Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verbraucherschutz. Verbraucherverträge. Hypothekendarlehen. Missbräuchliche Klauseln. Klausel über die Provision für die Bereitstellung des Darlehens. Klage auf Nichtigerklärung dieser Klausel und Rückzahlung des insoweit gezahlten Betrags. Klarheit und Verständlichkeit der Klauseln. Vorliegen spezifischer nationaler Rechtsvorschriften
Normenkette
Richtlinie 93/13/EWG Art. 3-5
Beteiligte
Caixabank (Commission d’ouverture du prêt) |
Tenor
1.Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Rechtsprechung entgegensteht, die in Anbetracht einer nationalen Regelung, nach der mit der Bereitstellungsprovision die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prüfung, Gewährung oder Bearbeitung des Hypothekendarlehens oder-kredits oder andere ähnliche Dienstleistungen vergütet werden, davon ausgeht, dass die Klausel, die eine solche Provision vorsieht, zum „Hauptgegenstand des Vertrags“ im Sinne dieser Bestimmung“ gehört, weil diese Provision einen Hauptteil des Preises bildet.
2.Art. 5 der Richtlinie 93/13
ist dahin auszulegen, dass
das zuständige Gericht bei der Beurteilung der Klarheit und Verständlichkeit einer Vertragsklausel, die die Zahlung einer Bereitstellungsprovision durch den Darlehensnehmer vorsieht, anhand aller einschlägigen Tatsachen überprüfen muss, dass dieser in die Lage versetzt wurde, die sich für ihn daraus ergebenden wirtschaftlichen Folgen einzuschätzen, die Art der Dienstleistungen, die als Gegenleistung für ein in der Klausel vorgesehenes Entgelt erbracht werden, zu verstehen und zu überprüfen, dass sich die verschiedenen, im Vertrag vorgesehenen Entgelte oder damit vergüteten Dienstleistungen nicht überschneiden.
3.Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13
ist dahin auszulegen, dass
er einer nationalen Rechtsprechung, die davon ausgeht, dass eine Vertragsklausel, die im Einklang mit der einschlägigen nationalen Regelung die Zahlung einer Bereitstellungsprovision durch den Darlehensnehmer vorsieht, mit der die Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Prüfung, Erstellung und individuellen Bearbeitung eines Hypothekendarlehens- oder Hypothekenkreditantrags vergütet werden sollen, gegebenenfalls kein erhebliches Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner zum Nachteil des Verbrauchers verursacht, dann nicht entgegensteht, wenn die Frage, ob ein solches Missverhältnis vorliegt, Gegenstand einer wirksamen Kontrolle durch das zuständige Gericht anhand der sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergebenden Kriterien ist.
Tatbestand
In der Rechtssache C-565/21
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Supremo (Oberster Gerichtshof, Spanien) mit Entscheidung vom 10. September 2021, beim Gerichtshof eingegangen am 14. September 2021, in dem Verfahren
Caixabank SA
gegen
X
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. Lycourgos, der Richterin L. S. Rossi, der Richter J.-C. Bonichot und S. Rodin (Berichterstatter) sowie der Richterin O. Spineanu-Matei,
Generalanwältin: J. Kokott,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Caixabank SA, vertreten durch J. Gutiérrez de Cabiedes Hidalgo de Caviedes, Abogado,
- – der spanischen Regierung, vertreten durch A. Gavela Llopis und M. J. Ruiz Sánchez als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Baquero Cruz und N. Ruiz García als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 bis 5 der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. 1993, L 95, S. 29).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Caixabank SA (im Folgenden: Bank) und X (im Folgenden: Verbraucher) über eine Klausel in einem hypothekarisch gesicherten Kreditvertrag, die eine Provision für die Bereitstellung des Darlehens vorsieht und missbräuchlich sein soll.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 93/13 bestimmt:
„Eine Vertragsklausel, die nicht im Einzelnen ausgehandelt wurde, ist als missbräuchlich anzusehen, wenn sie entgegen dem Gebot von Treu und Glauben zum Nachteil des Verbrauchers ein erhebliches und ungerechtfertigtes Missverhältnis der vertraglichen Rechte und Pflichten der Vertragspartner verursacht.“
Rz. 4
Art. 4 dieser Richtlinie lautet:
„(1) Die Missbräuchlichkeit einer Vertragsklausel wird unbeschadet des Artikels 7 unter Berücksichtigung der Art der Güter oder Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrages sind, aller den Vertragsabschluss begleitenden Umstände sowie aller anderen Klauseln desselben Vertrag...