Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Soziale Sicherheit. Altersversorgung. Doppelleistungsbestimmungen. Personen, die eine Altersrente nach der nationalen Regelung und eine Beamtenpension nach der Regelung eines anderen Mitgliedstaats erhalten. Kürzung des Betrags der Altersrente
Normenkette
Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 Art. 46b; Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 54
Beteiligte
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Europäische Kommission trägt die Kosten.
3. Die Republik Österreich sowie das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland tragen ihre eigenen Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 258 AEUV, eingereicht am 10. Januar 2014,
Europäische Kommission, vertreten durch K. Mifsud-Bonnici und D. Martin als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Republik Malta, vertreten durch A. Buhagiar und P. Grech als Bevollmächtigte,
Beklagte,
unterstützt durch
Republik Österreich, vertreten durch C. Pesendorfer und G. Hesse als Bevollmächtigte,
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch J. Beeko, S. Behzadi-Spencer und V. Kaye als Bevollmächtigte im Beistand von T. de la Mare, QC,
Streithelfer,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Dritten Kammer L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer, der Richter J. Malenovský und M. Safjan sowie der Richterinnen A. Prechal (Berichterstatterin) und K. Jürimäe,
Generalanwalt: Y. Bot,
Kanzler: V. Giacobbo-Peyronnel, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2015,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 12. November 2015
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Europäische Kommission, festzustellen, dass die Republik Malta dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 46b der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, geändert und aktualisiert durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABl. L 28, S. 1), in der durch die Verordnung (EG) Nr. 592/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 (ABl. L 177, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 1408/71) sowie gegen Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166, S. 1, und – Berichtigung – ABl. L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 465/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 (ABl. L 149, S. 4) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) verstoßen hat, dass sie maltesische Altersrenten um den Betrag von Beamtenpensionen anderer Mitgliedstaaten kürzt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 1408/71
Rz. 2
Art. 1 „Begriffsbestimmungen”) Buchst. j der Verordnung Nr. 1408/71 sieht vor:
„Für die Anwendung dieser Verordnung werden die nachstehenden Begriffe wie folgt definiert:
…
j) ‚Rechtsvorschriften’: in jedem Mitgliedstaat die bestehenden und künftigen Gesetze, Verordnungen, Satzungen und alle anderen Durchführungsvorschriften in Bezug auf die in Artikel 4 [Absatz 1] genannten Zweige und Systeme der sozialen Sicherheit …
…”
Rz. 3
Art. 4 „Sachlicher Geltungsbereich”) Abs. 1 Buchst. c der Verordnung Nr. 1408/71 bestimmt:
„Diese Verordnung gilt für alle Rechtsvorschriften über Zweige der sozialen Sicherheit, die folgende Leistungsarten betreffen:
…
c) Leistungen bei Alter,
…”
Rz. 4
Art. 5 der Verordnung Nr. 1408/71 sieht eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Abgabe von Erklärungen zum Geltungsbereich dieser Verordnung vor. Dort heißt es:
„Die Mitgliedstaaten geben in Erklärungen, die gemäß Artikel 97 notifiziert und veröffentlicht werden, die Rechtsvorschriften und Systeme, die unter Artikel 4 [Absatz 1] fallen, … an.”
Rz. 5
In Art. 46b „Besondere Vorschriften für das Zusammentreffen von Leistungen gleicher Art, die nach den Rechtsvorschriften von zwei oder mehr Mitgliedstaaten geschuldet werden”) der Verordnung Nr. 1408/71 heißt es:
„(1) Die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats vorgesehenen Kürzungs-, Ruhens- oder Entziehungsbestimmungen gelten nicht für eine nach Artikel 46 Absatz 2 berechnete Leistung.
(2) Die Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats über die Kürzung, das Ruhen oder die Entziehung einer Leistung dürfen auf eine nach Artikel 46 Absatz 1 Buchstabe a) Ziffer i) berechnete Leistung nur dann angewandt werden, wenn es sich:
- um eine Leistung handelt, deren Höhe von der Dauer der zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten unabhängig ist und die in Anhang IV Teil D aufgeführt ist, oder
um eine Leistung handelt, deren Höhe aufgrund einer fiktiven Zeit...