Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbliches und kommerzielles Eigentum. Rechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen. Richtlinie 98/44/EG. Art. 9. Patent zum Schutz eines Erzeugnisses, das eine genetische Information enthält oder in einer genetischen Information besteht. Material, in das das Erzeugnis Eingang gefunden hat. Schutz. Voraussetzungen
Beteiligte
Alfred C. Toepfer International GmbH |
Tenor
1. Art. 9 der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen ist dahin auszulegen, dass er unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens, wenn das patentierte Erzeugnis in Sojamehl enthalten ist, wo es nicht die Funktion erfüllt, für die es patentiert ist, diese Funktion jedoch zuvor in der Sojapflanze erfüllt hat, aus der dieses Mehl als Verarbeitungserzeugnis gewonnen wurde, oder wenn das Erzeugnis diese Funktion möglicherweise erneut erfüllen könnte, nachdem das Material aus dem Mehl isoliert und dann in die Zelle eines lebenden Organismus eingebracht worden ist, keinen patentrechtlichen Schutz gewährt.
2. Art. 9 der Richtlinie 98/44 nimmt eine abschließende Harmonisierung des von ihm gewährten Schutzes vor, so dass er einer nationalen Regelung entgegensteht, die einen absoluten Schutz des patentierten Erzeugnisses als solchen vorsieht, unabhängig davon, ob es die Funktion, die es in dem Material innehat, in dem es enthalten ist, erfüllt oder nicht.
3. Art. 9 der Richtlinie 98/44 steht dem entgegen, dass der Inhaber eines vor dem Erlass dieser Richtlinie erteilten Patents den absoluten Schutz des patentierten Erzeugnisses geltend macht, den ihm die seinerzeit geltende nationale Vorschrift verliehen haben soll.
4. Die Art. 27 und 30 des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums in Anhang 1 C des Übereinkommens zur Errichtung der Welthandelsorganisation (WTO), das am 15. April 1994 in Marrakesch unterzeichnet und durch den Beschluss 94/800/EG des Rates vom 22. Dezember 1994 über den Abschluss der Übereinkünfte im Rahmen der multilateralen Verhandlungen der Uruguay-Runde (1986-1994) im Namen der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die in ihre Zuständigkeiten fallenden Bereiche genehmigt wurde, wirken sich nicht auf die Art. 9 der Richtlinie 98/44 gegebene Auslegung aus.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht von der Rechtbank's-Gravenhage (Niederlande) mit Entscheidung vom 24. September 2008, beim Gerichtshof eingegangen am 29. September 2008, in dem Verfahren
Monsanto Technology LLC
gegen
Cefetra BV,
Cefetra Feed Service BV,
Cefetra Futures BV,
Alfred C. Toepfer International GmbH,
unterstützt durch:
Staat Argentinien,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten A. Tizzano, K. Lenaerts, J.-C. Bonichot, E. Levits sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský, U. Lõhmus und L. Bay Larsen (Berichterstatter),
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. Dezember 2009,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Monsanto Technology LLC, vertreten durch W. A. Hoyng und F. W. E. Eijsvogels, advocaten,
- der Cefetra BV, der Cefetra Feed Service BV, der Cefetra Futures BV und der Alfred C. Toepfer International GmbH, vertreten durch J. J. Allen und H. M. H. Speyart van Woerden, advocaten,
- des Staates Argentinien, vertreten durch B. Remiche, avocat, sowie M. Roosen und V. Cassiers, advocaten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch I. Bruni als Bevollmächtigte im Beistand von D. Del Gaizo, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und M. de Grave als Bevollmächtigte,
- der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch S. Ossowski als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch H. Krämer und W. Wils als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 9. März 2010
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 9 der Richtlinie 98/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 6. Juli 1998 über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen (ABl. L 213, S. 13, im Folgenden: Richtlinie).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen von zwei Rechtsstreitigkeiten, in denen die Monsanto Technology LLC (im Folgenden: Monsanto) zum einen der Cefetra BV, der Cefetra Feed Service BV und der Cefetra Futures BV (im Folgenden gemeinsam: Cefetra), unterstützt durch den Staat Argentinien, sowie zum anderen der Vopak Agencies Rotterdam BV (im Folgenden: Vopak) und der Alfred C. Toepfer International GmbH (im Folgenden: Toepfer) wegen Einfuhren v...