Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügungsberechtigter. Treuhandkapitalgesellschaft. Erlösauskehr. investive Veräußerung. Unternehmensverkauf. “asset deal”. Restitutionsausschlussgrund der gewerblichen Nutzung. Untergang des Restitutionsausschlussgrundes. gütliche Einigung. begleitender Bescheid. Behörde als Beklagter
Leitsatz (amtlich)
Normenkette
VermG § 2 Abs. 3 S. 1, § 5 Abs. 1 Buchst. d, § 31 Abs. 5; InVorG § 16 Abs. 1; VwGO § 78 Abs. 1 Nr. 2; VwGO § Abs. 2
Verfahrensgang
VG Potsdam (Urteil vom 21.08.2002; Aktenzeichen 6 K 5901/97) |
Tenor
Das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. August 2002 wird aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.
Tatbestand
I.
Die Klägerin wendet sich gegen eine Anordnung, nach der sie den aus dem investiven Verkauf des Grundstücks in W.…, L.… Chaussee 40, erzielten Erlös an die Beigeladenen auszukehren hat.
Objekt des Streites ist ein 10 852 m2 großer Teil des insgesamt 13 655 m(2) umfassenden Grundstücks (Grundbuch von W.…, Bl. 3260, Flur 4, Flurstück 2/2), welches aus der Verschmelzung der früher auf Bl. 2613, Flur 4, Flurstück 2 und Bl. 2737, Flur 4, Flurstück 3 eingetragenen Grundstücke hervorgegangen ist. Auf dem Flurstück 2 befand sich eine Gaststätte, auf dem anderen ein Mietwohnhaus.
Eigentümer dieser Grundstücke war ursprünglich Franz M.… Er und seine Ehefrau Gertrud M.… verließen die DDR ohne Beachtung der geltenden Meldevorschriften am 18. August 1960. Die Grundstücke wurden unter staatliche Verwaltung genommen. Am 18. Oktober 1972 wurde Gertrud M.… in Erbfolge als Eigentümerin der Grundstücke im Grundbuch eingetragen. Mit Kaufvertrag vom 6. März 1973 veräußerte der Rat der Stadt W.… als staatlicher Verwalter die Grundstücke an den Rat des Kreises P.… zum Eigentum des Volkes. Das Grundbuch wurde am 3. April 1973 entsprechend umgeschrieben und sodann geschlossen. Zum Rechtsträger war der VEB Bekleidungswerk W.… bestellt worden. Er nutzte die Grundstücke als Betriebsstätte und errichtete dort u.a. Lagerhallen, Brunnen und zwei Bungalows.
Die Beigeladenen haben Gertrud M.… ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts W.… vom 13. Januar 1975 beerbt. Sie beantragten mit Schreiben vom 3. August 1990 u.a. die Rückübertragung des Grundstücks L.… Chaussee 40.
Mit Zuordnungsbescheid vom 8. Dezember 1992 wurde die streitige Grundfläche der P.…-Kleidung GmbH zugeordnet, die durch Umwandlung des ehemaligen VEB Bekleidungswerk P.… entstanden war. Am 28. September 1993 fasste die Treuhandanstalt als alleinige Gesellschafterin der P.…-Kleidung GmbH den Beschluss, die Gesellschaft aufzulösen und einen Liquidator einzusetzen. Mit notariellem Vertrag vom 25. Oktober 1993 verkaufte die P.…-Kleidung GmbH i.L. Grundstücke, Maschinen, Anlagen und Gegenstände der Betriebs- und Geschäftsausstattung an die P.… Bekleidungs GmbH i.G.; dazu gehörte auch das hier umstrittene Grundstück einschließlich der darauf befindlichen Baulichkeiten. Der Vertrag enthielt eine Bestimmung zur Betriebsübernahme und zur Übernahme sämtlicher Mitarbeiter des Betriebes.
Am 19. Mai 1994 schlossen die Beigeladenen mit der P.…-Kleidung GmbH i.L. eine Vereinbarung über eine Erlösauskehr in Höhe von 180 000 DM unter der Bedingung, dass das zuständige Amt zur Regelung offener Vermögensfragen die Berechtigung der Beigeladenen feststellt und keine Ausschlussgründe vorliegen. Zugleich stimmten die Beigeladenen einer Verfügung über das streitgegenständliche Grundstück zu.
Mit Feststellungsbescheid vom 10. April 1995 stellte der Landkreis P.… – Amt zur Regelung offener Vermögensfragen P.… – fest, dass die Beigeladenen Berechtigte hinsichtlich des streitgegenständlichen Vermögenswertes sind und ordnete die Auszahlung des Verkaufserlöses abzüglich eines Ablösebetrages und des Wertausgleichs durch die Treuhandanstalt an. Im Rubrum dieses Bescheides wird die Klägerin als Verfügungsberechtigte aufgeführt. Diesen Bescheid nahm der Landkreis mit Bescheid vom 10. Mai 1995 ohne Rechtsmittelbelehrung zurück und stellte mit Teilbescheid vom 4. September 1995 fest, dass die Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks ausgeschlossen sei und den Beigeladenen wegen des Eigentumsverlustes eine Entschädigung zustehe. Zur Begründung führte er aus, dass am maßgeblichen Stichtag, dem 29. September 1990, ein produzierender Betrieb bestanden habe und noch fortbestehe. Auf den Widerspruch der Beigeladenen hob der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10. September 1997 den Bescheid vom 4. September 1995 auf und führte zur Begründung an: Der mit dem angegriffenen Bescheid konkludent zurückgenommene Bescheid vom 10. April 1995 sei rechtmäßig gewesen; die Voraussetzungen für eine Rücknahme lägen daher nicht vor. Ausschlussgründe nach §§ 4 und 5 VermG seien nicht gegeben. Insbesondere fehle es an einer erheblichen Beeinträchtigung des Unternehmens im Sinne von § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG. Der Verkauf des streitbefangenen Grundstücks lasse darauf schließen, dass der Vermögenswert nicht betriebsnotwendig gewesen sei.
Mit ihrer gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Klage hat die Klägerin im Wesentlichen geltend gemacht: Durch die Aufhebung des Teilbescheides vom 4. September 1995 sei der Feststellungsbescheid vom 10. April 1995 wieder aufgelebt. Dieser Bescheid begründe für sie die Pflicht zur Auszahlung des Verkaufserlöses. Die Rückübertragung sei aber zum maßgeblichen Zeitpunkt der Veräußerung ausgeschlossen gewesen, sodass die Beigeladenen keinen Anspruch auf Erlösauskehr hätten. Die P.…-Kleidung GmbH i.L. habe das lebende Unternehmen im Wege des “asset deal” veräußert. Zu dem Zeitpunkt sei das Grundstück für das konkrete Unternehmen als Sach- und Rechtsgesamtheit betriebsnotwendig gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass sich der Unternehmensträger, die Treuhandkapitalgesellschaft, in Liquidation befunden habe.
Die Klägerin hat beantragt,
den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10. September 1997 aufzuheben.
Der Beklagte hat seinen Klageabweisungsantrag im Wesentlichen damit begründet, dass zum Zeitpunkt des investiven Verkaufs kein Ausschlussgrund vorgelegen habe. Die Restitution sei infolge des investiven Verkaufs unmöglich geworden. Die Rückübertragung des streitbefangenen Grundstücks hätte keine erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens darstellen können, weil sich das Treuhandunternehmen zu diesem Zeitpunkt bereits in Liquidation befunden und die Produktion eingestellt habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2002 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Der Bescheid vom 4. September 1995 sei rechtswidrig gewesen und daher vom Beklagten durch den angegriffenen Widerspruchsbescheid zu Recht aufgehoben worden. Der Beklagte sei zutreffend von der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 10. April 1995 ausgegangen und habe diesem daher wieder zur Wirksamkeit verhelfen wollen. Die Beigeladenen hätten einen Anspruch auf Auskehr des Erlöses. Die Rückübertragung des Vermögenswertes sei infolge der Veräußerung unmöglich geworden; denn die Beigeladenen hätten zu dem Zeitpunkt einen Anspruch auf Rückübertragung gehabt. Dieser sei nicht ausgeschlossen gewesen. Das streitbefangene Grundstück sei im Zeitpunkt des Verkaufs schon deshalb ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens rückübertragbar gewesen, weil sich die GmbH seit dem 28. September 1993 in Liquidation befunden habe. Unternehmen, die sich in Liquidation befänden, komme der den Erhalt und Fortbestand eines Betriebes bezweckende Restitutionsausschlussgrund der Betriebsnotwendigkeit nicht zugute, weil der Normzweck nicht mehr erreichbar sei. Wenn sich ein Unternehmen als nicht lebensfähig erwiesen habe, könne die Herausgabe von Vermögenswerten nicht mehr zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Unternehmens führen. Zweck des Restitutionsausschlussgrundes sei nicht die möglichst vorteilhafte Zerlegung von in Liquidation gegangenen Unternehmen oder die Erleichterung der Privatisierung eines zu liquidierenden Unternehmens. Es komme nicht darauf an, ob einzelne Betriebsteile des in Liquidation befindlichen Gesamtunternehmens überlebensfähig seien. Bei einem dem Liquidationsbeschluss nachfolgenden “asset deal” komme eine “Mitnahme” der früheren oder derzeitigen Betriebsnotwendigkeit eines Betriebsteils nicht in Betracht. Diese Erwägungen träfen auf den vorliegenden Fall zu. Der hier fragliche Betriebsteil der P.…-Kleidung GmbH habe ausweislich der Jahresbilanz 1993 jedenfalls seit 1992 nicht mehr rentabel gearbeitet, sodass ein Bestand schon aus diesem Grund und unabhängig von der Rückgabe der Betriebsgrundstücke gefährdet gewesen sei.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision trägt die Klägerin vor, die Rückübertragung sei nicht infolge der Veräußerung unmöglich gewesen und das Urteil beruhe auf Verfahrensfehlern.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 21. August 2002 und den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 10. September 1997 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er tritt dem angefochtenen Urteil bei.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist mit dem Ergebnis der Zurückverweisung der Sache an das Verwaltungsgericht begründet.
1. Das Passiv-Rubrum hat der Senat von Amts wegen berichtigt. Bei unmittelbar gegen den Widerspruchsbescheid gerichteten Klagen aus dem Vermögensrecht ist statt des zuständigen Widerspruchsausschusses das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen als Beklagten zu beteiligen, bei dem der Widerspruchsausschuss gebildet worden ist.
Klagegegner in Anfechtungssachen ist nach § 78 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 1 des Brandenburgischen Verwaltungsgerichtsgesetzes die Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat. Der Widerspruchsausschuss gemäß § 26 VermG erfüllt diese Behördeneigenschaft (§ 78 Abs. 2 VwGO) nicht. Er mag zwar im funktionalen Sinne Behörde sein (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG), ist aber aus organisatorischer Sicht nur Teil des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 VermG). Er ist nicht berufen, seine Entscheidung nach außen unter eigenem Namen zu treffen. Er beschließt zwar im Innenverhältnis weitgehend selbstständig und weisungsfrei über den Rechtsbehelf (§ 26 Abs. 2 Satz 2 VermG). Die abschließende Entscheidung ergeht aber nach außen als Entscheidung des Landesamtes zur Regelung offener Vermögensfragen (vgl. Urteil vom 22. Juni 1995 – BVerwG 7 C 49.93 – Buchholz 428 § 26 VermG Nr. 2).
2. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht mehrfach (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht konnte nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt nur unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG davon ausgehen, dass die Klägerin den Erlös aus dem Verkauf des umstrittenen Grundstücks schuldet (3.). Es konnte ferner nicht mit der von ihm herangezogenen Begründung die Rückübereignung ausschließen. Zum einen wird dem Umstand, dass sich der Veräußerer in Liquidation befunden hatte, ein falsches Gewicht beigemessen. Damit hat es § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG fehlerhaft angewendet (4.); zum anderen beruht das Urteil mit seiner zweiten als tragend gedachten Begründung auf einem Verfahrensfehler (5.). Da sich die angefochtene Entscheidung nicht aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig darstellt (§ 144 Abs. 4 VwGO), sie vielmehr hinreichender Tatsachenermittlung ermangelt, war sie aufzuheben und die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (6.).
3. Mit dem angefochtenen Widerspruchsbescheid, der nach der Klarstellung in der mündlichen Verhandlung nur die Erlösauskehr betrifft, hat der Beklagte der Sache nach der Anordnung Nr. 3 des Feststellungsbescheides vom 10. April 1995 wieder Geltung verschafft. Danach hat die Treuhandanstalt unter Umständen den Verkaufserlös auszuzahlen. Diese Verpflichtung dem Grunde nach widerspricht dem Wortlaut der Vereinbarung zur Erlösauskehr zwischen den Beigeladenen und der P.… Bekleidungs GmbH i.L. (gemeint ist die P.…-Kleidung GmbH i.L.). Dort ist festgelegt, dass die Verfügungsberechtigte nach näheren Maßgaben einen Erlös in Höhe von 180 000 DM an die Beigeladenen auskehrt. Die Treuhandanstalt ist jedoch weder nach dieser Vereinbarung noch nach dem Gesetz Verfügungsberechtigte. Nach § 2 Abs. 3 Satz 1 VermG ist der Unternehmensträger selbst verfügungsberechtigt gewesen, da der ursprünglich geltend gemachte Rückübertragungsanspruch der Beigeladenen nur auf einen einzelnen Vermögenswert des Treuhandunternehmens – das Betriebsgrundstück – gerichtet war.
Dem Senat ist allerdings aus anderen Verfahren bekannt, dass die Treuhand (bzw. jetzt die Klägerin) für die von ihr vertretenen Treuhandunternehmen Schuldübernahmen erklärt hatte. Feststellungen hierüber hatte das Verwaltungsgericht nicht getroffen. Von den Beteiligten war in der mündlichen Verhandlung nur zu erfahren, dass eine Schuldübernahme auch in diesem Fall für möglich gehalten wird. Sollte sich dies erweisen, könnte damit der Bundesrechtsverstoß entfallen (vgl. Urteil vom 22. April 2004 – BVerwG 7 C 15.03 – juris). Das Verwaltungsgericht wird dieser Frage bei seiner Neuverhandlung vorrangig nachgehen müssen.
4. Nicht ausreichend sind die tatsächlichen Feststellungen, welche die Auffassung tragen sollen, dass im Zeitpunkt der Veräußerung des Grundstücks die ursprünglich begehrte Rückübertragung noch hätte erreicht werden können. Das Verwaltungsgericht meint, weil sich der Veräußerer vorher in Liquidation begeben habe, sei der zunächst bestehende Ausschluss der Rückübertragung von Eigentumsrechten am Grundstück gemäß § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG schon entfallen gewesen. Mit dem alleinigen Abstellen seiner Argumentation auf das Vorliegen einer Liquidation wird das Verwaltungsgericht dem Regelungsgehalt dieser Vorschrift nicht gerecht.
Nach § 5 Abs. 1 Buchst. d 2. Alternative VermG ist die Rückübereignung eines Grundstücks nicht möglich, wenn das Grundstück in eine Unternehmenseinheit einbezogen wurde und nicht ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens zurückgegeben werden könnte. Das Ziel dieses Ausschlussgrundes, das darin besteht, die Lebensfähigkeit von Unternehmen in den neuen Ländern zu erhalten, wird nicht bereits dadurch vereitelt, dass die Liquidation des Unternehmensträgers eingeleitet ist. Schutzobjekt ist die konkrete Unternehmenseinheit als solche, d.h. die Zusammenfassung von Sachen und Rechten im Sinne von § 1 URüV, welche als organisatorische Einheit am Markt auftritt und von einem einheitlichen wirtschaftlichen Zweck getragen ist (Urteil vom 25. Oktober 2001 – BVerwG 7 C 10.01 – Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 31). Im maßgeblichen Zeitpunkt muss folglich ein noch lebendes, wirtschaftlich erhaltenswertes Unternehmen vorliegen. Aus dem Umstand, dass der Unternehmensträger, der veräußert, in Liquidation gefallen war, folgt nicht ohne weiteres, dass auch die Unternehmenseinheit abgewickelt wird. Ob ein Unternehmen lebensfähig bleibt, also weiterhin werbend am Markt tätig sein kann, wird sich zwar ohne Rückgriff auf den Unternehmensträger nicht beurteilen lassen. Doch die Liquidation kann auch vorgenommen werden mit dem Ziel, die Unternehmenseinheit “lebend” zu veräußern, um sie zu erhalten. Anders ist es, wenn die Liquidation erfolgt, um das Unternehmen oder die fragliche Unternehmenseinheit aufzulösen. Danach kommt es – bezogen auf die konkrete Unternehmenseinheit – auf die Beurteilung im Einzelfall an. Soweit den Beschlüssen vom 26. Juni 2001 – BVerwG 8 B 76.01 – (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 30) und vom 29. Oktober 2001 – BVerwG 8 B 192.01 – (Buchholz 428 § 5 VermG Nr. 32) zu entnehmen ist, dass jede Art von Liquidation den durch § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG vermittelten Bestandsschutz aufhebe, hält der Senat daran auch in Ansehung des vom Verwaltungsgericht herangezogenen Urteils des 3. Senats vom 27. August 1998 – BVerwG 3 C 24.97 – (Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 19) nicht fest. Dieses Urteil ist zu § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 VZOG ergangen, einer Vorschrift, die nach der Auslegung des 3. Senats gegenüber dem Vermögensgesetz historische und systematische Besonderheiten aufweist (vgl. Urteil vom 15. Juni 2000 – BVerwG 3 C 8.99 – Buchholz 428.2 § 11 VZOG Nr. 26).
Stehen Liquidation und investive Veräußerung in einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang, wie es nach Auffassung der Klägerin hier der Fall ist, lässt die Liquidation des Unternehmensträgers die Lebensfähigkeit der konkreten Unternehmenseinheit unberührt. Ebenso führt die Veräußerung des Grundstücks im Wege eines asset deal nicht zum Wegfall des Restitutionsausschlussgrundes des § 5 Abs. 1 Buchst. c VermG; maßgeblich ist, dass die Einbindung des Grundstücks in den bisherigen betrieblichen Zusammenhang gewahrt bleibt. Bei (investiver) Veräußerung ist dies vorrangig anhand des Vorhabenplans zu beurteilen (Urteil vom 22. April 2004 – BVerwG 7 C 15.03 – a.a.O.).
5. Das angefochtene Urteil wird von der weiteren Begründung getragen, dass der fragliche Betriebsteil “zum Zeitpunkt der investiven Veräußerung nicht mehr lebensfähig” gewesen sei. Zu dieser Einschätzung ist das Gericht anhand der “Jahresbilanz 1993” gelangt. Hiergegen wendet sich die Revisionsklägerin mit ihrer Verfahrensrüge zu Recht.
Das Verwaltungsgericht hat nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden (§ 108 Abs. 1 VwGO). Dieser Überzeugungsgrundsatz wird bei einer Verkürzung gebotener Tatsachenermittlung verletzt, insbesondere ist eine Selektion von Beweismitteln bei der Ermittlung des Sachverhaltes verboten (stRspr; vgl. u.a. Urteil vom 31. Juli 2002 – BVerwG 8 C 37.01 – Buchholz 428 § 1 Abs. 3 VermG Nr. 35). Eine Rechtsfindung, die auf einer verkürzten Tatsachenlage basiert, verletzt zugleich die dem Verwaltungsgericht obliegende Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO. Zu beiden Verfahrensmängeln wird in der Revision dargelegt, dass die von der Vorinstanz in Bezug genommene Bilanz dem Verwaltungsgericht nicht vorgelegen habe. Die Klägerin habe dem Verwaltungsgericht lediglich einen Auszug aus dem Bericht über die Prüfung des Jahresabschlusses der P.…-Kleidung GmbH i.L. vom 31. Dezember 1993 vorgelegt. Bei dieser Anlage habe es sich um einen sehr fragmentarischen Auszug aus diesem Bericht gehandelt, der lediglich einige Seiten umfasse. Die Bilanz zum Geschäftsjahr 1993 sei darin nicht enthalten gewesen. Aus ihm vorliegenden Unterlagen habe das Verwaltungsgericht daher die in seiner Begründung zum Ausdruck kommende Überzeugung nicht gewinnen können. Es habe zu dieser Überzeugung auch mangels eigener Sachkunde nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung erforderlichen Sorgfalt gelangen können. Die Beurteilung der Lebensfähigkeit eines Unternehmens im Falle einer negativen Ertragslage sei eine Entscheidung, die neben der eingehenden Ermittlung aller wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens sowie des Marktes, in dem es tätig sei, und insbesondere auch der zukünftigen Planung des Unternehmens eine umfangreiche betriebswirtschaftliche Sachkunde erfordere. Dieser Einwand der Revision ist in zweierlei Hinsicht berechtigt:
Zum einen lässt sich die Lebensfähigkeit eines Wirtschaftsunternehmens sowohl in technischer als auch in finanzwirtschaftlicher Hinsicht allein anhand eines knappen Auszuges aus einem Jahresabschlussbericht nicht endgültig bewerten. Zum anderen kann ein Richter im Allgemeinen nicht die Funktionstüchtigkeit eines Unternehmens, dessen Ertragskraft und Liquiditätssituation ohne Überbewertung eigener Sachkunde beurteilen. Verfügt er indes über besonderes Fachwissen, dann hat er dieses in einer von den Beteiligten und vom Revisionsgericht nachprüfbaren Weise durch eine überzeugende Darlegung nachzuweisen (Beschluss vom 19. November 1998 – BVerwG 8 B 148.98 – Buchholz 310 § 88 VwGO Nr. 41). Diesen Anforderungen wird mit dem angefochtenen Urteil nicht entsprochen. Auch hat das Verwaltungsgericht bei dieser Beurteilung den Kaufvertrag vom 25. Oktober 1993 ausgeblendet, der Rückschlüsse auf die wirtschaftliche Lebensfähigkeit der Unternehmenseinheit auch vor der Veräußerung ermöglichen kann. In dem Kaufvertrag hat sich der Käufer zu Investitionen in das Unternehmen verpflichtet und die Treuhandanstalt Zusagen zu einer finanziellen Unterstützung des Unternehmens gegeben. Die nicht unerheblichen Investitionen des Käufers können ein Indiz dafür sein, dass die Unternehmenseinheit auch vor der Veräußerung in wirtschaftlicher Hinsicht erhaltenswert war.
6. Da die bisher festgestellten Tatsachen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zulassen, bedarf es weiterer Sachaufklärung durch das Verwaltungsgericht. Hierbei wird das Folgende zu berücksichtigen sein:
a) Sollte die Ermittlung ergeben, dass die Klägerin die Schuld hinsichtlich des Anspruchs auf Auskehr des Erlöses übernommen hat, ist anhand der Tatbestandsmerkmale von § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG festzustellen, ob die Unternehmenseinheit B.… im maßgeblichen Zeitpunkt ohne erhebliche Beeinträchtigung des Unternehmens auf das fragliche Grundstück verzichten konnte.
Die materiellrechtliche Prüfung des angefochtenen Widerspruchsbescheides anhand der Vorschrift von § 16 Abs. 1 Satz 1 InVorG ist angezeigt, obwohl nach Lage der Akten und der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ein Investitionsvorrangbescheid nicht ergangen ist. Die Vereinbarung vom 19. Mai 1994 hat bestimmt, dass sich der Erlösauskehranspruch an dieser Vorschrift ausrichten soll. Im Hinblick darauf, dass die Behörde auf Antrag einen die Einigung entsprechenden Bescheid zu erlassen hat (§ 31 Abs. 5 Satz 3 VermG), wäre der Beklagte insoweit an den vorgegebenen Entscheidungsrahmen gebunden. Das hat im Einzelnen zur Folge:
b) Die Beigeladenen müssen Berechtigte gemäß § 2 Abs. 1 VermG und damit auch im Sinne des Investitionsvorranggesetzes sein. Der insoweit nicht angefochtene Teilbescheid vom 4. September 1995 legt dies der Begründung nach bestandskräftig fest. Es kommt ferner darauf an, ob der Rückübertragung zum Zeitpunkt der (investiven) Veräußerung Ausschlussgründe entgegengestanden haben (stRspr; vgl. zuletzt Urteil vom 22. April 2004 – BVerwG 7 C 15.03 – a.a.O.). Als Grund ist allein der nach § 5 Abs. 1 Buchst. d VermG in Betracht zu ziehen, der mit seiner 2. Alternative die Einbeziehung von Grundstücken in eine Unternehmenseinheit betrifft.
Der Zeitpunkt der (investiven) Veräußerung ist bisher nicht festgestellt worden. Die Frage ist auch in der mündlichen Verhandlung offen geblieben. Dazu ist anzumerken: Die Auflassung eines Grundstücks und der schuldrechtliche Vertrag hierüber bedürfen nach § 2 Abs. 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 GVO der Genehmigung. Erst mit ihrem Vorliegen wird die (investive) Veräußerung wirksam. Das ist der Zeitpunkt, zu dem sich die Prüfung, ob die Rückübertragung bereits aus anderen Gründen ausgeschlossen war, auszurichten hat. Da ein die Grundstücksverkehrsgenehmigung gemäß § 11 Abs. 1 InVorG ersetzender Investitionsvorrangbescheid nicht ergangen ist, kommt es auf den Erlass der Grundstücksverkehrsgenehmigung an. Den Akten ist dazu nichts zu entnehmen.
c) Was den Ausschlussgrund selbst anbelangt, wird sich die Prüfung zunächst der vom Verwaltungsgericht bereits angeschnittenen Frage zuzuwenden haben, ob der Betrieb zu der Zeit das Grundstück entbehren konnte. Dabei kommt es entscheidend darauf an, inwieweit das Unternehmen wirtschaftlich erhaltenswert war. Allein der Umstand, dass es ohne die vorgesehene oder anderweitig denkbare Investition nicht länger Bestand gehabt hätte, hat nachrangige Bedeutung. Der Restitutionsausschlussgrund dient der Unternehmensförderung, d.h. solchen Betrieben und Betriebsteilen, die unter den neu einsetzenden marktwirtschaftlichen Bedingungen ausbau- und entwicklungsfähig gewesen sind, weil sie von ihrer Substanz her eine vertretbare Kreditgrundlage gebildet hatten.
Danach bleibt zu prüfen, ob das Veräußerungsgeschäft und der damit verfolgte Vorhabenplan die Einbindung des Grundstücks in den bisherigen betrieblichen Zusammenhang gewahrt wissen wollte. Die unternehmerische Tätigkeit hat sich in ihren wesentlichen Grundaussagen mit der Veräußerung fortsetzen sollen, weil der Ausschluss der Restitution in diesen Fällen dazu dient, die bisherige Zweckbestimmung des Grundstücks zu schützen, wie sie zum Stichtag von § 5 Abs. 2 VermG (29. September 1990) bestanden hat (vgl. Urteil vom 22. April 2004 – BVerwG 7 C 15.03 – a.a.O.).
Unterschriften
Gödel, Dr. Pagenkopf, Golze, Postier Dr. Hauser
Fundstellen