Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Technische Vorschriften und Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro. Einheitlicher Euro-Zahlungsverkehrsraum (Single Euro Payments Area [SEPA]). Zahlung per Lastschrift. Zugänglichkeit von Zahlungen. Wohnsitzerfordernis
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 260/2012 Art. 9 Abs. 2
Beteiligte
Verein für Konsumenteninformation |
Tenor
Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 ist dahin auszulegen, dass er einer Vertragsklausel wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die die Zahlung mittels einer Lastschrift, die auf Euro lautet und über das in der Europäischen Union bestehende Lastschriftverfahren vorgenommen wird (SEPA-Lastschrift), ausschließt, wenn der Zahler seinen Wohnsitz nicht in dem Mitgliedstaat hat, in dem der Zahlungsempfänger seinen Sitz hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Obersten Gerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 17. Januar 2018, in dem Verfahren
Verein für Konsumenteninformation
gegen
Deutsche Bahn AG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter) sowie der Richter C. Lycourgos, E. Juhász, M. Ilešič und I. Jarukaitis,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Januar 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Vereins für Konsumenteninformation, vertreten durch Rechtsanwalt S. Langer,
- der Deutschen Bahn AG, vertreten durch Rechtsanwälte C. Pöchhacker und L. Riede,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Tserepa-Lacombe und T. Scharf als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 2. Mai 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 260/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. März 2012 zur Festlegung der technischen Vorschriften und der Geschäftsanforderungen für Überweisungen und Lastschriften in Euro und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 (ABl. 2012, L 94, S. 22).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Verein für Konsumenteninformation (im Folgenden: VKI) und der Deutschen Bahn AG, bei dem es darum geht, dass Fahrgäste ohne Wohnsitz in Deutschland die über die Website dieser Gesellschaft getätigten Buchungen nicht mittels einer Lastschrift, die auf Euro lautet und über das in der Europäischen Union bestehende Lastschriftverfahren vorgenommen wird (im Folgenden: SEPA-Lastschrift), bezahlen können.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1, 6, 9, 10 und 32 der Verordnung Nr. 260/2012 heißt es:
„(1) Die Schaffung eines integrierten Markts für elektronische Zahlungen in Euro ohne Unterscheidung zwischen Inlandszahlungen und grenzüberschreitenden Zahlungen ist Voraussetzung für ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts. Zu diesem Zweck sollen durch den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum [(Single Euro Payments Area)] (im Folgenden[: SEPA]) gemeinsame unionsweite Zahlungsdienste entwickelt werden, die die derzeitigen inländischen Zahlungsdienste ersetzen. SEPA soll den Bürgern und Unternehmen der Union durch Einführung offener, gemeinsamer Zahlungsstandards, -regeln und -praktiken und durch eine integrierte Zahlungsverarbeitung sichere, nutzerfreundliche und zuverlässige Euro-Zahlungsdienste zu konkurrenzfähigen Preisen bieten. Dies sollte unabhängig vom Standort in der Union für inländische und grenzüberschreitende SEPA-Zahlungen unter den gleichen grundlegenden Bedingungen, Rechten und Pflichten gelten. …
…
(6) Nur eine schnelle und umfassende Umstellung auf unionsweite Überweisungen und Lastschriften wird die Vorteile eines integrierten Zahlungsverkehrsmarkts voll zum Tragen bringen und die hohen Kosten für den Parallelbetrieb von ‚Altzahlungs-’ und SEPA-Produkten beseitigen. Deshalb sollten Regeln festgelegt werden, die für alle auf Euro lautenden Überweisungen und Lastschriften innerhalb der Union gelten. …
…
(9) Eine Überweisung kann nur ausgeführt werden, wenn das Zahlungskonto des Zahlungsempfängers erreichbar ist. Um die Inanspruchnahme unionsweiter Überweisungen und Lastschriften zu fördern, sollte deshalb unionsweit eine Verpflichtung zur Erreichbarkeit festgelegt werden. Im Interesse der Transparenz sollten diese Verpflichtung und die in der Verordnung (EG) Nr. 924/2009 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über grenzüberschreitende Zahlungen in der Gemeinschaft und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 2560/2001 (ABl....