Entscheidungsstichwort (Thema)
Unionsbürgerschaft. Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Drittstaatsangehörige. Aufenthaltsrecht in einem Mitgliedstaat. Drittstaatsangehörige, die Familienangehörige von Unionsbürgern sind. Drittstaatsangehöriger, der weder einen Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat begleitet noch ihm dorthin nachzieht, sondern im Herkunftsmitgliedstaat des Unionsbürgers bleibt. Aufenthaltsrecht des Drittstaatsangehörigen im Herkunftsmitgliedstaat eines Unionsbürgers, der sich in einem anderen Mitgliedstaat aufhält. Grundrechte
Normenkette
AEUV Art. 20-21; Richtlinie 2003/109/EG; Richtlinie 2004/38/EG
Beteiligte
Tenor
In Fällen, die nicht durch die Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG geregelt sind und in denen auch kein anderer Anknüpfungspunkt an die Bestimmungen des Unionsrechts über die Unionsbürgerschaft gegeben ist, kann ein Drittstaatsangehöriger kein von einem Unionsbürger abgeleitetes Aufenthaltsrecht beanspruchen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. Januar 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Januar 2011, in dem Verfahren
Yoshikazu Iida
gegen
Stadt Ulm
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Dritten Kammer sowie der Richter K. Lenaerts, E. Juhász, T. von Danwitz und D. Šváby,
Generalanwältin: V. Trstenjak,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2012,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Y. Iida, vertreten durch die Rechtsanwälte T. Oberhäuser und W. Weh,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und A. Wiedmann als Bevollmächtigte,
- der belgischen Regierung, vertreten durch L. Van den Broeck und C. Pochet als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- der dänischen Regierung, vertreten durch C. H. Vang als Bevollmächtigten,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von L. D'Ascia, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels, K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar als Bevollmächtigten,
- der Regierung des Vereinigten Königreichs, zunächst vertreten durch S. Hathaway, dann durch A. Robinson als Bevollmächtigte im Beistand von R. Palmer, Barrister,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Tufvesson und H. Krämer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 15. Mai 2012
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Vorschriften des Unionsrechts über das Aufenthaltsrecht Drittstaatsangehöriger in einem Mitgliedstaat und über die Unionsbürgerschaft.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Iida und der Stadt Ulm wegen deren Weigerung, ihm das Recht zum Aufenthalt in Deutschland gemäß der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (ABl. L 158, S. 77, berichtigt im ABl. 2004, L 229, S. 35) zu gewähren und ihm aufgrund dessen eine Aufenthaltskarte auszustellen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2003/109/EG
Rz. 3
Art. 1 („Gegenstand”) Buchst. a der Richtlinie 2003/109/EG des Rates vom 25. November 2003 betreffend die Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen (ABl. 2004, L 16, S. 44) bestimmt:
„Ziel dieser Richtlinie ist die Festlegung
- der Bedingungen, unter denen ein Mitgliedstaat einem Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig in seinem Hoheitsgebiet aufhält, die Rechtsstellung eines langfristig Aufenthaltsberechtigten erteilen oder entziehen kann, sowie der mit dieser Rechtsstellung verbundenen Rechte …”
Rz. 4
Art. 3 („Anwendungsbereich”) dieser Richtlinie bestimmt in den Abs. 1 und 2:
„(1) Diese Richtlinie findet auf Drittstaatsangehörige Anwendung, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats aufhalten.
(2) Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf Drittstaatsangehörig...