Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Befristete Arbeitsverträge. Mit einem Arbeitgeber des öffentlichen Sektors abgeschlossene Verträge. Maßnahmen zur Ahndung des missbräuchlichen Rückgriffs auf befristete Arbeitsverträge. Umwandlung eines Arbeitsverhältnisses in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Beschränkung der Rückwirkung der Umwandlung. Fehlende finanzielle Entschädigung
Beteiligte
Rossato und Conservatorio di Musica F.A. Bonporti |
Ministero dell'Istruzione, dell'Università e della Ricerca – MIUR |
Conservatorio di Musica F. A. Bonporti |
Tenor
Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge vom 18. März 1999, die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge enthalten ist, ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die in ihrer Anwendung durch die nationalen Höchstgerichte für Lehrkräfte im öffentlichen Sektor, deren befristetes Arbeitsverhältnis in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit begrenzter Rückwirkung umgewandelt wurde, jeden Anspruch auf finanzielle Entschädigung wegen missbräuchlicher Verwendung aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge ausschließt, wenn diese Umwandlung weder ungewiss noch unvorhersehbar noch zufällig ist und wenn die Beschränkung der Berücksichtigung des durch diese aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträge erworbenen Dienstalters eine verhältnismäßige Maßnahme zur Ahndung dieses Missbrauchs darstellt, was das vorlegende Gericht zu prüfen hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Corte d'appello di Trento (Berufungsgericht Trient, Italien) mit Entscheidung vom 13. Juli 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 14. August 2017, in dem Verfahren
Ministero dell'Istruzione,dell'Università e della Ricerca – MIUR
gegen
Fabio Rossato,
Conservatorio di Musica F. A. Bonporti,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer sowie der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter), E. Regan, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: R. Schiano, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Herrn Rossato, vertreten durch A. Mastrolia, avvocatessa,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. Fiandaca, C. Colelli und G. D'Avanzo, avvocati dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Gattinara und M. van Beek als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 6. Dezember 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Paragraf 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung vom 18. März 1999 über befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: Rahmenvereinbarung), die im Anhang der Richtlinie 1999/70/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (ABl. 1999, L 175, S. 43) enthalten ist.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Ministero dell'Istruzione, dell'Università e della Ricerca – MIUR (Ministerium für Bildung, Universitäten und Forschung – MIUR, Italien) auf der einen und Herrn Fabio Rossato und dem Conservatorio di Musica F. A. Bonporti (Konservatorium für Musik F. A. Bonporti, Italien) auf der anderen Seite wegen Ersatzes des Schadens, den Herr Rossato aufgrund des Rückgriffs auf aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge während des Zeitraums vom 18. November 2003 bis 2. September 2015 erlitten haben soll.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Mit der Richtlinie 1999/70 soll gemäß deren Art. 1 „die zwischen den allgemeinen branchenübergreifenden Organisationen [Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB), Union der Industrie- und Arbeitgeberverbände Europas (UNICE) und Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP)] geschlossene Rahmenvereinbarung …, die im Anhang enthalten ist, durchgeführt werden”.
Rz. 4
Gemäß Paragraf 1 der Rahmenvereinbarung soll diese zum einen durch Anwendung des Grundsatzes der Nichtdiskriminierung die Qualität befristeter Arbeitsverhältnisse verbessern und zum anderen einen Rahmen schaffen, der den Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse verhindert.
Rz. 5
Paragraf 5 („Maßnahmen zur Vermeidung von Missbrauch”) der Rahmenvereinbarung lautet:
„Um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden, ergreifen die Mitgliedstaaten nach der gesetzlich oder tarifvertraglich vorgeschriebenen oder in dem Mitgliedstaat üblichen Anhörung der Sozialpartner und/oder die Sozialpartner, wenn keine gleichwertigen gesetzlichen Maßnahmen zur Missbrauchsverhinderung bestehen, unter Berücksichtigung der Anforderung...