Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Fernabsatzvertrag. Bereitstellung digitaler Inhalte und digitaler Dienstleistungen. Widerrufsrecht. Pflichten des Verbrauchers im Widerrufsfall. Bestimmung des Betrags, der vom Verbraucher für die vor Ausübung des Widerrufsrechts erbrachten Leistungen zu zahlen ist. Ausnahme vom Widerrufsrecht bei Lieferung digitaler Inhalte
Normenkette
Richtlinie 2011/83/EU Art. 2 Nr. 11, Art. 14 Abs. 3, Art. 16 Buchst. m
Beteiligte
Tenor
1. Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates ist dahin auszulegen, dass zur Bestimmung des anteiligen Betrags, den der Verbraucher an den Unternehmer zu zahlen hat, wenn er ausdrücklich verlangt hat, dass die Ausführung des geschlossenen Vertrags während der Widerrufsfrist beginnt, und dann den Vertrag widerruft, grundsätzlich auf den im Vertrag vereinbarten Preis für die Gesamtheit der vertragsgegenständlichen Leistungen abzustellen und der geschuldete Betrag zeitanteilig zu berechnen ist. Nur wenn der geschlossene Vertrag ausdrücklich vorsieht, dass eine oder mehrere der Leistungen gleich zu Beginn der Vertragsausführung vollständig und gesondert zu einem getrennt zu zahlenden Preis erbracht werden, ist bei der Berechnung des dem Unternehmer nach Art. 14 Abs. 3 dieser Richtlinie zustehenden Betrags der volle für eine solche Leistung vorgesehene Preis zu berücksichtigen.
2. Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2011/83 im Licht deren 50. Erwägungsgrundes ist dahin auszulegen, dass für die Beurteilung, ob der Gesamtpreis im Sinne dieser Bestimmung überhöht ist, der Preis für die Dienstleistung, den der betreffende Unternehmer anderen Verbrauchern unter den gleichen Bedingungen anbietet, sowie der Preis einer zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses von anderen Unternehmern erbrachten gleichwertigen Dienstleistung zu berücksichtigen sind.
3. Art. 16 Buchst. m in Verbindung mit Art. 2 Nr. 11 der Richtlinie 2011/83 ist dahin auszulegen, dass die Erstellung eines Persönlichkeitsgutachtens auf einer Partnervermittlungs-Website auf der Grundlage eines auf dieser Website durchgeführten Persönlichkeitstests keine Lieferung „digitaler Inhalte” im Sinne dieser Bestimmung darstellt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidung vom 23. August 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 30. August 2019, in dem Verfahren
EU
gegen
PE Digital GmbH
erlässt
DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)
unter Mitwirkung der Richterin C. Toader in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und N. Jääskinen,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von EU, vertreten durch Rechtsanwalt T. Meier-Bading,
- der PE Digital GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt C. Rohnke,
- der belgischen Regierung, vertreten durch P. Cottin und S. Baeyens als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und C. Valero als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 11, Art. 14 Abs. 3 und Art. 16 Buchst. m der Richtlinie 2011/83/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 über die Rechte der Verbraucher, zur Abänderung der Richtlinie 93/13/EWG des Rates und der Richtlinie 1999/44/EG des Europäischen Parlaments und des Rates sowie zur Aufhebung der Richtlinie 85/577/EWG des Rates und der Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (ABl. 2011, L 304, S. 64).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen EU als Verbraucherin und der PE Digital GmbH über den Betrag, der Letzterer zusteht, nachdem EU das Recht auf Widerruf des zwischen ihnen geschlossenen Vertrags ausgeübt hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 4, 19 und 50 der Richtlinie 2011/83 wird ausgeführt:
„(4) … Die Harmonisierung bestimmter Aspekte von im Fernabsatz … geschlossenen Verbraucherverträgen ist unabdingbar, wenn ein echter Binnenmarkt für Verbraucher gefördert werden soll, in dem ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen bei gleichzeitiger Wahrung des Subsidiaritätsprinzips gewährleistet ist.
…
(19) ‚Digitale Inhalte’ bezeichnet Daten, die in digitaler Form hergestellt und bereitgestellt werden, wie etwa Computerprogramme, Anwen...