Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Richtlinie 92/57/EWG. Auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendende Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz. Art. 3. Pflicht zur Bestellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinators und zur Erstellung eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplans
Beteiligte
Tenor
Art. 3 der Richtlinie 92/57/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz (Achte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) ist wie folgt auszulegen:
- Abs. 1 dieses Artikels steht einer nationalen Vorschrift entgegen, die im Fall einer Baustelle, auf der private Arbeiten durchgeführt werden, die keiner Baugenehmigung bedürfen, und auf der mehrere Unternehmen anwesend sein werden, den Bauherrn oder Bauleiter von der Pflicht befreit, während der Vorbereitungsphase des Bauprojekts oder jedenfalls vor der Ausführung der Arbeiten einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator zu bestellen;
- Abs. 2 desselben Artikels steht einer nationalen Vorschrift entgegen, die die Pflicht des Koordinators für die Ausführungsphase des Bauwerks, einen Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan zu erstellen, auf den Fall beschränkt, dass auf einer Baustelle, auf der private Arbeiten durchgeführt werden, für die keine Baugenehmigung erforderlich ist, mehrere Unternehmen tätig sind, und die als Kriterium für das Bestehen dieser Pflicht nicht auf die besonderen Gefahren, wie in Anhang II der genannten Richtlinie aufgeführt, abstellt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunale di Bolzano (Italien) mit Entscheidung vom 2. Februar 2009, beim Gerichtshof eingegangen am 19. Juni 2009, in dem Strafverfahren
Martha Nussbaumer
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-J. Kasel (Berichterstatter) sowie der Richter E. Levits und M. Safjan,
Generalanwalt: J. Mazák,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2010,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von F. Arena, avvocato dello Stato,
- Irlands, vertreten durch D. O'Hagan als Bevollmächtigten im Beistand von A. Collins, SC,
- der österreichischen Regierung, vertreten durch C. Pesendorfer als Bevollmächtigte,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, vertreten durch A. Howard, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Rozet und L. Pignataro-Nolin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/57/EWG des Rates vom 24. Juni 1992 über die auf zeitlich begrenzte oder ortsveränderliche Baustellen anzuwendenden Mindestvorschriften für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz (Achte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) (ABl. L 245, S. 6).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Strafverfahrens gegen Frau Nussbaumer, der zur Last gelegt wird, gegen die dem Bauherrn oder Bauleiter obliegenden Pflichten hinsichtlich der Sicherheit auf zeitlich begrenzten oder ortsveränderlichen Baustellen verstoßen zu haben.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 („Koordinatoren – Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan – Vorankündigung”) der Richtlinie 92/57 lautet:
„(1) Der Bauherr oder der Bauleiter betraut im Fall einer Baustelle, auf der mehrere Unternehmen anwesend sein werden, einen oder mehrere Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinatoren …
(2) Der Bauherr oder der Bauleiter sorgt dafür, dass vor Eröffnung der Baustelle ein Sicherheits- und Gesundheitsschutzplan entsprechend Artikel 5 Buchstabe b) erstellt wird.
Die Mitgliedstaaten können nach Anhörung der Sozialpartner von Unterabsatz 1 abweichen, außer wenn es sich um Arbeiten handelt,
(3) Im Fall einer Baustelle,
übermittelt der Bauherr oder der Bauleiter den zuständigen Behörden vor Beginn der Arbeiten eine Vorankündigung, deren Inhalt Anhang III entspricht.
Die Vorankündigung ist sichtbar auf der Baustelle auszuhängen und erforderlichenfalls auf dem Laufenden zu halten.”
Rz. 4
Art. 5 („Vorbereitung des Bauprojekts: Aufgaben der Koordinatoren”) dieser Richtlinie bestimmt:
„Der bzw. die gemäß Artikel 3 Absatz 1 betrau...