Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Umwelt. Umwelthaftung. Schädigung, die nicht als ‚erhebliche Schädigung’ eingestuft werden kann. Begriff ‚Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele zufolge als normal anzusehen ist oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht’. Begriff ‚berufliche Tätigkeit’. Aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübte Tätigkeit. Einbeziehung oder Nichteinbeziehung
Normenkette
Richtlinie 2004/35/EG Anhang I Abs. 3 zweiter Gedankenstrich; Richtlinie 2004/35/EG Art. 2 Nr. 7
Beteiligte
Naturschutzbund Deutschland – Landesverband Schleswig-Holstein |
Naturschutzbund Deutschland – Landesverband Schleswig-Holstein eV |
Tenor
1. Der Begriff „Bewirtschaftung der betreffenden Gebiete, die den Aufzeichnungen über den Lebensraum oder den Dokumenten über die Erhaltungsziele zufolge als normal anzusehen ist oder der früheren Bewirtschaftungsweise der jeweiligen Eigentümer oder Betreiber entspricht” in Anhang I Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden ist dahin zu verstehen, dass er zum einen jede Verwaltungs- oder Organisationsmaßnahme, die Auswirkungen auf die geschützten Arten und natürlichen Lebensräume in einem Gebiet haben kann, erfasst, wie sie sich aus den von den Mitgliedstaaten auf der Grundlage der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen und der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten verabschiedeten Bewirtschaftungsdokumenten – erforderlichenfalls ausgelegt unter Bezugnahme auf jede innerstaatliche Rechtsvorschrift, die die beiden letztgenannten Richtlinien umsetzt oder mit dem Sinn und Zweck dieser Richtlinien in Einklang steht – ergibt, und zum anderen jede Verwaltungs- oder Organisationsmaßnahme, die als üblich anzusehen sowie allgemein anerkannt ist und feststeht und von den Eigentümern oder Betreibern während eines hinreichend langen Zeitraums bis zum Eintritt eines durch die Auswirkungen dieser Maßnahme verursachten Schadens an den geschützten Arten und natürlichen Lebensräumen praktiziert worden ist, wobei alle diese Maßnahmen außerdem mit den der Richtlinie 92/43 und der Richtlinie 2009/147 zugrunde liegenden Zielen und insbesondere mit der allgemein anerkannten landwirtschaftlichen Praxis vereinbar sein müssen.
2. Art. 2 Nr. 7 der Richtlinie 2004/35 ist dahin auszulegen, dass der dort definierte Begriff „berufliche Tätigkeit” auch aufgrund gesetzlicher Aufgabenübertragung im öffentlichen Interesse ausgeübte Tätigkeiten erfasst.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 26. Februar 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 11. April 2019, in dem Verfahren
Naturschutzbund Deutschland – Landesverband Schleswig-Holstein eV
gegen
Kreis Nordfriesland,
Beteiligte:
Deich- und Hauptsielverband Eiderstedt, Körperschaft des öffentlichen Rechts,
Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot (Berichterstatter), der Richter M. Safjan und L. Bay Larsen, der Richterin C. Toader sowie des Richters N. Jääskinen,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: D. Dittert, Referatsleiter,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Naturschutzbund Deutschland – Landesverband Schleswig-Holstein eV, vertreten durch Rechtsanwalt J. Mittelstein,
- des Kreises Nordfriesland, vertreten durch Rechtsanwalt G. Koukakis,
- des Deich- und Hauptsielverbands Eiderstedt, Körperschaft des öffentlichen Rechts, vertreten durch Rechtsanwältin C. Brandt,
- der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und S. Eisenberg als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch A. C. Becker und G. Gattinara als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Nr. 7 und von Anhang I Abs. 3 zweiter Gedankenstrich der Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. 2004, L 143, S. 56).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Naturschutzbund Deutschland – Landesverband Schleswig-Holstein eV (im Folgenden: Naturschutzbund Deutschland) und dem Kreis Nordfriesland (Deutschland) über vom Naturschutzbund Deutschland beantragte Maßnah...