Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Direktversicherung (Lebensversicherung). Rücktrittsrecht. Rückforderung der an einen Versicherer als Steuer auf Versicherungsprämien gezahlten Beträge. Modalitäten
Normenkette
Verfahrensordnung des Gerichtshofs Art. 99; EGRL 2002/83; EGRL 138/2009
Beteiligte
WWK Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit |
WWK Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit |
Tenor
Art. 35 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen und Art. 185 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 186 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung, wonach im Fall des Rücktritts des Versicherungsnehmers vom Versicherungsvertrag die Steuer auf Versicherungsprämien, die vom Versicherungsnehmer geschuldet und vom Versicherer erhoben und an den Staat abgeführt wird, von den Beträgen ausgenommen ist, die der Versicherer an den Versicherungsnehmer zurückzahlen muss, so dass dieser die Erstattung der Steuer von der Steuerverwaltung oder gegebenenfalls Schadensersatz vom Versicherer verlangen muss, dann nicht entgegenstehen, wenn die nach dem auf den Versicherungsvertrag anwendbaren Recht geltenden Verfahrensvorschriften über die Rückforderung dieser als Steuer auf Versicherungsprämien gezahlten Beträge nicht geeignet sind, die Wirksamkeit des Rücktrittsrechts, das dem Versicherungsnehmer nach dem Unionsrecht zusteht, in Frage zu stellen, was das vorlegende Gericht zu überprüfen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 23. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Oktober 2019, in dem Verfahren
TN
gegen
WWK Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit,
VP,
Beteiligte:
UO,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Achte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin L. S. Rossi (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und N. Wahl,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund der nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Entscheidung, gemäß Art. 99 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs durch mit Gründen versehenen Beschluss zu entscheiden,
folgenden
Beschluss
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 15 Abs. 1 der Zweiten Richtlinie 90/619/EWG des Rates vom 8. November 1990 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) und zur Erleichterung der tatsächlichen Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs sowie zur Änderung der Richtlinie 79/267/EWG (ABl. 1990, L 330, 50), Art. 31 der Richtlinie 92/96/EWG des Rates vom 10. November 1992 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Direktversicherung (Lebensversicherung) sowie zur Änderung der Richtlinien 79/267/EWG und 90/619/EWG (Dritte Richtlinie Lebensversicherung) (ABl. 1992, L 360, S. 1), Art. 35 Abs. 1 und Art. 36 Abs. 1 der Richtlinie 2002/83/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. November 2002 über Lebensversicherungen (ABl. 2002, L 345, S. 1) sowie Art. 185 Abs. 1 und Art. 186 Abs. 1 der Richtlinie 2009/138/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 betreffend die Aufnahme und Ausübung der Versicherungs- und der Rückversicherungstätigkeit (Solvabilität II) (ABl. 2009, L 335, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen TN auf der einen Seite und WWK Lebensversicherung auf Gegenseitigkeit (im Folgenden: WWK) und VP auf der anderen Seite wegen der Rückforderung der von TN an WWK als Steuer auf Versicherungsprämien gezahlten Beträge aufgrund des Rücktritts von dem bei WWK geschlossenen Versicherungsvertrag.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2002/83
Rz. 3
Art. 35 („Rücktrittszeitraum”) Abs. 1 der Richtlinie 2002/83, aufgehoben durch die Richtlinie 2009/138, bestimmte:
„Jeder Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Versicherungsnehmer eines individuellen Lebensversicherungsvertrags von dem Zeitpunkt an, zu dem er davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist, über eine Frist verfügt, die zwischen 14 und 30 Tagen betragen kann, um von dem Vertrag zurückzutreten.
Die Mitteilung des Versicherungsnehmers, dass er vom Vertrag zurücktritt, befreit ihn für die Zukunft von allen aus diesem Vertrag resultierenden Verpflichtungen.
Die übrigen rechtlichen Wirkungen des Rücktritts und die dafür erforderlichen Voraussetzungen werden gemäß dem auf den Versicherungsvertrag nach Artikel 32 anwendbaren Recht geregelt, insbesondere was die Modalitäten betrifft, nach denen der Versicherungsnehmer davon in Kenntnis gesetzt wird, dass der Vertrag geschlossen ist.”
Rz. 4
Art. 36 („Angaben für den Versicherungsnehmer”) der Richtlinie 2002/83 sa...