Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschafts- und Währungspolitik. Verordnungen (EG) Nrn. 1103/97 und 974/98. Einführung des Euro. Umrechnung zwischen nationalen Währungseinheiten und der Euro-Einheit. Regelung eines Mitgliedstaats über die Anpassung des Wertes in Euro bestimmter in den Rechtsvorschriften dieses Staates in nationaler Währung ausgedrückter Beträge
Beteiligte
Receveur principal de la recette des douanes de Brive |
Tenor
Die Verordnungen (EG) Nrn. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro und 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro sind dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der bei der Umrechnung des Betrags einer Abgabe auf Mehl, Feingrieß und Grobgrieß von Weichweizen, die für den menschlichen Verzehr geliefert oder verarbeitet werden, wie der im Ausgangsverfahren streitigen in Euro diese auf einen höheren Betrag festgesetzt wird, als er sich aus der Anwendung der in diesen Verordnungen vorgesehenen Umrechnungsregeln ergeben hätte, sofern bei einer solchen Erhöhung die durch die genannten Verordnungen gewährleisteten Anforderungen an die Rechtssicherheit und die Transparenz nicht beachtet werden, was bedeutet, dass die in Rede stehenden Rechtsvorschriften es erlauben, die Entscheidung der Behörden eines Mitgliedstaats, diesen Betrag zu erhöhen, von dem Vorgang der Umrechnung dieses Betrags in Euro klar zu unterscheiden. Es obliegt dem vorlegenden Gericht, zu prüfen, ob dies in dem bei ihm anhängigen Rechtsstreit der Fall ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Tribunal de grande instance de Brive-la-Gaillarde (Frankreich) mit Entscheidung vom 9. September 2005, beim Gerichtshof eingegangen am 26. September 2005, in dem Verfahren
Estager SA
gegen
Receveur principal de la recette des douanes de Brive
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans, des Richters J. Klučka, der Richterin R. Silva de Lapuerta (Berichterstatterin) sowie der Richter J. Makarczyk und G. Arestis,
Generalanwalt: M. Poiares Maduro,
Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2006,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Estager SA, vertreten durch F. Genot-Delbecque und N. Petrignet, avocates,
- der französischen Regierung, vertreten durch G. de Bergues und J.-C. Gracia als Bevollmächtigte,
- der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch J.-F. Pasquier und P. Aalto als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 26. Oktober 2006
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnungen (EG) Nrn. 1103/97 des Rates vom 17. Juni 1997 über bestimmte Vorschriften im Zusammenhang mit der Einführung des Euro (ABl. L 162, S. 1) und 974/98 des Rates vom 3. Mai 1998 über die Einführung des Euro (ABl. L 139, S. 1).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits der Estager SA (im Folgenden: Estager) gegen den Receveur principal de la recette des douanes de Brive (Haupteinnehmer des Zollamts Brive, im Folgenden: Receveur principal), in dem es um die Erhöhung einer Abgabe auf Mehl, Feingrieß und Grobgrieß von Weichweizen, die für den menschlichen Verzehr geliefert oder bearbeitet werden (im Folgenden: Abgabe), beim Übergang zum Euro geht.
Rechtlicher Rahmen
Gemeinschaftsrecht
3 Art. 1 der Verordnung Nr. 1103/97 bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck
– ‚Rechtsinstrumente’ Rechtsvorschriften, Verwaltungsakte, gerichtliche Entscheidungen, Verträge, einseitige Rechtsgeschäfte, Zahlungsmittel – außer Banknoten und Münzen – sowie sonstige Instrumente mit Rechtswirkung;
…”
4 Art. 3 der Verordnung lautet:
„Die Einführung des Euro bewirkt weder eine Veränderung von Bestimmungen in Rechtsinstrumenten oder eine Schuldbefreiung noch rechtfertigt sie die Nichterfüllung rechtlicher Verpflichtungen, noch gibt sie einer Partei das Recht, ein Rechtsinstrument einseitig zu ändern oder zu beenden. Diese Bestimmung gilt vorbehaltlich etwaiger Vereinbarungen der Parteien.”
5 Art. 4 der Verordnung sieht vor:
„(1) Die Umrechnungskurse werden als ein Euro, ausgedrückt in den einzelnen nationalen Währungen der teilnehmenden Mitgliedstaaten festgelegt. Sie werden mit sechs signifikanten Stellen festgelegt.
(2) Die Umrechnungskurse werden bei Umrechnungen nicht gerundet oder um eine oder mehrere Stellen gekürzt.
(3) Die Umrechnungskurse werden für Umrechnungen sowohl der Euro-Einheit in nationale Währungseinheiten als auch umgekehrt verwendet. Von den Umrechnungskursen abgeleitete inverse Kurse werden nicht verwendet.
(4) Geldbeträge, die von einer nationalen Währungseinheit in eine andere umgerechnet werden, werden zunächst in einen auf die Euro-Einheit lautenden Geldbetrag umgerechnet, der auf nicht weniger al...