Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats. Art. 43 EG und 56 EG. Freier Kapitalverkehr. Vom portugiesischen Staat gehaltene Sonderaktien (‚golden shares’) an der GALP Energia SGPS SA. Eingriff in die Verwaltung einer privatisierten Gesellschaft
Beteiligte
Tenor
1. Die Portugiesische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 56 EG verstoßen, dass sie Sonderrechte innerhalb der GALP Energia SGPS SA aufrechterhält wie diejenigen, die im vorliegenden Fall durch das Gesetz Nr. 11/90, Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.° 11/90, Lei Quadro das Privatizações), vom 5. April 1990, die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99 zur Genehmigung der ersten Etappe der Privatisierung des Gesellschaftskapitals der GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS, SA (Decreto-Lei n° 261-A/99 aprova a 1.a fase do processo de privatização do capital social da GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS SA) vom 7. Juli 1999 und die Satzung dieser Gesellschaft zugunsten des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen vorgesehen sind und in Verbindung mit vom Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares”) am Gesellschaftskapital dieses Unternehmens gewährt werden.
2. Die Portugiesische Republik trägt die Kosten.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 11. Juni 2009,
Europäische Kommission, vertreten durch G. Braun, M. Teles Romão und P. Guerra e Andrade als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,
Klägerin,
gegen
Portugiesische Republik, vertreten durch L. Inez Fernandes als Bevollmächtigten im Beistand von C. Botelho Moniz, M. Rosado da Fonseca und P. Gouveia e Melo, advogados,
Beklagte,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten der Fünften Kammer J.-J. Kasel in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter A. Borg Barthet, E. Levits und M. Safjan sowie der Richterin M. Berger (Berichterstatterin),
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 19. Januar 2011,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Portugiesische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus den Art. 43 EG und 56 EG verstoßen hat, dass sie Sonderrechte des portugiesischen Staates und anderer öffentlicher Einrichtungen oder des portugiesischen öffentlichen Sektors innerhalb der GALP Energia SGPS SA (im Folgenden: GALP) aufrechterhält, die in Verbindung mit vom portugiesischen Staat gehaltenen Sonderaktien („golden shares”) gewährt werden.
Rechtlicher Rahmen
Nationales Recht
Rz. 2
Art. 15 Abs. 1 des Gesetzes Nr. 11/90, Rahmengesetz über Privatisierungen (Lei n.° 11/90, Lei Quadro das Privatizações), vom 5. April 1990 (Diário da República I, Serie A, Nr. 80, vom 5. April 1990; im Folgenden: LQP) sieht vor:
„Ausnahmsweise kann, wenn Gründe des nationalen Interesses es erfordern, der Rechtsakt, mit dem die Satzung des zu reprivatisierenden Unternehmens genehmigt wird, zur Wahrung des öffentlichen Interesses vorsehen, dass Beschlüsse über bestimmte Gegenstände von einem vom Staat ernannten Verwaltungsratsmitglied genehmigt werden müssen.”
Rz. 3
Art. 15 Abs. 3 LQP sieht die Möglichkeit der Ausgabe von Sonderaktien wie folgt vor:
„Außerdem können in dem Rechtsakt gemäß Art. 4 Abs. 1 [zur Genehmigung der Satzung des Unternehmens, das reprivatisiert oder in eine Aktiengesellschaft umgewandelt werden soll] ausnahmsweise, wenn Gründe des nationalen Interesses dies erfordern, Sonderaktien vorgesehen werden, die Eigentum des Staates bleiben und diesem unabhängig von ihrer Anzahl bei Satzungsänderungen und anderen Beschlüssen über bestimmte, in der Satzung hinreichend spezifizierte Gegenstände ein Vetorecht einräumen.”
Rz. 4
In Anwendung von Art. 15 LQP sieht die gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99 zur Genehmigung der ersten Etappe der Privatisierung des Gesellschaftskapitals der GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS, SA (Decreto-Lei n° 261-A/99 aprova a 1.a fase do processo de privatização do capital social da GALP – Petróleos e Gás de Portugal, SGPS, SA) vom 7. Juli 1999 (Diário da República I, Serie A, Nr. 156, vom 7. Juli 1999, im Folgenden: gesetzesvertretende Verordnung Nr. 261-A/99) in ihrem Art. 4 Abs. 1 die Möglichkeit der „Schaffung von Sonderaktien durch Umwandlung gewöhnlicher Aktien” vor.
Rz. 5
Nach Art. 4 Abs. 2 dieser gesetzesvertretenden Verordnung dürfen die Sonderaktien vor Kapitalerhöhung nicht mehr als 10 % des Gesellschaftskapitals von GALP ausmachen und müssen mehrheitlich von öffentlichen Einrichtungen gehalten werden.
Rz. 6
Nach Art. 4 Abs. 3 derselben gesetzesvertretenden Verordnung v...