Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Gleichbehandlung ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft. Geltungsbereich. Begriff ‚Bildung’. Vergabe von Stipendien, die juristische Forschungs- oder Studienvorhaben im Ausland fördern sollen, durch eine private Stiftung. Mittelbare Diskriminierung. Vergabe der Stipendien unter der Voraussetzung des Bestehens der Ersten Juristischen Staatsprüfung in Deutschland
Normenkette
Richtlinie 2000/43/EG Art. 3 Abs. 1 Buchst. g, Art. 2 Abs. 2 Buchst. b
Beteiligte
Studienstiftung des deutschen Volkes e. V |
Tenor
1. Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft ist dahin auszulegen, dass die Vergabe von Stipendien, die Forschungs- oder Studienvorhaben im Ausland fördern sollen, durch eine private Stiftung unter den Begriff „Bildung” im Sinne dieser Vorschrift fällt, wenn ein hinreichend enger Zusammenhang zwischen den vergebenen finanziellen Leistungen und der Teilnahme an den Forschungs- oder Studienvorhaben, die selbst unter diesen Bildungsbegriff fallen, besteht. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn die finanziellen Leistungen an die Teilnahme potenzieller Bewerber an einem solchen Forschungs- oder Studienvorhaben gebunden sind, ihr Ziel darin besteht, potenzielle finanzielle Hindernisse für die Teilnahme ganz oder teilweise zu beseitigen, und sie zur Erreichung dieses Ziels geeignet sind.
2. Art. 2 Abs. 2 Buchst. b der Richtlinie 2000/43 ist dahin auszulegen, dass keine mittelbare Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Sinne dieser Vorschrift vorliegt, wenn eine in einem Mitgliedstaat ansässige private Stiftung von ihr vergebene Stipendien, die juristische Forschungs- oder Studienvorhaben im Ausland fördern sollen, Bewerbern vorbehält, die in diesem Mitgliedstaat eine juristische Prüfung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende bestanden haben.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 1. Juni 2017, beim Gerichtshof eingegangen am 31. Juli 2017, in dem Verfahren
Heiko Jonny Maniero
gegen
Studienstiftung des deutschen Volkes e. V.
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung der Vizepräsidentin R. Silva de Lapuerta in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Ersten Kammer, der Richter A. Arabadjiev (Berichterstatter), E. Regan, C. G. Fernlund und S. Rodin,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: R. Şereş, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2018,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- von Herrn Maniero, vertreten durch die Rechtsanwälte S. Mennemeyer, P. Rädler und U. Baumann,
- der Studienstiftung des deutschen Volkes e. V., vertreten durch Rechtsanwalt E. Waclawik und G. Thüsing, Professor der Rechtswissenschaften,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, M. Hellmann und E. Lankenau als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch D. Martin und B.-R. Killmann als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 11. September 2018
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 2 Buchst. b und Art. 3 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft (ABl. 2000, L 180, S. 22).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Heiko Jonny Maniero und der Studienstiftung des deutschen Volkes e. V. (im Folgenden: Studienstiftung), in dem Herr Maniero auf Beseitigung und Unterlassung der Benachteiligung wegen seines Alters oder seiner Herkunft klagt.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 12 und 16 der Richtlinie 2000/43 heißt es:
„(12) Um die Entwicklung demokratischer und toleranter Gesellschaften zu gewährleisten, die allen Menschen – ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft – eine Teilhabe ermöglichen, sollten spezifische Maßnahmen zur Bekämpfung von Diskriminierungen aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft über die Gewährleistung des Zugangs zu unselbständiger und selbständiger Erwerbstätigkeit hinausgehen und auch Aspekte wie Bildung, Sozialschutz, einschließlich sozialer Sicherheit und der Gesundheitsdienste, soziale Vergünstigungen, Zugang zu und Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, mit abdecken.
…
(16) Es ist wichtig, alle natürlichen Personen gegen Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft zu schützen. …”
Rz. 4
Art. 2 „Der Begriff ‚Diskriminierung’”) Abs. 1 und 2 der Richtlinie sieht vor:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz’, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Ra...