Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Schutz der Sicherheit und Gesundheit von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz. Mutterschaftsurlaub. Gleichbehandlung von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen. Urlaubsanspruch unselbständig tätiger Mütter nach der Geburt eines Kindes. Mögliche Inanspruchnahme durch die unselbständig tätige Mutter oder den unselbständig tätigen Vater. Selbständig tätige und keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossene Mutter. Ausschluss des Urlaubsanspruchs für den unselbständig tätigen Vater. Biologischer Vater und Adoptivvater. Grundsatz der Gleichbehandlung
Normenkette
Richtlinie 92/85/EWG Art. 8; Richtlinie 76/207/EWG Art. 2 Abs. 1, 3
Beteiligte
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) |
Tenor
Die Richtlinien 92/85/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von schwangeren Arbeitnehmerinnen, Wöchnerinnen und stillenden Arbeitnehmerinnen am Arbeitsplatz (zehnte Einzelrichtlinie im Sinne des Artikels 16 Absatz 1 der Richtlinie 89/391/EWG) und 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sind dahin auszulegen, dass sie einer innerstaatlichen Maßnahme nicht entgegenstehen, die wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Regelung vorsieht, dass der die Arbeitnehmereigenschaft besitzende Vater eines Kindes mit Zustimmung der ebenfalls die Arbeitnehmereigenschaft besitzenden Mutter nach dem Zeitraum des für die Mutter im Anschluss an die Entbindung obligatorischen sechswöchigen Urlaubs einen Mutterschaftsurlaub in Anspruch nehmen kann, es sei denn, dass eine Gefahr für die Gesundheit der Mutter besteht, während der die Arbeitnehmereigenschaft besitzende Vater eines Kindes einen solchen Urlaub nicht in Anspruch nehmen kann, wenn die Mutter des Kindes nicht die Arbeitnehmereigenschaft besitzt und keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossen ist.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Juzgado de lo Social n° 1 de Lleida (Spanien) mit Entscheidung vom 21. Dezember 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 3. Januar 2012, in dem Verfahren
Marc Betriu Montull
gegen
Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS)
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen, der Richter J. Malenovský, U. Lõhmus und M. Safjan (Berichterstatter) sowie der Richterin A. Prechal,
Generalanwalt: M. Wathelet,
Kanzler: M. Ferreira, Hauptverwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 21. Februar 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- des Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS), vertreten durch P. García Perea und A. R. Trillo García als Bevollmächtigte,
- der spanischen Regierung, vertreten durch A. Rubio González als Bevollmächtigten,
- der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna, J. Faldyga und A. Siwek als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek, C. Gheorghiu und S. Pardo Quintillán als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 11. April 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. L 39, S. 40), der Richtlinie 96/34/EG des Rates vom 3. Juni 1996 zu der von UNICE, CEEP und EGB geschlossenen Rahmenvereinbarung über Elternurlaub (ABl. L 145, S. 4) in der durch die Richtlinie 97/75/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 (ABl. 1998, L 10, S. 24) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 96/34) sowie des im Unionsrecht verankerten Grundsatzes der Gleichbehandlung.
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Herrn Betriu Montull und dem Instituto Nacional de la Seguridad Social (INSS) wegen der Versagung der von ihm beantragten Leistung bei Mutterschaft, die damit begründet wurde, dass die Mutter seines Kindes keinem öffentlichen System der sozialen Sicherheit angeschlossen sei.
Rechtlicher Rahmen
Völkerrecht
Rz. 3
Art. 10 Nr. 2 des von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 16. Dezember 1966 angenommenen und am 3. Januar 1976 in Kraft getretenen Internationalen Paktes über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte (im Folgenden: Pakt) sieht vor,
„dass Mütter während einer angemessenen Zeit vor und nach der Niederkunft besonderen Schutz genießen sollen. Während dieser Zeit sollen berufstätige Mütter...