Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Straftat der Geldwäsche. Geldwäsche durch den Täter der Vortat (‚Selbstgeldwäsche’)
Normenkette
Richtlinie (EU) 2015/849; Richtlinie 2005/60/EG
Beteiligte
Parchetul de pe lângă Tribunalul Braşov |
Tenor
Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2005 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, nach der die Straftat der Geldwäsche im Sinne dieser Bestimmung vom Urheber der kriminellen Tätigkeit, aus der die betreffenden Gelder stammen, begangen werden kann.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Curtea de Apel Braşov (Berufungsgerichtshof Braşov, Rumänien) mit Entscheidung vom 14. Oktober 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 24.Oktober 2019, in dem Verfahren
Parchetul de pe lângă Tribunalul Braşov
gegen
LG,
MH,
Beteiligte:
Agenţia Naţională de Administrare Fiscală – Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Braşov,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter A. Kumin, T. von Danwitz und P. G. Xuereb sowie der Richterin I. Ziemele (Berichterstatterin),
Generalanwalt: G. Hogan,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Parchetul de pe lângă Tribunalul Braşov, vertreten durch C. Constantin Sandu als Bevollmächtigten,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane und L. Liţu als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek, J. Vláčil und L. Dvořáková als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch T. Scharf, M. Wasmeier, R. Troosters und L. Nicolae, dann durch T. Scharf, M. Wasmeier und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Januar 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission (ABl. 2015, L 141, S. 73).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines gegen LG und MH geführten Strafverfahrens wegen Täterschaft bzw. Teilnahme an der Straftat der Geldwäsche.
Rechtlicher Rahmen
Recht des Europarats
Protokoll Nr. 7 zur EMRK
Rz. 3
In Art. 4 („Recht, wegen derselben Sache nicht zweimal vor Gericht gestellt oder bestraft zu werden”) des Protokolls Nr. 7 zu der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (im Folgenden: EMRK) heißt es:
„(1) Niemand darf wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut verfolgt oder bestraft werden.
…”
Straßburger Übereinkommen
Rz. 4
Art. 1 Buchst. a des Übereinkommens über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme und Einziehung von Erträgen aus Straftaten, unterzeichnet in Straßburg am 8. November 1990 (Sammlung Europäischer Verträge, Nr. 141) (im Folgenden: Straßburger Übereinkommen) bestimmt:
„Im Sinne dieses Übereinkommens
a) bezeichnet der Ausdruck ‚Ertrag’ jeden wirtschaftlichen Vorteil, der durch Straftaten erlangt wird. Dieser Vorteil kann aus jedem Vermögensgegenstand im Sinne des Buchstabens b bestehen”.
Rz. 5
Art. 6 Abs. 1 und 2 dieses Übereinkommens bestimmt:
„(1) Jede Vertragspartei trifft die erforderlichen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich begangen, nach ihrem innerstaatlichen Recht als Straftaten zu umschreiben:
a) das Umwandeln oder Übertragen von Vermögensgegenständen in der Kenntnis, dass es sich um Erträge handelt, zu dem Zweck, den unerlaubten Ursprung der Vermögensgegenstände zu verbergen oder zu verschleiern oder einer an der Begehung der Haupttat beteiligten Person behilflich zu sein, sich den rechtlichen Folgen ihres Handelns zu entziehen;
…
(2) Für die Zwecke der Durchführung oder Anwendung des Absatzes 1:
…
b) kann vorgesehen werden, dass die in Absatz 1 genannten Straftatbestände nicht auf die Personen Anwendung finden, welche die Haupttat begangen haben;
…”
Warschauer Übereinkommen
Rz. 6
Das Übereinkommen des Europarats über Geldwäsche sowie Ermittlung, Beschlagnahme u...