Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Rechtsschutz. Sanktionen. Klage auf Schadensersatz wegen Diskriminierung. Anerkenntnis der Schadensersatzforderung durch den Beklagten, ohne dass er das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung einräumt. Zusammenhang zwischen dem gezahlten Schadensersatz und der behaupteten Diskriminierung. Anspruch auf wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz. Nationale Verfahrensvorschriften, die das mit der Klage befasste Gericht daran hindern, trotz ausdrücklichen Antrags des Klägers über das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung zu entscheiden
Normenkette
Richtlinie 2000/43/EG Art. 7, 15; Charta der Grundrechte der Europäischen Union Art. 47
Beteiligte
Braathens Regional Aviation |
Diskrimineringsombudsmannen |
Braathens Regional Aviation AB |
Tenor
Die Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Rechtsvorschrift entgegenstehen, die ein Gericht, das mit einer Klage auf Schadensersatz wegen des Vorwurfs einer gemäß dieser Richtlinie verbotenen Diskriminierung befasst ist, daran hindert, den Antrag auf Feststellung des Vorliegens dieser Diskriminierung zu prüfen, wenn der Beklagte sich zur Zahlung des geforderten Schadensersatzes bereit erklärt, ohne jedoch das Vorliegen der Diskriminierung einzuräumen. Es ist Sache des mit einem Rechtsstreit zwischen Privatpersonen befassten nationalen Gerichts, im Rahmen seiner Befugnisse den Rechtsschutz zu gewährleisten, der den Einzelnen aus Art. 47 der Charta der Grundrechte erwächst, indem es erforderlichenfalls jede entgegenstehende Bestimmung des nationalen Rechts unangewendet lässt.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Högsta domstol (Oberster Gerichtshof, Schweden) mit Entscheidung vom 20. Dezember 2018, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Januar 2019, in dem Verfahren
Diskrimineringsombudsmannen
gegen
Braathens Regional Aviation AB
erlässt
DER GERICHTSHOF (Große Kammer)
unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta, der Kammerpräsidentin A. Prechal, der Kammerpräsidenten M. Vilaras, E. Regan und N. Piçarra, des Richters T. von Danwitz (Berichterstatter), der Richterin C. Toader, der Richter M. Safjan und D. Šváby, der Richterin K. Jürimäe, der Richter C. Lycourgos und P. G. Xuereb, der Richterin L. S. Rossi und des Richters I. Jarukaitis,
Generalanwalt: H. Saugmandsgaard Øe,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2020,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Diskrimineringsombudsman, vertreten durch M. Mörk, T. A. Qureshi und A. Rosenmüller Nordlander,
- der Braathens Regional Aviation AB, vertreten durch J. Josjö und C. Gullikson Dock, advokater, sowie durch J. Hettne,
- der schwedischen Regierung, zunächst vertreten durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, H. Shev und J. Lundberg, dann durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz und H. Shev als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch K. Simonsson, E. Ljung Rasmussen, G. Tolstoy und C. Valero als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. Mai 2020
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 7 und 15 der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. 2000, L 180, S. 22) in Verbindung mit Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Diskrimineringsombudsman (Bürgerbeauftragter für Diskriminierungangelegenheiten, Schweden), im Namen eines Fluggasts, der sich als Opfer einer Diskriminierung sieht, und der Braathens Regional Aviation AB (im Folgenden: Braathens), einer schwedischen Fluggesellschaft, die den Schadensersatzanspruch dieses Fluggasts anerkannt hat, ohne jedoch das Vorliegen der behaupteten Diskriminierung einzuräumen.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 19 und 26 der Richtlinie 2000/43 heißt es:
„(19) Opfer von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft sollten über einen angemessenen Rechtsschutz verfügen. Um einen effektiveren Schutz zu gewährleisten, sollte auch die Möglichkeit bestehen, dass sich Verbände oder andere juristische Personen unbeschadet der nationalen Verfahrensordnung bezüglich der Vertretung und Verteidigung vor Gericht bei einem entsprechenden Beschluss der Mitgliedstaaten im Namen eines Opfers oder zu seiner ...