Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung. Risikobasierter Ansatz. Bewertung der Risiken durch die Verpflichteten. Risikoermittlung durch die Mitgliedstaaten und die Verpflichteten. Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden. Verstärkte Sorgfaltspflichten. Drittland mit hohem Korruptionsrisiko. Nachweis- und Dokumentationsanforderungen an die Verpflichteten. Den Verpflichteten obliegende kontinuierliche Überwachung in Bezug auf Kunden. Veröffentlichung von Entscheidungen, mit denen eine Sanktion verhängt wird
Normenkette
Richtlinie (EU) 2015/849 Art. 18 Abs. 1, 3; Richtlinie (EU) 2015/849 Anhang III Nr. 3 Buchst. b; Richtlinie (EU) 2015/849 Art. 13 Abs. 1 Buchst. c, d, Art. 14 Abs. 5
Beteiligte
Tenor
1. Art. 18 Abs. 1 und 3 der Richtlinie (EU) 2015/849 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 2015 zur Verhinderung der Nutzung des Finanzsystems zum Zwecke der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 2005/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und der Richtlinie 2006/70/EG der Kommission in Verbindung mit Art. 5 und Anhang III Nr. 3 Buchst. b dieser Richtlinie
ist dahin auszulegen,
dass er einem Verpflichteten nicht auferlegt, einem Kunden allein deshalb automatisch ein hohes Risikoniveau zuzuschreiben und folglich verstärkte Sorgfaltspflichten gegenüber diesem Kunden anzuwenden, weil es sich bei diesem Kunden um eine Nichtregierungsorganisation handelt, einer der Angestellten dieses Kunden Staatsangehöriger eines Drittlands mit hohem Korruptionsrisiko ist oder ein Geschäftspartner dieses Kunden, nicht aber der Kunde selbst, mit einem solchen Drittland verbunden ist. Ein Mitgliedstaat kann jedoch im nationalen Recht solche Umstände als Faktoren festlegen, die auf ein potenziell höheres Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung hinweisen und die die Verpflichteten bei ihrer Risikobewertung in Bezug auf ihre Kunden berücksichtigen müssen, sofern diese Faktoren mit dem Unionsrecht, insbesondere mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Nichtdiskriminierung, vereinbar sind.
2. Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und d der Richtlinie 2015/849 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2, Art. 13 Abs. 4 und Art. 40 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie
ist dahin auszulegen, dass
er dem Verpflichteten nicht auferlegt, bei der Ausübung von Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, vom Kunden eine Kopie des zwischen diesem und einem Dritten geschlossenen Vertrags einzuholen, sofern der Verpflichtete der zuständigen nationalen Behörde andere geeignete Unterlagen vorlegen kann, die zum einen belegen, dass er die zwischen diesem Kunden und dem Dritten ausgeführte Transaktion und begründete Geschäftsbeziehung analysiert hat, und zum anderen, dass er dies bei der Anwendung der Sorgfaltspflichten, die in Anbetracht der ermittelten Risiken der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung erforderlich sind, gebührend berücksichtigt hat.
3. Art. 14 Abs. 5 in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 2015/849
ist dahin auszulegen, dass
die Verpflichteten auf der Grundlage einer auf aktuellem Stand gehaltenen Risikobewertung bei einem Bestandskunden – gegebenenfalls verstärkte – Sorgfaltspflichten anwenden müssen, wenn dies angemessen erscheint, insbesondere, wenn bei diesem Kunden eine Änderung von Umständen vorliegt, und zwar unabhängig davon, dass die im nationalen Recht festgelegte Frist für die Durchführung einer neuen Bewertung des Risikos in Bezug auf diesen Kunden noch nicht abgelaufen ist. Diese Verpflichtung gilt nicht nur für Kunden, bei denen ein hohes Risiko der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung besteht.
4. Art. 60 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2015/849
ist dahin auszulegen, dass
die zuständige nationale Behörde bei der Veröffentlichung einer wegen eines Verstoßes gegen die nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Richtlinie erlassenen Entscheidung, mit der eine Sanktion verhängt wird, sicherstellen muss, dass die veröffentlichten Informationen mit den in dieser Entscheidung enthaltenen Informationen genau übereinstimmen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Administratīvā rajona tiesa (Bezirksverwaltungsgericht, Lettland) mit Entscheidung vom 12. Oktober 2020, beim Gerichtshof eingegangen am 28. Oktober 2020, in dem Verfahren
SIA „Rodl & Partner”
gegen
Valsts ieņēmumu dienests
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, des Vizepräsidenten des Gerichtshofs L. Bay Larsen in Wahrnehmung der Aufgaben eines Richters der Ersten Kammer, der Richter P. G. Xuereb und A. Kumin (Berichterstatter) sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwalt: G. Pitruzzella,
Kanzler: M. Siekierzyńska, Verwaltungsr...