Entscheidungsstichwort (Thema)
kein Familienzuschlag der Stufe 1 bei Unterhaltsverzicht der Ehefrau gegen Kapitalabfindung. Erlöschen der Unterhaltspflicht bei Kapitalabfindung
Leitsatz (amtlich)
Ein geschiedener Beamter hat keinen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1, wenn seine Pflicht zum Unterhalt aus seiner Ehe durch Kapitalabfindung erloschen ist.
Normenkette
BbesG § 40 Abs. 1 Nr. 3; VAHRG § 5
Verfahrensgang
OVG für das Land NRW (Urteil vom 02.08.2001; Aktenzeichen 1 A 5008/99) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. August 2001 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Tatbestand
I.
Der Kläger beansprucht von der Beklagten die Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 sowie – nach altem Recht – des Ortszuschlags der Stufe 2. Er ist Beamter und seit April 1996 geschieden. Vor der Scheidung hatte er eine „Trennungs- und Ehescheidungsfolgenvereinbarung” geschlossen. Darin verpflichtete er sich zu einer einmaligen Abfindung in Höhe von 20 000 DM. Mit deren Zahlung sollten sämtliche Unterhaltsansprüche seiner Ehefrau abgefunden sein. Die Eheleute verzichteten wechselseitig auf jeglichen nachehelichen Unterhalt. Das Bundesministerium des Innern gewährte dem Kläger seit 1. Mai 1996 nur noch den Ortszuschlag der Stufe 1 und verweigerte seit der Rechtsänderung im Jahre 1997 den Familienzuschlag der Stufe 1.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, Voraussetzung zur Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 bzw. des Ortszuschlags der Stufe 2 sei, dass der Beamte gegenüber seiner geschiedenen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet sei. Die Unterhaltsverpflichtung des Klägers sei durch die Kapitalabfindung erloschen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision macht der Kläger die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt,
die Urteile des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 2. August 2001 und des Verwaltungsgerichts Köln vom 30. September 1999 sowie die Bescheide des Bundesministeriums des Innern vom 6. August 1996 und 6. März 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger vom 1. Mai 1996 bis 30. Juni 1997 den Ortszuschlag der Stufe 2 und seit 1. Juli 1997 den Familienzuschlag der Stufe 1 zu gewähren.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung des Familienzuschlags der Stufe 1 sowie – nach altem Recht – des Ortszuschlags der Stufe 2.
Ein geschiedener Beamter, der aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet ist, hat nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG in der seit 1. Juli 1997 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts (Reformgesetz) vom 24. Februar 1997 (BGBl I S. 322) Anspruch auf die Gewährung von Familienzuschlag der Stufe 1. In der zuvor geltenden Gesetzesfassung vom 22. Februar 1996 (BGBl I S. 262) hatte er Anspruch auf Ortszuschlag der Stufe 2 (vgl. § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG a.F.).
Anspruchsvoraussetzung ist nach beiden Gesetzesfassungen, dass der Beamte seiner geschiedenen Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet ist. Was als Unterhaltsverpflichtung im Sinne der genannten Bestimmungen zu verstehen ist, richtet sich mangels eigenständiger Regelung im Bundesbesoldungsrecht nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts (vgl. Urteile vom 19. September 1991 – BVerwG 2 C 28.90 – BVerwGE 89, 53 ≪54 f.≫ und vom 12. März 1991 – BVerwG 6 C 51.88 – Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 23 S. 23 jeweils m.w.N.). Danach ist der Kläger nicht zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet.
Nach §§ 1569, 1585 Abs. 1 und 2 sowie § 1585 c BGB können Ehegatten über die Unterhaltspflicht für die Zeit nach der Scheidung eine Vereinbarung des Inhalts treffen, dass statt einer Unterhaltsrente eine Abfindung in Kapital gezahlt wird, die die Unterhaltspflicht zum Erlöschen bringt. Von dieser Möglichkeit haben der Kläger und seine damalige Ehefrau mit der „Trennungs- und Ehescheidungsfolgenvereinbarung” Gebrauch gemacht. Die darin vorgesehene Kapitalabfindung in Höhe von 20 000 DM sollte nach dem Willen der Vertragsparteien den Unterhaltsanspruch der Ehefrau des Klägers zum Erlöschen bringen (§ 1585 Abs. 2 BGB). Das ist mit der vom Berufungsgericht festgestellten Zahlung des Betrags durch den Kläger an seine damalige Ehefrau geschehen (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Unterhaltspflicht ist außerdem dadurch weggefallen, dass seine Ehefrau in der Vereinbarung auch auf jeglichen nachehelichen Unterhalt ausdrücklich verzichtet hat (vgl. Urteil vom 12. März 1991, a.a.O. S. 24). Dieser nicht formbedürftige (vgl. BGH, Urteil vom 1. April 1987 – IVb ZR 33/86 – NJW 1987, 2739 ≪2740≫) Verzicht ist wirksam. Denn Ehegatten können im Rahmen der ihnen nach § 1585 c BGB zustehenden Vertragsfreiheit einen gesetzlichen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ausschließen und sogar auf den gesetzlichen Unterhaltsanspruch wegen der Betreuung eines gemeinschaftlichen Kindes wirksam verzichten (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 8. März 1995 – XII ZR 165/93 – NJW-RR 1995, 833 ≪834≫ m.w.N.). Da der Kläger nach dem bürgerlichen Recht nicht zum nachehelichen Unterhalt verpflichtet ist, hat er keinen Anspruch auf den Familienzuschlag der Stufe 1 nach § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG bzw. den Ortszuschlag der Stufe 2 nach § 40 Abs. 2 Nr. 3 BBesG a.F.
Allerdings wird bei Anwendung des § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich – Versorgungsausgleichshärtegesetz (VAHRG) – vom 21. Februar 1983 (BGBl I S. 105) ein bestehender Anspruch auf Unterhalt auch dann angenommen, wenn der Berechtigte durch eine Vereinbarung nach § 1585 c BGB auf Unterhaltsleistungen gegen Zahlung einer Abfindung verzichtet hat (vgl. Urteil des Senats vom 22. Juli 1999 – BVerwG 2 C 25.98 – BVerwGE 109, 231 ≪232 ff.≫; BSG, Urteile vom 8. Dezember 1993 – 8 RKn 6/93 – NJW 1994, 2374 und vom 12. April 1995 – 5 RJ 42/94 – NJW-RR 1996, 897 sowie BGH, Urteil vom 8. Juni 1994 – IV ZR 200/93). Diese Auslegung ergibt sich daraus, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 5 VAHRG zum Ausgleich scheidungsbedingter unterhalts- und versorgungsrechtlicher Härten eine pauschalierende Regelung getroffen hat, bei der es – im Gegensatz zur Regelung des § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG – auf besondere Umstände des Einzelfalls nicht ankommen soll. Für die Anwendung des § 5 VAHRG ist daher nicht von Belang, in welcher Höhe der Berechtigte gegen den Verpflichteten einen Unterhaltsanspruch hat und ob dieser Anspruch in Verbindung mit der Kürzung der Rente die Lebensführung des Verpflichteten tatsächlich beeinträchtigt (vgl. BTDrucks 9/2296 S. 14). Entscheidend ist, dass eine solche Beeinträchtigung möglich ist. Da dies – wirtschaftlich gesehen – ebenso im Fall einer Unterhaltsabfindung zutreffen kann, beseitigt auch diese Form der Erfüllung der Unterhaltspflicht nicht die Tatbestandsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 VAHRG, dass der Berechtigte gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat.
Aus dieser Auslegung des § 5 VAHRG lässt sich indessen nichts für das Verständnis des Merkmals „aus der Ehe zum Unterhalt verpflichtet sind” in § 40 Abs. 1 Nr. 3 BBesG gewinnen. Diese Vorschrift kann nicht dahin ausgelegt werden, dass die Stufe 1 des Familienzuschlags (früher Stufe 2 des Ortszuschlags) auch dann zu zahlen ist, wenn Ansprüche auf laufende Unterhaltszahlungen durch eine Kapitalabfindung abgelöst worden sind, für die der geschiedene Beamte neue Verbindlichkeiten eingehen musste oder die ihn durch den Wegfall der Kapitalerträgnisse wirtschaftlich belastet. Das wäre schon mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar, der nicht erkennen lässt, dass der Besoldungsgesetzgeber von dem familienrechtlichen Begriff der „Verpflichtung zum Unterhalt”, wie er in den §§ 1569 ff. BGB seinen Ausdruck gefunden hat, hat abgehen wollen. Die gegenteilige Interpretation würde auch dem Zweck der Vorschrift widersprechen. Dieser besteht darin, wegen der Alimentationspflicht gegenüber der Beamtenfamilie die fortbestehende unterhaltsrechtliche Bindung zwischen den geschiedenen Ehegatten und der dadurch bewirkten erhöhten laufenden Unterhaltsbelastung des Beamten Rechnung zu tragen (vgl. BVerfGE 49, 260 ≪275≫; BVerwG, Urteil vom 12. März 1991 – BVerwG 6 C 51.88 – a.a.O., S. 25). Dementsprechend muss eine monatliche Unterhaltsverpflichtung des Beamten – anders als bei der Pauschalregelung des § 5 VAHRG – mindestens in der Bruttodifferenz zwischen den Zuschlagsstufen bestehen, um den Anspruch auf die höhere Stufe zu rechtfertigen (vgl. Urteil vom 19. September 1991 – BVerwG 2 C 28.90 – a.a.O. S. 53 ≪54≫). An einer solchermaßen fortbestehenden Unterhaltsverpflichtung fehlt es hier.
Es verstößt schließlich nicht gegen den Gleichheitssatz, wenn der Gesetzgeber die Familien- und Ortszuschlagsstufen anders als die Kürzung der Versorgung nach § 5 VAHRG nicht an die vielfachen denkbaren materiellen Belastungen nach einer Ehescheidung knüpft, sondern an den leicht feststellbaren Tatbestand einer aktuell gegebenen Unterhaltsverpflichtung. Denn im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG bestehen zwischen der zu alimentierenden Gruppe geschiedener, aus der Ehe nicht unterhaltspflichtiger Beamter und der Gruppe geschiedener Versorgungsempfänger, die einer scheidungsrechtlich bedingten vom Gesetzgeber als ausgleichspflichtig eingestuften wirtschaftlichen Sonderbelastung ausgesetzt sind, rechtlich so bedeutsame Unterschiede, dass sich eine Gleichbehandlung verbietet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
Unterschriften
Dr. Silberkuhl, Prof. Dawin, Dr. Kugele, Groepper, Dr. Bayer
Fundstellen
Haufe-Index 924072 |
NJW 2003, 1886 |
FamRZ 2003, 1385 |
ZTR 2003, 421 |
DÖD 2003, 243 |
PersV 2004, 187 |
DVBl. 2003, 1560 |
FamRB 2003, 276 |
NPA 2003, 0 |
NWVBl. 2003, 339 |