Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialpolitik. Vorlage zur Vorabentscheidung. Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Verbot der Diskriminierung wegen des Alters. Ruhebezug. Nationale Regelung, die eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht. Erste Anpassung des Ruhebezugs, die für eine Gruppe von Beamten schneller vorgenommen wird als für eine andere. Rechtfertigungsgründe
Normenkette
Richtlinie 2000/78/EG Art. 2 Abs. 1, Art. 2 Buchst. a, Art. 6 Abs. 1
Beteiligte
BVAEB (Adaptation des pensions de retraite) |
Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB) |
Tenor
Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a und b sowie Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf
sind dahin auszulegen, dass
sie einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die im Hinblick auf eine schrittweise Angleichung des Beamtenpensionssystems an das allgemeine Pensionssystem vorsieht, dass die erstmalige Anpassung der Höhe des Ruhebezuges einer Gruppe von Beamten ab dem dem Beginn des Anspruchs auf den Ruhebezug zweitfolgenden Kalenderjahr vorzunehmen ist, während diese Anpassung bei einer anderen Gruppe von Beamten ab dem ersten auf Beginn dieses Anspruchs folgenden Kalenderjahr erfolgt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-52/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Österreich) mit Entscheidung vom 17. Jänner 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Jänner 2022, in dem Verfahren
BF
gegen
Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Siebte Kammer)
unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin M. L. Arastey Sahún (Berichterstatterin) sowie der Richter N. Wahl und J. Passer,
Generalanwältin: T. Ćapeta,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – von BF, vertreten durch Rechtsanwalt M. Riedl,
- – der österreichischen Regierung, vertreten durch A. Posch, J. Schmoll und F. Werni als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch B.-R. Killmann und D. Martin als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung der Generalanwältin ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. a sowie von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. 2000, L 303, S. 16) sowie der Grundsätze der Rechtssicherheit, der Besitzstandswahrung und der Effektivität des Unionsrechts.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen BF und der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (BVAEB, Österreich) über die Höhe des Ruhebezugs von BF.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Art. 1 („Zweck“) der Richtlinie 2000/78 sieht vor:
„Zweck dieser Richtlinie ist die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten.“
Rz. 4
In Art. 2 („Der Begriff ‚Diskriminierung‘“) der Richtlinie heißt es:
„(1) Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.
(2) Im Sinne des Absatzes 1
a) liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde;
b) liegt eine mittelbare Diskriminierung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen mit einer bestimmten Religion oder Weltanschauung, einer bestimmten Behinderung, eines bestimmten Alters oder mit einer bestimmten sexuellen Ausrichtung gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn:
i) diese Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt, und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich …
… “
Rz. 5
Art. 3 („Geltungsbereich“) der Richtlinie sieht in seinem Abs. 1 Buchst. c vor:
„Im Rahmen der auf die [Europäische] Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf
…
c) die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbei...