Entscheidungsstichwort (Thema)
EGRL 112/2006 Art. 25 Buchst. c. Vorlage zur Vorabentscheidung. Mehrwertsteuer. Steuerbare Umsätze. Dienstleistung, die gegen Entgelt erbracht wird. Verwaltungsgebühr, die von einer Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten für die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der den Rechtsinhabern zustehenden Vergütungen erhoben wird. Vergütungen, die kein Teil eines steuerbaren Umsatzes sind
Normenkette
EGRL 112/2006 Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 24 Abs. 1, Art. 25 Buchst. c
Beteiligte
Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiştilor Interpreţi (Credidam) |
Verfahrensgang
Înalta Curte de Casatie si Justitie (Rumänien) (Beschluss vom 15.11.2022; ABl. EU 2023, Nr. C 235/10) |
Tenor
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c, Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem
sind dahin auszulegen, dass
eine Organisation für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten eine Dienstleistung im Sinne dieser Bestimmungen erbringt, wenn sie zum einen kraft Gesetzes für die Rechtsinhaber die ihnen von den gesetzlich bestimmten Nutzern zustehenden Vergütungen einzieht, verteilt und ausschüttet sowie zum anderen von diesen Vergütungen eine Verwaltungsgebühr einbehält, die ihr von diesen Rechtsinhabern geschuldet wird und zur Deckung der durch diese Tätigkeit verursachten Kosten bestimmt ist, falls die auf diese Weise für Rechnung der Rechtsinhaber eingezogenen Vergütungen keine Gegenleistung für Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie darstellen, die von den Rechtsinhabern zugunsten dieser Nutzer erbracht wurden.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Înalta Curte de Casatie si Justitie (Oberster Kassations- und Gerichtshof, Rumänien) mit Entscheidung vom 15. November 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 21. März 2023, in dem Verfahren
Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiştilor Interpreţi (Credidam)
gegen
Guvernul României,
Ministerul Finanţelor,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten F. Biltgen, der Präsidentin der Zweiten Kammer A. Prechal (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben einer Richterin der Siebten Kammer und der Richterin M. L. Arastey SahÎn,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiştilor Interpreţi (Credidam), vertreten durch S. Braileanu, A.-M. Gheorghisan und M. Niculeasa, Avocati,
- der rumänischen Regierung, vertreten durch E. Gane, R. I. Hatieganu und A. Rotareanu als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Armenia und M. Herold als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 24 Abs. 1 und Art. 25 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1, im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits, in dem sich der Centrul Român pentru Administrarea Drepturilor Artiştilor Interpreţi (Credidam) auf der einen und das Guvernul României (rumänische Regierung) sowie das Ministerul Finanţelor (Finanzministerium, Rumänien) auf der anderen Seite gegenüberstehen. Der Rechtsstreit betrifft eine Änderung von Rechtsvorschriften, kraft derer die Tätigkeit der Organisationen für die kollektive Wahrnehmung von Urheber- und verwandten Schutzrechten, die sich auf die Einziehung, Verteilung und Ausschüttung der den Inhabern dieser Rechte zustehenden Vergütungen bezieht, bei nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallenden Vergütungen der Mehrwertsteuer unterworfen wird.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Mehrwertsteuerrichtlinie
Rz. 3
Art. 2 Abs. 1 Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie bestimmt:
„Der Mehrwertsteuer unterliegen folgende Umsätze:
…
c) Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt”.
Rz. 4
Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:
„Als ‚Steuerpflichtiger’ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.
Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit’ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.”
Rz. 5
Art. 24 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:
„Als ‚Dienstleistung’ gilt jeder Umsat...