Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Richtlinie 2000/31/EG. Dienste der Informationsgesellschaft. Art. 3 Abs. 1. Grundsatz der Aufsicht im Herkunftsmitgliedstaat. Art. 3 Abs. 4. Ausnahme vom Grundsatz des freien Verkehrs von Diensten der Informationsgesellschaft. Begriff der Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft. Art. 3 Abs. 5. Möglichkeit, Maßnahmen, die den freien Verkehr von Diensten der Informationsgesellschaft beschränken, in dringlichen Fällen nachträglich mitzuteilen. Keine Mitteilung. Durchsetzbarkeit dieser Maßnahmen. Regelung eines Mitgliedstaats, der Anbietern von Kommunikationsplattformen unabhängig davon, ob sie in seinem Hoheitsgebiet niedergelassen sind oder nicht, eine Reihe von Verpflichtungen in Bezug auf die Kontrolle und die Meldung behauptetermaßen rechtswidriger Inhalte auferlegt. Richtlinie 2010/13/EU. Audiovisuelle Mediendienste. Video-Sharing-Plattform-Dienst. Begriff der „Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“
Normenkette
Richtlinie 2000/31/EG Art. 3 Abs. 1, 4-5; Richtlinie 2010/13/EU
Beteiligte
Meta Platforms Ireland Limited |
Tik Tok Technology Limited |
Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) |
Tenor
Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt
ist dahin auszulegen, dass
generell-abstrakte Maßnahmen, die sich auf eine allgemein umschriebene Kategorie bestimmter Dienste der Informationsgesellschaft beziehen und unterschiedslos für alle Anbieter dieser Kategorie von Diensten gelten, nicht unter den Begriff „Maßnahmen … betreffen[d] einen bestimmten Dienst der Informationsgesellschaft“ im Sinne dieser Bestimmung fallen.
Tatbestand
In der Rechtssache C-376/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Verwaltungsgerichtshof (Österreich) mit Entscheidung vom 24. Mai 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Juni 2022, in dem Verfahren
Google Ireland Limited,
Meta Platforms Ireland Limited,
Tik Tok Technology Limited
gegen
Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria),
Beteiligte:
Bundesministerin für Frauen, Familie, Integration und Medien im Bundeskanzleramt,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin A. Prechal und der Richter F. Biltgen, N. Wahl (Berichterstatter), J. Passer sowie der Richterin M. L. Arastey Sahún,
Generalanwalt: M. Szpunar,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Google Ireland Limited und der Tik Tok Technology Limited, vertreten durch Rechtsanwalt L. Feiler,
- – der Meta Platforms Ireland Limited, vertreten durch Rechtsanwalt S. Denk,
- – der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch und G. Kunnert als Bevollmächtigte,
- – von Irland, vertreten durch M. Browne, A. Joyce und M. Tierney als Bevollmächtigte im Beistand von D. Fennelly, BL,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Braun, S. L. Kalėda und P.-J. Loewenthal als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 8. Juni 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung zum einen von Art. 3 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (ABl. 2000, L 178, S. 1) und zum anderen von Art. 28a Abs. 1 der Richtlinie 2010/13/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. März 2010 zur Koordinierung bestimmter Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Bereitstellung audiovisueller Mediendienste („Richtlinie über audiovisuelle Mediendienste“) (ABl. 2010, L 95, S. 1) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2018/1808 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 (ABl. 2018, L 303, S. 69) (im Folgenden: Richtlinie 2010/13).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Google Ireland Limited, der Meta Platforms Ireland Limited und der Tik Tok Technology Limited, Gesellschaften mit Sitz in Irland, auf der einen Seite und der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) auf der anderen Seite über Bescheide dieser Behörde, mit denen festgestellt wurde, dass die genannten Gesellschaften dem Bundesgesetz über Maßnahmen zum Schutz der Nutzer auf Kommunikationsplattformen (Kommunikationsplattformen-Gesetz) (BGBl. I Nr. 151/2020, im Folgenden: KoPl-G), unterworfen sind.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2000/31
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 5, 6, 8, 22 und 24 der Richtlinie 2000/31 haben folgenden Wortlaut:
„(5) ...