Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorabentscheidungsersuchen. Niederlassungsfreiheit. Freier Dienstleistungsverkehr. Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW). Begriff, Zahlungen an die Anteilinhaber?. Aushändigung von auf den Namen lautenden Anteilscheinen an die Anteilinhaber
Normenkette
Richtlinie 85/611/EWG Art. 45
Beteiligte
Tenor
Die in Art. 45 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in der durch die Richtlinie Nr. 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 geänderten Fassung vorgesehene Verpflichtung, nach der ein Organismus für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren, der seine Anteile in einem anderen als dem Mitgliedstaat vertreibt, in dem er ansässig ist, die Zahlungen an die Anteilinhaber im Mitgliedstaat des Vertriebs sicherstellen muss, ist dahin auszulegen, dass sie nicht die Aushändigung an Anteilinhaber von Zertifikaten über Anteile einschließt, die auf ihren Namen in das vom Emittenten geführte Verzeichnis der Anteilinhaber eingetragen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour de cassation (Belgien) mit Entscheidung vom 24. Januar 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 22. Februar 2013, in dem Verfahren
Philippe Gruslin
gegen
Beobank SA, vormals Citibank Belgium SA,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta und der Richter J. L. da Cruz Vilaça (Berichterstatter), G. Arestis, J.-C. Bonichot und A. Arabadjiev,
Generalanwalt: N. Jääskinen,
Kanzler: V. Tourrès, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 27. November 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Gruslin, vertreten durch L. Misson und J. Meyer, avocats,
- der Beobank SA, vormals Citibank Belgium SA, vertreten durch M. van der Haegen und A. Fontaine, avocats,
- der belgischen Regierung, vertreten durch J.-C. Halleux und M. Jacobs als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Hottiaux, J. Rius und A. Nijenhuis als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. Februar 2014
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 45 der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375, S. 3) in der durch die Richtlinie 95/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. Juni 1995 (ABl. L 168, S. 7) geänderten Fassung (im Folgenden: OGAW-Richtlinie).
Rz. 2
Das Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Gruslin und der Beobank SA, vormals Citibank Belgium SA (im Folgenden: Beobank), über die Aushändigung von auf den Namen lautenden Anteilsscheinen des Investmentfonds Citiportfolios (im Folgenden: Citiportfolios-Fonds).
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die OGAW-Richtlinie wurde mehrfach geändert, bevor sie durch die Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 302, S. 32), die eine Neufassung dieser Richtlinie vornahm, aufgehoben wurde. Es ist jedoch die OGAW-Richtlinie, die zu dem im Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Zeitpunkt anwendbar war.
Rz. 4
Die Erwägungsgründe 2 bis 5 der OGAW-Richtlinie in der für den Ausgangsrechtsstreit maßgeblichen Fassung lauteten:
„Eine Koordinierung der nationalen Rechtsvorschriften betreffend die Organismen für gemeinsame Anlagen dürfte sich im Hinblick auf eine Angleichung der Wettbewerbsbedingungen zwischen diesen Organismen auf Gemeinschaftsebene als zweckmäßig erweisen, um so einen wirksameren und einheitlicheren Schutz der Anteilinhaber sicherzustellen. Eine derartige Koordinierung erscheint zweckmäßig, um den in einem Mitgliedstaat ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen den Vertrieb ihrer Anteile im Gebiet der anderen Mitgliedstaaten zu erleichtern.
Die Verwirklichung dieser Ziele erleichtert die Beseitigung der Beschränkungen des freien Verkehrs für Anteile von Organismen für gemeinsame Anlagen auf Gemeinschaftsebene; die vorgesehene Koordinierung fördert die Schaffung eines europäischen Kapitalmarkts.
Im Hinblick auf die vorstehend genannten Ziele ist es wünschenswert, gemeinsame Mindestregelungen bezüglich der Zulassung, der Aufsicht, der Struktur, der Geschäftstätigkeit sowie der Informationspflichten für die Organismen für gemeinsame Anlagen in den Mitgliedstaaten einzuführen.
Vorbehaltlich der Regelungen für den Kapitalverkehr bietet die Anwendung dieser gemei...