Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit. Berechnung der Leistungen. Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen. Nationale Regelung, die für Frauen, die zwei oder mehr leibliche oder adoptierte Kinder hatten und die eine beitragsbezogene Rente wegen dauernder Invalidität erhalten, einen Anspruch auf eine Rentenzulage vorsieht. Kein Anspruch für Männer, die sich in der gleichen Situation befinden. Vergleichbare Situation. Unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Ausnahmen. Fehlen
Normenkette
Richtlinie 79/7/EWG Art. 4 Abs. 1-2, Art. 7 Abs. 1; Richtlinie 2006/54/EG
Beteiligte
Instituto Nacional de la Seguridad Social (Complément de pension pour les mères) |
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) |
Tenor
Die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit ist dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht, die für Frauen, die zwei oder mehr leibliche oder adoptierte Kinder hatten und von einer Untergliederung des Systems der nationalen sozialen Sicherheit eine beitragsbezogene Rente wegen dauernder Invalidität erhalten, einen Anspruch auf eine Rentenzulage vorsieht, während Männer, die sich in der gleichen Situation befinden, keinen solchen Anspruch haben.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social n.°3 de Gerona (Sozialgericht Nr. 3 Gerona, Spanien) mit Entscheidung vom 21. Juni 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 9. Juli 2018, in dem Verfahren
WA
gegen
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten J.-C. Bonichot, der Vizepräsidentin des Gerichtshofs R. Silva de Lapuerta, der Richter M. Safjan (Berichterstatter) und L. Bay Larsen sowie der Richterin C. Toader,
Generalanwalt: M. Bobek,
Kanzler: L. Carrasco Marco, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Juni 2019,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von WA, vertreten durch F. Casas Corominas, abogado,
- des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), zunächst vertreten durch A. R. Trillo García, L. Martínez-Sicluna Sepúlveda und P. García Perea, dann durch L. Martínez-Sicluna Sepúlveda und P. García Perea, letrados,
- der spanischen Regierung, vertreten durch L. Aguilera Ruiz als Bevollmächtigten,
- der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch N. Ruiz García, C. Valero und I. Galindo Martín, dann durch N. Ruiz García und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 10. September 2019
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 157 AEUV und der Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (ABl. 2006, L 204, S. 23).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen WA, Vater zweier Kinder, und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) (Nationales Institut der Sozialen Sicherheit, Spanien) wegen dessen Weigerung, WA eine Rentenzulage zu gewähren, die Frauen gewährt wird, die zwei oder mehr leibliche oder adoptierte Kinder hatten.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 79/7/EWG
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 2 und 3 der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (ABl. 1979, L 6, S. 24) lauten:
„Es ist angezeigt, den Grundsatz der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit in erster Linie bei den gesetzlichen Systemen, die Schutz gegen die Risiken Krankheit, Invalidität, Alter, Arbeitsunfall, Berufskrankheit und Arbeitslosigkeit bieten, sowie bei den Sozialhilferegelungen, soweit sie die vorgenannten Systeme ergänzen oder ersetzen sollen, zu verwirklichen.
Die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit steht Bestimmungen, die sich auf den Schutz der Frau wegen Mutterschaft beziehen, nicht entgegen, und die Mitgliedstaaten können in diesem Rahmen zugunsten der Frauen besondere Bestimmungen erlassen, um die tatsächlich bestehenden Ungleichheiten zu beseitigen”.
Rz. 4
Art. 1 der Richtlinie 79/7 bestimmt:
„Diese Richtlinie hat zum Ziel, dass auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit und der sonstigen Bestandteile der sozialen Sicherung im Sinne von Artikel 3 der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit – im Folgenden ‚Grundsatz der Gleichbehandlung’ genannt – schrittweise verwirk...