Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Maßnahmen zur Verhinderung des Inverkehrbringens von nachgeahmten Waren und unerlaubt hergestellten Waren. Geltungsbereich der Verordnung. Aus einem Drittstaat über das Internet erfolgter Verkauf einer nachgeahmten Uhr zu privaten Zwecken an eine Privatperson, die in einem Mitgliedstaat wohnt. Beschlagnahme der Uhr durch die Zollbehörden bei ihrer Einfuhr in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats. Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme. Voraussetzungen. Voraussetzungen betreffend die Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums. Verbreitung an die Öffentlichkeit. Benutzung im geschäftlichen Verkehr
Normenkette
Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 Art. 2; Richtlinie 2001/29/EG Art. 4; Richtlinie 2008/95/EG Art. 5; Verordnung (EG) Nr. 207/2009 Art. 9
Beteiligte
Manufacture des Montres Rolex SA |
Tenor
Die Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen, ist dahin auszulegen, dass der Inhaber eines Rechts des geistigen Eigentums an einer Ware, die über die Website eines Online-Shops in einem Drittstaat an eine Person, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats wohnt, verkauft wurde, den ihm durch die Zollverordnung gewährten Schutz zu dem Zeitpunkt, zu dem die Ware in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats gelangt, allein aufgrund des Erwerbs der Ware beanspruchen kann. Es ist hierzu nicht noch erforderlich, dass die Ware vor dem Verkauf Gegenstand einer an die Verbraucher in diesem Mitgliedstaat gerichteten Verkaufsofferte oder Werbung war.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Højesteret (Dänemark) mit Entscheidung vom 25. Februar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 27. Februar 2013, in dem Verfahren
Martin Blomqvist
gegen
Rolex SA,
Manufacture des Montres Rolex SA
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J. L. da Cruz Vilaça, G. Arestis, J.-C. Bonichot (Berichterstatter) und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von M. Blomqvist, vertreten durch J. Petersen, advokat,
- der Rolex SA und Manufacture des Montres Rolex SA, vertreten durch K. Dyekjær und T. Mølsgaard, advokater,
- der estnischen Regierung, vertreten durch N. Grünberg und M. Linntam als Bevollmächtigte,
- der französischen Regierung, vertreten durch D. Colas und B. Beaupère-Manokha als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. Clausen und F. W. Bulst als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 1383/2003 des Rates vom 22. Juli 2003 über das Vorgehen der Zollbehörden gegen Waren, die im Verdacht stehen, bestimmte Rechte geistigen Eigentums zu verletzen, und die Maßnahmen gegenüber Waren, die erkanntermaßen derartige Rechte verletzen (ABl. L 196, S. 7, im Folgenden: Zollverordnung), von Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L 167, S. 10, im Folgenden: Urheberrechtsrichtlinie), von Art. 5 Abs. 1 und 3 der Richtlinie 2008/95/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (ABl. L 299, S. 25, im Folgenden: Markenrichtlinie) und von Art. 9 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) Nr. 207/2009 des Rates vom 26. Februar 2009 über die Gemeinschaftsmarke (ABl. L 78, S. 1, im Folgenden: Gemeinschaftsmarkenverordnung).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Blomqvist auf der einen Seite und der Rolex SA sowie der Manufacture des montres Rolex SA (beide zusammen im Folgenden: Rolex) auf der anderen Seite über die Vernichtung einer nachgeahmten Uhr, die Herr Blomqvist über eine chinesische Online-Shop-Website gekauft hatte und die von den Zollbehörden beschlagnahmt worden war.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Zollverordnung
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 2 und 8 der Zollverordnung heißt es:
„(2) Durch das Inverkehrbringen nachgeahmter und unerlaubt hergestellter Waren und allgemein durch das Inverkehrbringen von Waren, die Rechte geistigen Eigentums verletzen, wird den rechtstreuen Herstellern und Händlern sowie den Rechtsinhabern erheblicher Schaden zugefügt; außerdem werden die Verbraucher getäuscht und mitunter Gefahren für ihre...