehenden Bewertung anhand der Marktabgrenzungskriterien des europäischen Wettbewerbsrechts, die einerseits die von der Vermutungswirkung ausgehende Vorprägung des Ergebnisses durch die Empfehlung der Kommission, andererseits aber auch und insbesondere etwaige vom europäischen Standard abweichende nationale Besonderheiten angemessen berücksichtigt (Urteil vom 2. April 2008 – BVerwG 6 C 15.07 – a. a. O. Rn. 24 f.).
aa) Bei der hier vorliegenden Marktdefinition hat sich die Bundesnetzagentur an Markt 12 der Märkte-Empfehlung (“Breitbandzugang für Großkunden”) orientiert. Soweit sie zwei getrennte Vorleistungsmärkte, den Markt für IP-Bitstrom-Zugang und den Markt für ATM-Bitstrom-Zugang, abgegrenzt hat, hat sie diese Abweichung mit besonderen netztechnischen Gegebenheiten in Deutschland nachvollziehbar begründet; dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
bb) Nach den Grundsätzen des Wettbewerbsrechts, die gemäß Art. 15 Abs. 3 Satz 1 RRL für die Abgrenzung der Telekommunikationsmärkte maßgebend sind, gehören zu dem sachlich relevanten Markt sämtliche Produkte, die wegen ihrer objektiven Merkmale, der Wettbewerbsbedingungen und der Struktur von Angebot und Nachfrage hinreichend austauschbar bzw. substituierbar sind; Produkte, die nur in geringem Maß oder nur relativ austauschbar sind, gehören nicht demselben Markt an (s. Nr. 38 ff., 44 der Leitlinien der Kommission zur Marktanalyse vom 11. Juli 2002, ABl EG Nr. C 165 S. 6 – Marktanalyse-Leitlinien –, unter Hinweis auf die stRspr des EuGH, vgl. nur Urteil vom 14. November 1996 – Rs. C-333/94, Tetra Pak – Slg. 1996, I-5951 Rn. 10 ff. m. w. N.).
Wie schon das Verwaltungsgericht zutreffend angenommen hat, steht der angegriffenen Marktdefinition nicht entgegen, dass es sich bei dem von der Bundesnetzagentur regulierten Vorleistungsmarkt für IP-Bitstrom-Zugang um einen lediglich “fiktiven” Markt handelte, auf dem im Zeitpunkt des Erlasses der Regulierungsverfügung ein bundesweites Marktgeschehen tatsächlich nicht stattfand. Schon unter der Geltung des § 33 TKG 1996 war anerkannt, dass das Bestehen eines eigenständigen Vorleistungsmarktes nicht davon abhing, ob im Bereich der Vorprodukte bislang tatsächlich Marktverhältnisse herrschten. Mit Blick auf den Normzweck, im Interesse der Sicherstellung und Förderung chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs die Übertragung einer marktbeherrschenden Stellung vom Vorleistungsbereich auf den nachgelagerten Endkundenbereich zu verhindern, reichte es vielmehr schon nach der damaligen Rechtslage aus, wenn im maßgeblichen Zeitpunkt ein fiktiv bestehender Markt von dem in Anspruch genommenen Unternehmen beherrscht worden wäre (Urteil vom 3. Dezember 2003 – BVerwG 6 C 20.02 – BVerwGE 119, 282 ≪289 f.≫ = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 2 S. 29 f.). Dieselbe Grundentscheidung, über den Schutz eines “natürlich” entwickelten Marktes hinaus den Wettbewerb mit regulatorischen Mitteln überhaupt erst zu ermöglichen, liegt auch und gerade geltendem Recht zugrunde. Wie sich den drei in § 10 Abs. 2 TKG genannten – in Erwägungsgrund 27 RRL angelegten – Kriterien für die potentielle Regulierungsbedürftigkeit von Märkten (beträchtliche und anhaltende Marktzutrittsschranken, längerfristig fehlende Tendenz zu wirksamem Wettbewerb, Insuffizienz des allgemeinen Wettbewerbsrechts) entnehmen lässt, besteht der Zweck der Marktregulierung gemäß §§ 9 ff. TKG darin, die Voraussetzungen für die Herstellung wettbewerblicher Verhältnisse in den Bereichen der Telekommunikation zu schaffen, in denen sie bislang nicht bestehen. Dementsprechend legen auch die Marktanalyse-Leitlinien (s. Nr. 27) fest, dass Märkte für die Zwecke der bereichsspezifischen Regulierung stets vorausschauend, d. h. unter Einbeziehung der künftigen Marktentwicklung bewertet werden müssen, was dazu führt, dass die für wettbewerbsrechtliche Zwecke abgegrenzten Märkte und die Märkte, die für eine bereichsspezifische Regulierung definiert werden, nicht immer deckungsgleich sind.
Soweit die Klägerin der zu Art. 82 EG ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 26. November 1998 – Rs. C-7/97, Bronner – Slg. 1998, I-7791 Rn. 31 ff. und vom 29. April 2004 – Rs. C-418/01, Health – Slg. 2004, I-5039 Rn. 38 ff.) entnehmen will, dass für die Abgrenzung fiktiver Telekommunikations-Vorleistungsmärkte verschärfte Anforderungen im Hinblick auf die “Unerlässlichkeit” des Vorleistungsprodukts gelten, trifft dies nicht zu. Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung betrifft die Frage, inwieweit ein marktbeherrschendes Unternehmen, das Wettbewerbern unter Berufung auf das Recht des geistigen Eigentums den Zugang zu Vorleistungsprodukten verweigert, seine Marktmacht missbraucht. Demgegenüber ist die missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung für die Marktabgrenzung nach § 10 TKG i. V. m. Art. 15 RRL nicht maßgeblich; ausschlaggebend ist vielmehr eine generelle vorausschauende Bewertung der Funktionsfähigkeit des betreffenden Marktes anhand der allgemeinen Kriterien der Austauschbarkeit bzw. Substituierbarkeit (s. auch Nr. 27 Marktanalyse-Leitlinien).
cc) Die von der Klägerin bisher angebotenen Weitervertriebsprodukte sowie die auf dieser Grundlage gestalteten Kombinationsprodukte (insbesondere “Resale DSL” und “T-DSL-ZISP”) wurden von der Behörde auf der Grundlage eines vollständig und zutreffend ermittelten Sachverhalts aus dem Markt für IP-Bitstrom-Zugang ausgegrenzt.
(1) Der Marktabgrenzung liegt die tatsächliche Annahme zugrunde, dass das IP-Bitstrom-Zugangsprodukt den Wettbewerbern der Klägerin Möglichkeiten einer eigenen Qualitätsdifferenzierung im Verhältnis zum Endkunden gewährt, die ihnen die vorbezeichneten Weitervertriebs- und Kombinationsprodukte nicht bieten. Diese Annahme beruht auf einer zutreffenden Tatsachengrundlage. Zum einen war bereits in erster Instanz zwischen den Beteiligten unstreitig und von der Klägerin in ihren dort gestellten Hilfsbeweisanträgen ausdrücklich zugestanden, dass ein Wettbewerber im Rahmen des IP-Bitstrom-Produkts mittels Bereitstellung unterschiedlicher Bandbreiten bestimmte Gestaltungsmöglichkeiten nutzen kann, über die er auf der Grundlage eines Weitervertriebsprodukts oder eines darauf basierten Kombinationsprodukts nicht verfügt. Zum anderen und vor allem hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die in Rede stehenden Weitervertriebs- und Kombinationsprodukte nur eine asymmetrische Übertragung (mit höherer Bandbreite in Empfangsrichtung als in Senderichtung) ermöglichen, nicht aber symmetrische Datenübertragungsleistungen (mit gleicher Bandbreite in Sende- und Empfangsrichtung). Es hat weiter festgestellt, dass die bisher angebotenen Produkte der Klägerin stets voraussetzen, dass der Endkunde Inhaber eines schmalbandigen Telefonanschlusses der Klägerin ist, also nur einen “gebündelten”, aber keinen “entbündelten” Breitbandzugang erlauben, der die technische Grundlage für die Ersetzung des herkömmlichen schmalbandigen Sprachtelefondienstes durch VoIP-Telefonie bildet. Demgegenüber ermöglicht IP-Bitstrom-Zugang nach den von der Klägerin nicht mit Revisionsrügen in Frage gestellten, sondern in der Revisionsverhandlung als richtig zugestandenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts asymmetrische wie symmetrische und gebündelte wie entbündelte Breitbanddienste.
(2) Wie sich aus der Marktdefinition und -analyse (s. insbesondere S. 27 f., S. 88) ergibt, hat die Bundesnetzagentur gerade die Varianten der asymmetrischen bzw. symmetrischen und der gebündelten bzw. entbündelten Datenübertragung unter dem Gesichtspunkt der Qualitätsdifferenzierung als für den Bitstrom-Zugang wesentlich erachtet. Unter dieser Prämisse verstößt es nicht gegen die Denkgesetze, sondern war vom Standpunkt der Bundesnetzagentur aus konsequent, dass sie ein Vorleistungsprodukt dem streitgegenständlichen Markt nur unter der Voraussetzung zugeordnet hat, dass es die vorgenannten Varianten sämtlich umfasst.
Auf die von der Klägerin als entscheidungserheblich bezeichnete und verneinte Frage, ob das Bitstrom-Zugangsprodukt nach den aktuellen technischen Gegebenheiten ihres Netzes über die Eröffnung der symmetrischen und der entbündelten Zugangsvarianten und über die Bereitstellung zusätzlicher Bandbreitenprofile hinaus weitere technische Modalitäten einer etwaigen Qualitätsdifferenzierung bietet, kam es aus der für die gerichtliche Überprüfung der Marktabgrenzung zunächst bedeutsamen Sicht der Behörde nicht an. Zwar ist an zahlreichen Stellen der Marktdefinition und -analyse ohne weitere Spezifizierung von den durch den Bitstrom-Zugang eröffneten Möglichkeiten der Qualitätsdifferenzierung die Rede. Daraus lässt sich aber nicht herleiten, dass die Behörde bei der Marktabgrenzung neben den dargelegten und zwischen den Parteien nicht streitigen Differenzierungsmöglichkeiten das Bestehen weiterer Möglichkeiten zwingend vorausgesetzt hat. Vielmehr erklärt sich die durchgängige Verwendung des unbestimmten Begriffs der Qualitätsdifferenzierung daraus, dass die Marktabgrenzung ausdrücklich auf einem vorausschauenden Ansatz beruht und daher etwaige zusätzliche Optionen schon aufgrund der absehbaren technischen Weiterentwicklung von vornherein mitberücksichtigt.
Da sich auch das Verwaltungsgericht ähnlich wie die Behörde in seiner Entscheidung mit den dargelegten unstreitigen Möglichkeiten der Qualitätsdifferenzierung begnügt hat, brauchte es den von der Klägerin gestellten Hilfsbeweisanträgen, die auf den Nachweis des Nichtbestehens weiterer Möglichkeiten gerichtet waren, nicht nachzugehen. Die von der Klägerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge mangelhafter Sachverhaltsaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist daher unbegründet.
dd) Vor dem vom Verwaltungsgericht festgestellten und zudem unstreitigen tatsächlichen Hintergrund hält sich die Bewertung der Bundesnetzagentur, dass die vorerwähnten Weitervertriebs- und Kombinationsprodukte wegen unzureichender Differenzierungsmöglichkeiten keine hinreichenden Substitutionsbeziehungen zum Bitstrom-Zugangsprodukt aufweisen und deshalb dem definierten Markt nicht angehören, im Rahmen des ihr eröffneten Beurteilungsspielraums und ist daher rechtlich hinzunehmen. Zwar ist eine Austauschbarkeit ersichtlich insofern gegeben, als Unternehmen, die den Massenmarkt mit asymmetrischen, gebündelten Breitbanddiensten ohne besondere Qualitätsmerkmale beliefern wollen, zwischen dem Bitstrom-Zugangsprodukt und einem der schon bisher von der Klägerin angebotenen Produkte wählen können. Auf der anderen Seite hat aber die Bundesnetzagentur überzeugend ausgeführt, dass Unternehmen, für die der direkte Endkundenzugang und die Produktdifferenzierung bedeutsam sind und die auf einen Infrastrukturwettbewerb mit der Klägerin abzielen, solche Produkte nicht nachfragen werden (s. S. 41 der Marktdefinition und -analyse). Dies deckt sich mit der Einschätzung der Kommission, dass Produkte des Wiederverkaufs mit dem Bitstrom-Produkt nur begrenzt substituierbar und deshalb nicht Bestandteil von Markt 12 sind (siehe Begründung zur Märkte-Empfehlung, S. 24 f.).
Es ist plausibel, dass ein auf “Resale” basierendes Vorleistungsprodukt die Bedürfnisse solcher Unternehmen, die auf Infrastrukturwettbewerb mit innovativen Diensten setzen, nicht befriedigen kann. Weitervertriebsprodukte bewirken zwar regelmäßig eine den Wettbewerb intensivierende Verbreiterung der Angebotspalette, beschränken die Wettbewerber aber auf die Erbringung mit dem Vorleistungsprodukt voll kompatibler Leistungen und hindern sie am Einsatz innovativer Technik; beim vorstoßenden Wettbewerb mit innovativen Produkten belässt “Resale” dem vertikal integrierten Marktführer nicht selten einen Wettbewerbsvorsprung, den die Wiederverkäufer aufgrund begrenzter Möglichkeiten zu eigenem vorstoßenden Wettbewerb nur bedingt ausgleichen können (s. dazu bereits Urteile vom 25. April 2001 – BVerwG 6 C 6.00 – BVerwGE 114, 160 ≪183 f.≫ = Buchholz 442.066 § 33 TKG Nr. 1 S. 16, vom 3. Dezember 2003 – BVerwG 6 C 20.02 – a. a. O. S. 296 bzw. S. 34 f. und vom 18. Dezember 2007 – BVerwG 6 C 47.06 – Buchholz 442.066 § 42 TKG Nr. 3 Rn. 32 f.). Das Vorleistungsprodukt “Bitstrom-Zugang” ist demgegenüber nach der in sich schlüssigen und vertretbaren Einschätzung der Beklagten geeignet, alternativen Anbietern mit (noch) geringer Infrastruktur den Markteintritt zu ermöglichen und ihnen den Einstieg in den Infrastrukturwettbewerb zu erleichtern. Auch nach Ansicht der Kommission fördert ein Breitbandzugang, der den Wettbewerbern die Aufnahme direkter Endkundenbeziehungen und das Angebot entbündelter DSL-Anschlüsse ermöglicht, die Wettbewerbsentwicklung auf den Endkundenmärkten; er ist danach für Marktneulinge ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Ausbau eigener Netzinfrastruktur, der dann in dichter besiedelten Gebieten erfahrungsgemäß bis zum Teilnehmeranschluss erfolgt, während in anderen Gebieten längerfristig Bitstrom-Zugang in Anspruch genommen wird (s. Mitteilung der Kommission vom 11. Juli 2007 über die Überprüfung der Märkte entsprechend dem Rechtsrahmen der EU – KOM ≪2007≫ 401 endg. – S. 8 f.). Daher ist nachvollziehbar, dass zwischen dem Bitstrom-Zugangsprodukt, wie es die Bundesnetzagentur versteht, und den bislang angebotenen Weitervertriebs- und Kombinationsprodukten nur eine begrenzte oder relative Austauschbarkeit besteht, die die Zuordnung zu unterschiedlichen Märkten rechtfertigt (vgl. Nr. 44 der Marktanalyse-Leitlinien unter Hinweis auf die Rechtsprechung des EuGH, s. Urteil vom 14. November 1996 – Rs. C-333/94, Tetra Pak – a. a. O. Rn. 10 ff.).
d) Die Bundesnetzagentur hat ferner die in § 10 Abs. 2 TKG vorgesehene Überprüfung der Regulierungsbedürftigkeit des abgegrenzten Marktes anhand der dort genannten Kriterien (beträchtliche und anhaltende Marktzutrittsschranken, fehlende Tendenz zu wirksamem Wettbewerb, Insuffizienz des allgemeinen Wettbewerbsrechts) fehlerfrei durchgeführt und ist in der nachfolgenden Marktanalyse gemäß § 11 TKG in nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin auf dem Vorleistungsmarkt für IP-Bitstrom-Zugang über beträchtliche Marktmacht verfügt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargelegt, dass die Bundesnetzagentur mit den diesbezüglichen Feststellungen ihren Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat. Dem ist die Revision nicht mehr entgegengetreten.
2. Auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei durchgeführten Marktdefinition und Marktanalyse sind die der Klägerin gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG auferlegten Regulierungsverpflichtungen mit Ausnahme der Regelungen zur Entgeltgenehmigungspflicht und zum Standardangebot ebenfalls rechtmäßig.
a) Etwaige Verstöße gegen die insoweit maßgeblichen Verfahrensbestimmungen (§ 13 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 12 Abs. 1, 2, § 135 TKG) sind weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
b) In materieller Hinsicht erweist sich die der Klägerin unter Nr. I.1.1 der Regulierungsverfügung auferlegte Verpflichtung, anderen Unternehmen auf Nachfrage IP-Bitstrom-Zugang dadurch zu gewähren, dass sie ihnen im Rahmen eines einheitlichen Produktes “xDSL-Anschlüsse” überlässt und den darüber geführten Paketstrom über ihr Konzentratornetz zu den “PoP” genannten Netzknoten ihres IP-Kernnetzes transportiert und dort übergibt, als rechtmäßig. Die angefochtene Regelung stützt sich auf § 21 Abs. 1 TKG, wonach die Bundesnetzagentur marktmächtige Netzbetreiber unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen und Maßgaben zur Zugangsgewährung verpflichten kann; die Zugangsverpflichtung kann sich gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG unter anderem auf den Zugang zu bestimmten Netzkomponenten oder -einrichtungen einschließlich des entbündelten Breitbandzugangs beziehen.
Das Verwaltungsgericht hat den in Nr. I.1.1 der Regulierungsverfügung verwendeten Begriff “xDSL-Anschlüsse” in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dahin ausgelegt, dass er sich auf asymmetrische wie symmetrische und gebündelte wie entbündelte Zugangsvarianten erstreckt. Mit diesem Verständnis wird die Verpflichtung von ihrer Rechtsgrundlage in § 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG auch bei gemeinschaftsrechtskonformer Auslegung gedeckt. Insbesondere geht die Norm, was die Einbeziehung entbündelter Breitbandzugänge betrifft, nicht über die Vorgabe in Art. 12 der Richtlinie 2002/19/EG vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung – Zugangsrichtlinie, ZRL – hinaus, deren Umsetzung sie dient. Denn der entbündelte Breitbandzugang ist ein Unterfall des in § 21 Abs. 2 Nr. 1 TKG und Art. 12 Abs. 1 Buchst. a ZRL – als Zugangsbeispiel – übereinstimmend benannten Zugangs “zu bestimmten Netzkomponenten oder -einrichtungen” (so zutreffend Thomaschki, in: BerlKommTKG 2006, § 21 Rn. 88; s. auch Piepenbrock/Attendorn, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 21 Rn. 127; a.A. Mayen, in: Scheurle/Mayen, TKG, 2. Aufl. 2008, § 21 Rn. 93).
Die Bundesnetzagentur hat das ihr in § 21 Abs. 1, 2 TKG eingeräumte Ermessen ohne Rechtsfehler ausgeübt. Die Prüfung, ob die Zugangsverpflichtung nach Maßgabe der in § 21 Abs. 1 Satz 2 TKG im Einzelnen aufgeführten Kriterien in einem angemessenen Verhältnis zu den Regulierungszielen des § 2 Abs. 2 TKG steht, ist Gegenstand des der Bundesnetzagentur eingeräumten Regulierungsermessens, das vom Gericht auf etwaige Abwägungsfehler zu überprüfen ist (s. Urteil vom 2. April 2008 – BVerwG 6 C 15.07 – a. a. O. Rn. 47). Wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, leidet die der Klägerin auferlegte Zugangsverpflichtung an keinen derartigen Fehlern, insbesondere nicht an einer Verkennung des abwägungserheblichen Sachverhalts. Soweit die Klägerin der Beklagten wie auch dem Verwaltungsgericht vorwirft, diese hätten verkannt, dass das IP-Bitstrom-Zugangsprodukt aufgrund der netztechnischen Gegebenheiten keine weitergehende Qualitätsdifferenzierung ermögliche als die am Vorleistungsmarkt bereits angebotenen Weitervertriebs- und Kombinationsprodukte (insbesondere “Resale DSL” und “T-DSL-ZISP”), gehen ihre verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Angriffe ebenso fehl wie schon ihre Kritik an der Marktabgrenzung. Die Klägerin verkennt die Möglichkeiten der Qualitätsdifferenzierung nicht nur durch Bandbreitenvielfalt, sondern auch und insbesondere durch die Eröffnung entbündelter bzw. symmetrischer Zugangsvarianten, die den Wettbewerbern auf der Grundlage der bisher angebotenen Vorleistungsprodukte nicht offenstanden.
c) Rechtmäßig ist auch die der Klägerin unter Nr. I.1.2 der Regulierungsverfügung auferlegte Verpflichtung, nachfragenden Unternehmen Kollokation zu gewähren. Diese Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 21 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 TKG, wonach die Bundesnetzagentur marktmächtigen Netzbetreibern die Kollokationsverpflichtung auferlegen “soll”. Bestimmt eine Rechtsvorschrift, dass eine Behörde sich in bestimmter Weise verhalten soll, deutet dies auf eine strikte Bindung für den Regelfall mit der Möglichkeit der Abweichung (nur) in atypischen Fällen hin; der Bindungsumfang ist allerdings letztlich stets von der Auslegung der jeweiligen Norm abhängig (s. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 40 Rn. 26, 27). Im hier vorliegenden Zusammenhang stellt sich die – an anderer Stelle im Hinblick auf Art. 8 ff. ZRL noch zu erörternde – Frage nach einer etwaigen gemeinschaftsrechtskonformen Reduktion des Bindungsumfangs nicht, weil die Bundesnetzagentur in Bezug auf die Kollokationsverpflichtung ihr Ermessen unter Berücksichtigung der in § 21 Abs. 1 Satz 2 TKG aufgeführten Kriterien vollständig ausgeübt hat.
d) Die der Klägerin gemäß § 19 TKG auferlegte Gleichbehandlungspflicht (Nr. I.1.3 des Verfügungstenors) ist ebenso rechtmäßig wie die Verpflichtung zur getrennten Rechnungsführung (Nr. I.1.4 des Verfügungstenors), die ihre Grundlage in § 24 TKG findet. Soweit das angefochtene Urteil die diesbezüglichen Ausführungen der Bundesnetzagentur gebilligt hat, sind Einwände von der Revision nicht erhoben worden und auch sonst nicht ersichtlich.
e) Die Revision hat aber Erfolg, soweit die Bundesnetzagentur unter Nr. I.2 des Tenors der Regulierungsverfügung ausgesprochen hat, dass die Entgelte für Zugangsleistungen der Genehmigung nach Maßgabe des § 31 TKG unterliegen; insoweit hätte das Verwaltungsgericht der Klage stattgeben müssen.
aa) Die von der Bundesnetzagentur getroffene Regelung findet keine ausreichende Stütze in § 30 Abs. 1 TKG. Zwar “unterliegen” nach dessen Wortlaut die Entgelte eines marktmächtigen Betreibers der Genehmigung, falls die Behörde die Entgelte nicht unter den in § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 bis 3 TKG kumulativ bezeichneten Voraussetzungen (keine “doppelte” Marktmacht, keine “frühere” Marktmacht und “Ausreichen” im Hinblick auf die Regulierungsziele) einer nachträglichen Regulierung unterwirft. Der Senat hat aber bereits entschieden und hält daran fest, dass diese Norm der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung bedarf. Die in § 30 TKG vorgesehene Entgeltregulierung setzt Art. 13 ZRL um, der seinerseits im systematischen Zusammenhang mit Art. 8 ZRL steht. Art. 8 Abs. 1 und 2 ZRL handelt – in gleicher Weise wie Art. 16 Abs. 4 RRL – von der Auferlegung bestimmter, in den Art. 9 bis 13 ZRL näher bezeichneter Verpflichtungen durch die nationale Regulierungsbehörde, die dabei den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten (Art. 8 Abs. 4 Satz 1 ZRL) und den Stellungnahmen der Kommission und der anderen nationalen Regulierungsbehörden weitestgehend Rechnung zu tragen hat (Art. 8 Abs. 4 Satz 2 ZRL i. V. m. Art. 7 Abs. 3, 5 RRL).
Die Europäische Kommission hat daraus in ihrer den Beteiligten bekannten, auf Art. 226 EG gestützten Stellungnahme vom 12. April 2005 – C(2005) 1196 – S. 5 ff. hergeleitet, dass die nationale Regulierungsbehörde über den vollen, durch den nationalen Gesetzgeber nicht einschränkbaren Ermessensspielraum in Bezug auf die Angemessenheit der aufzuerlegenden Entgeltregulierungsverpflichtung verfügt. Die genannten Vorschriften des Gemeinschaftsrechts erlauben unbeschadet der Frage, welchen Regelungsspielraum das Gemeinschaftsrecht dem nationalen Gesetzgeber im Einzelnen lässt, jedenfalls keinen Zweifel daran, dass ein Verständnis von § 30 Abs. 1 TKG, wonach Satz 1 die Genehmigungspflicht kraft Gesetzes generell anordnen würde und die Bundesnetzagentur nur ausnahmsweise in den in Satz 2 genannten Fällen hiervon abweichen könnte, richtlinienwidrig wäre. Deshalb ist § 30 Abs. 1 TKG gemeinschaftsrechtskonform dahin auszulegen, dass die Bundesnetzagentur stets über das Ob und das Wie der Entgeltregulierung zu entscheiden hat (s. bereits Urteil vom 2. April 2008 – BVerwG 6 C 15.07 – a. a. O. Rn. 63; vgl. Urteil vom 29. Oktober 2008 – BVerwG 6 C 38.07 – juris Rn. 58 f.).
Daraus folgt zugleich, dass der Ausschluss jeglicher Abwägung, wie er dem Wortlaut des § 30 Abs. 1 Satz 1 TKG für den Fall entspricht, dass die beiden in § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 TKG genannten (negativen) Tatbestandsvoraussetzungen nicht kumulativ zugunsten des marktbeherrschenden Unternehmens vorliegen, mit Art. 16 Abs. 4 RRL, Art. 8, 13 ZRL eindeutig unvereinbar ist (so auch die Europäische Kommission a. a. O.; Schuster/Ruhle, in: BeckTKG, 3. Aufl. 2006, § 30 Rn. 23, 29; Klotz, in: BerlKommTKG 2006, Einl. II Rn. 149; Mayen, in: Scheurle/Mayen a. a. O. § 30 Rn. 39 ff.; a. A. Koenig/Neumann/ Senger, MMR 2006, 365 ≪368 f.≫). Inwieweit ein Verständnis des § 30 Abs. 1 Satz 2 TKG im Sinne einer bloßen Abwägungsdirektive, die in jedem Einzelfall planerisch überwunden werden kann (zum Begriff: Urteil vom 28. Januar 1999 – BVerwG 4 CN 5.98 – BVerwGE 108, 248 ≪256≫ = Buchholz 406.25 § 41 BImSchG Nr. 25 S. 8), die Grenzen des Umsetzungsspielraums wahren könnte, bedarf aus Anlass des vorliegenden Falles keiner Vertiefung. Fest steht jedenfalls, dass der nationale Gesetzgeber das gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Regulierungsermessen nicht generell für bestimmte Fallgruppen ausschließen darf.
bb) Nach diesem Maßstab ist die von der Bundesnetzagentur ausgesprochene Entgeltregulierungsmaßnahme rechtswidrig. Selbst wenn die Entscheidung der Behörde zur Entgeltregulierung dahin gedeutet werden könnte, dass diese nicht nur festgestellt, sondern der Klägerin regulatorisch auferlegt worden ist, leidet die Regelung an einem Abwägungsausfall. Denn ihre Auslegung führt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass eine Abwägung überhaupt nicht stattgefunden hat. Dies folgt schon aus Wortlaut und Systematik des Verfügungstenors, der unter Nr. I.1 die der Klägerin auferlegten Verpflichtungen zusammenfasst und davon abgesetzt unter Nr. I.2 den Ausspruch über das Bestehen der Entgeltgenehmigungspflicht trifft. Aus den zur Auslegung des Verfügungstenors mit heranzuziehenden Gründen lässt sich nichts Abweichendes entnehmen. Vielmehr belegt der Umstand, dass die Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit der Entgeltregulierung (nur) eine “ausnahmsweise Freistellung von der Exante-Genehmigungspflicht” erwogen und verneint hat (S. 25), dass nicht das grundsätzliche Bestehen, sondern nur das etwaige – nach Meinung der Behörde an zwingende Voraussetzungen gebundene – Entfallen der Entgeltgenehmigungspflicht in den Blick genommen worden ist. Nichts anderes ergibt sich aus der Erwägung der Bundesnetzagentur, wonach sie nicht ohne weiteres zu einer anderen Rechtsfolge “käme”, wenn ihr ein Ermessen “zustünde”, weil es ihr dann freistünde, “die gesetzgeberischen Erwägungen zum Gegenstand ihrer eigenen Ermessenserwägungen zu machen”. Auch diese Hilfsüberlegung verdeutlicht, dass nur die abstrakten gesetzlichen Wertungen, nicht aber die konkreten Umstände des Einzelfalles berücksichtigt worden sind; dies aber wäre im Rahmen der Abwägung selbst dann geboten, wenn diese durch eine mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbare gesetzliche Abwägungsdirektive vorgesteuert sein sollte. Schließlich gibt der Umstand, dass die Bundesnetzagentur sich den Widerruf ihres Ausspruchs zur Entgeltregulierung für den Fall vorbehalten hat, dass der Wegfall der beträchtlichen Marktmacht der Klägerin auf dem Endkundenmarkt festgestellt wird (Nr. I.4 der Regulierungsverfügung), entgegen der Ansicht der Beklagten ersichtlich nichts dafür her, dass die Auferlegung der Entgeltgenehmigungspflicht auf einer einzelfallbezogenen Abwägung beruht hätte.
cc) Der Abwägungsausfall kann nicht dadurch gerechtfertigt werden, dass die Europäische Kommission in ihrer der Regulierungsverfügung vorangegangenen Stellungnahme vom 21. August 2006 eine nachträgliche Preiskontrolle, die statt der Genehmigungspflicht hätte auferlegt werden können, als unzureichend zur Lösung des Wettbewerbsproblems bezeichnet hatte. Dieser Stellungnahme war bei Erlass der Regulierungsverfügung zwar “weitestgehend Rechnung zu tragen” (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 Satz 1 TKG; Art. 7 Abs. 3, 5 RRL); dies entband die Bundesnetzagentur aber nicht von einer dies berücksichtigenden eigenen Abwägung unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes.
f) Aus entsprechenden Gründen erweist sich schließlich auch die der Klägerin unter Nr. II. der angefochtenen Verfügung auferlegte Pflicht zur Veröffentlichung eines Standardangebots als rechtswidrig. Diese Verpflichtung findet keine ausreichende Stütze in § 23 Abs. 1 TKG. Zwar ist in dieser Vorschrift in ihrer auf den Streitfall noch anwendbaren Ursprungsfassung geregelt, dass einem marktmächtigen Betreiber unter den dort genannten und von der Bundesnetzagentur bejahten Voraussetzungen die Pflicht zur Veröffentlichung eines Standardangebots auferlegt werden “soll”. Die Behörde hat diese Norm – im Einklang mit dem bereits oben wiedergegebenen herkömmlichen Verständnis einer Soll-Vorschrift – dahin ausgelegt, dass sie in einem Regelfall wie dem hier vorliegenden gebunden war und nur in einem atypischen Fall zur Ausübung von Ermessen berechtigt gewesen wäre.
Wie die Europäische Kommission in ihrer bereits erwähnten Stellungnahme vom 12. April 2005 (a. a. O. S. 16) überzeugend dargelegt hat, ist dieses Normverständnis eindeutig unvereinbar mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe in Art. 9 Abs. 2 Satz 1 ZRL. Denn danach steht der nationalen Regulierungsbehörde in jedem Einzelfall ein Ermessen darüber zu, ob sie die Standardangebotspflicht auferlegt. Auch insoweit bedarf es aus Anlass des vorliegenden Falles keiner abschließenden Prüfung, ob und inwieweit die nationale Soll-Vorschrift einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung im Sinne einer – in jedem Einzelfall überwindbaren – Abwägungsdirektive zugänglich ist. Selbst wenn man dies annimmt, bewirkt ein vollständiger Abwägungsausfall, wie er hier vorliegt, die Rechtswidrigkeit der der Klägerin auferlegten Verpflichtung.
g) Die Rechtswidrigkeit der zu Nr. I.2 und II. getroffenen Regelungen führt zur Teilaufhebung der angefochtenen Regulierungsverfügung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist ein Verwaltungsakt teilbar, wenn der rechtlich unbedenkliche Teil nicht in einem untrennbaren inneren Zusammenhang mit dem rechtswidrigen Teil steht. Der rechtswidrige Teil muss in der Weise abtrennbar sein, dass der Verwaltungsakt im Übrigen ohne Änderung seines Inhalts in sinnvoller und rechtmäßiger Weise bestehen kann. Diese Grundsätze gelten auch, wenn der Behörde beim Erlass des Verwaltungsakts ein Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zukommt (s. Urteile vom 19. März 1996 – BVerwG 1 C 34.93 – BVerwGE 100, 335 ≪338≫ = Buchholz 402.240 § 12 AuslG 1990 Nr. 9 S. 36 und vom 13. November 1997 – BVerwG 3 C 33.96 – BVerwGE 105, 354 ≪358≫ = Buchholz 451.513 Sonst. Marktordnungsrecht Nr. 4 S. 30; Beschluss vom 2. Mai 2005 – BVerwG 6 B 6.05 – juris Rn. 8, jeweils m. w. N.). Nach diesem Maßstab ist die Teilbarkeit hier zu bejahen. Auch wenn die Regulierungsverpflichtungen miteinander im Zusammenhang stehen, bleibt mit den auf einer rechtmäßigen Marktdefinition und -analyse beruhenden Zugangs-, Gleichbehandlungs- und Transparenzverpflichtungen eine nach dem Konzept der Bundesnetzagentur rechtmäßige und sinnvolle Regelung bestehen, die sie gegebenenfalls noch um eine rechtmäßige Maßnahme der Entgeltregulierung ergänzen kann.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Unterschriften
Dr. Bardenhewer, Büge, Dr. Graulich, Dr. Bier, Dr. Möller
Fundstellen
Haufe-Index 2141146 |
CR 2009, 366 |
DÖV 2009, 1154 |
GewArch 2009, 114 |
DVBl. 2009, 730 |
MMR 2009, 786 |
N&R 2009, 130 |