Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verkehr. Kombinierter Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten. Grenzüberschreitende Beförderung von Gütern auf der Straße. Beförderung von Leercontainern vor der Beladung oder nach der Entladung von Gütern im Rahmen des kombinierten Verkehrs. Nichtanwendbarkeit der Kabotagebestimmungen
Normenkette
Richtlinie 92/106/EWG; Verordnung (EG) Nr. 1072/2009
Beteiligte
Staatsanwaltschaft Köln und Bundesamt für Güterverkehr (Transport de conteneurs vides) |
Tenor
Art. 1 der Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen den Mitgliedstaaten
ist dahin auszulegen, dass
die Beförderung von Leercontainern auf der Straße zwischen einem Containerterminal und dem Ort, an dem die Güter ge- oder entladen werden, unter den Begriff „kombinierter Verkehr“ im Sinne dieses Artikels fällt, so dass für sie die liberalisierte Regelung für die Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße gilt, die Bestandteil eines kombinierten Verkehrs im Sinne von Art. 4 dieser Richtlinie sind und von der Anwendung der Kabotagebestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs ausgenommen sind.
Tatbestand
In der Rechtssache C-246/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Amtsgericht Köln (Deutschland) mit Entscheidung vom 25. März 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 8. April 2022, in dem Verfahren
BW,
Beteiligte:
Staatsanwaltschaft Köln,
Bundesamt für Güterverkehr,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter F. Biltgen und N. Wahl,
Generalanwalt: J. Richard de la Tour,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – des Bundesamts für Güterverkehr, vertreten durch Rechtsanwalt M. Schleifenbaum,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch P. Messina, G. von Rintelen und G. Wilms als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. April 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (ABl. 1992, L 368, S. 38) und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (ABl. 2009, L 300, S. 72).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BW, der Geschäftsführerin eines Verkehrsunternehmens (im Folgenden: Betroffene), und dem Bundesamt für Güterverkehr (Deutschland) (im Folgenden: BAG) über die Verhängung eines Bußgelds wegen Verletzung der Kabotagebestimmungen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 92/106
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 3 und 6 der Richtlinie 92/106 lauten:
„Angesichts der zunehmenden Probleme im Zusammenhang mit der Überlastung der Straßen, dem Umweltschutz und der Sicherheit im Straßenverkehr ist es im allgemeinen Interesse notwendig, den kombinierten Verkehr als Alternative zum Straßenverkehr weiter auszubauen.
…
Damit der kombinierte Verkehr zu einer wirklichen Entlastung der Straßen führt, sollte diese Liberalisierung auf Straßentransporte unterhalb einer bestimmten Streckenlänge beschränkt werden.“
Rz. 4
Art. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Diese Richtlinie gilt unbeschadet der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 [des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten (ABl. 1992, L 95, S. 1)].
Im Sinne dieser Richtlinie gelten als ‚kombinierter Verkehr‘ Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten, bei denen der Lastkraftwagen, der Anhänger, der Sattelanhänger mit oder ohne Zugmaschine, der Wechselaufbau oder der Container von mindestens 20 Fuß Länge die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße und den übrigen Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See, sofern diese mehr als 100 km Luftlinie beträgt, zurücklegt, wobei der Straßenzu- oder -ablauf erfolgt:
- – entweder – für die Zulaufstrecke – zwischen dem Ort, an dem die Güter geladen werden, und dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof bzw. – für die Ablaufstrecke – zwischen dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof und dem Ort, an dem die Güter entladen werden.
- – oder in einem Umkreis von höchstens 150 km Luftlinie um den Binnen- oder Seehafen des Umschlags.“
Rz. 5
Art. 3 der Richtlinie bestimmt:
„Bei Beförderungen im kombinierten gewerblichen Verkehr ist das Beförderungspapier, das mindestens den Vorsc...