Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausgabenabzug, Negative Einkünfte aus eigener Wohnung, Gebietsfremder, Anrechnung von Wohnungskosten auf Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, Niederlande, Gewährung von Steuervorteilen für Gebietsfremde, Auslandswohnung
Leitsatz (amtlich)
Art. 39 Abs. 2 EG ist dahin auszulegen, dass er einen Mitgliedstaat nicht daran hindert, es bei der Besteuerung der Einkünfte eines gebietsfremden Arbeitnehmers, der seine berufliche Tätigkeit während eines Teils des Jahres in diesem Mitgliedstaat ausübte, abzulehnen, diesem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung seiner persönlichen Lage und seines Familienstands einen Steuervorteil zu gewähren, mit der Begründung, er habe zwar seine gesamten oder nahezu seine gesamten Einkünfte im fraglichen Zeitraum in diesem Mitgliedstaat erzielt, doch stellten sie nicht den wesentlichen Teil seiner in dem betreffenden Jahr insgesamt zu versteuernden Einkünfte dar. Die Tatsache, dass dieser Arbeitnehmer in einen Drittstaat und nicht in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union umgezogen ist, um dort seine berufliche Tätigkeit auszuüben, hat keine Auswirkung auf diese Auslegung.
Normenkette
EGVtr Art. 39 Abs. 2
Beteiligte
Staatssecretaris van Financiën |
Verfahrensgang
Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) (Beschluss vom 13.12.2013; ABl. EU 2014, Nr. C 102/14) |
Tatbestand
„Vorlage zur Vorabentscheidung ‐ Freizügigkeit der Arbeitnehmer ‐ Steuerrecht ‐ Einkommensteuer ‐ Im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats erzielte Einkünfte ‐ Gebietsfremder Arbeitnehmer ‐ Besteuerung im Beschäftigungsstaat ‐ Voraussetzungen“
In der Rechtssache C-9/14
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Hoge Raad der Nederlanden (Niederlande) mit Entscheidung vom 13. Dezember 2013, beim Gerichtshof eingegangen am 13. Januar 2014, in dem Verfahren
Staatssecretaris van Financiën
gegen
D. G. Kieback
erlässt
DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter J.-C. Bonichot (Berichterstatter), A. Arabadjiev, J. L. da Cruz Vilaça und C. Lycourgos,
Generalanwältin: E. Sharpston,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
‐ von Herrn Kieback, vertreten durch S. Douma, G. Boulogne und N. Schipper, belastingadviseurs,
‐ der niederländischen Regierung, vertreten durch M. Bulterman und B. Koopman als Bevollmächtigte,
‐ der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und K. Petersen als Bevollmächtigte,
‐ der portugiesischen Regierung, vertreten durch L. Inez Fernandes, M. Rebelo und J. Martins da Silva als Bevollmächtigte,
‐ der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk, C. Meyer-Seitz, U. Persson, L. Swedenborg, E. Karlsson und K. Sparrman als Bevollmächtigte,
‐ der Europäischen Kommission, vertreten durch A. Cordewener und W. Roels als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 5. März 2015
folgendes
Urteil
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 39 EG (jetzt Art. 45 AEUV).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem Staatssecretaris van Financiën (Staatssekretär für Finanzen) und Herrn Kieback über die Weigerung der niederländischen Steuerverwaltung, auf die Einkünfte, die Herr Kieback im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2005 erzielte, in dem er in den Niederlanden abhängig beschäftigt war, Belastungen anzurechnen, die er in diesem Zeitraum aufgrund der Tilgung eines für den Erwerb einer eigenen, in Deutschland belegenen Wohnung aufgenommenen und durch eine Hypothek gesicherten Darlehens zu tragen hatte.
Rechtlicher Rahmen
Rz. 3
In den Niederlanden bestimmt Art. 2.3 der Wet Inkomstenbelasting 2001 (Einkommensteuergesetz 2001, im Folgenden: Gesetz von 2001):
„Die Einkommensteuer wird erhoben auf die vom Steuerpflichtigen im Kalenderjahr erzielten
a) steuerpflichtigen Einkünfte aus Arbeit und Wohnung,
b) steuerpflichtigen Einkünfte aus einer wesentlichen Beteiligung und
c) steuerpflichtigen Einkünfte aus Kapitalvermögen."
Rz. 4
Art. 2.4 des Gesetzes von 2001 sieht in Abs. 1 vor:
„Die steuerpflichtigen Einkünfte aus Arbeit und Wohnung werden bestimmt
a) für inländische Steuerpflichtige nach den Regeln des Kapitels 3;
b) für ausländische Steuerpflichtige nach den Regeln des Abschnitts 7.2 …"
Rz. 5
In Abs. 1 von Art. 2.5 des Gesetzes von 2001 heißt es:
„Inländische Steuerpflichtige, die nicht während des gesamten Kalenderjahrs in den Niederlanden wohnen, und ausländische Steuerpflichtige, die als Einwohner eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union oder eines durch Ministerialerlass bestimmten anderen Staats, mit dem die Niederlande ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung geschlossen haben, das den Austausch von Informationen vorsieht, in die Besteuerung durch diesen Mitgliedstaat oder Drittstaat einbezogen werden, können sich für die Anwendung der Vorschriften entscheiden, die dieses Gesetz für inländische Steuerpfl...