Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Rechtsangleichung. Biozidprodukte. Desinfektionsmittel, das Biozidprodukte enthält. Beschränkungen für die Werbung. Begriff ‚ähnliche Hinweise‘. Ziel der Gewährleistung eines hohen Schutzniveaus für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt
Normenkette
Verordnung (EU) Nr. 528/2012 (Biozid-Verordnung) Art. 72
Beteiligte
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. |
dm-drogerie markt GmbH & Co. KG |
Nachgehend
Tenor
Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten
ist dahin auszulegen, dass
der Begriff „ähnliche Hinweise“ im Sinne dieser Bestimmung jeden Hinweis in der Werbung für Biozidprodukte umfasst, der – wie die in dieser Bestimmung genannten Angaben – diese Produkte in einer Art und Weise darstellt, die hinsichtlich der Risiken dieser Produkte für die Gesundheit von Mensch oder Tier oder für die Umwelt oder ihrer Wirksamkeit irreführend ist, indem er diese Risiken verharmlost oder sogar negiert, ohne jedoch zwingend allgemeinen Charakter zu haben.
Tatbestand
In der Rechtssache C-296/23
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesgerichtshof (Deutschland) mit Entscheidung vom 20. April 2023, beim Gerichtshof eingegangen am 10. Mai 2023, in dem Verfahren
Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V.
gegen
dm-drogerie markt GmbH & Co. KG
erlässt
DER GERICHTSHOF (Erste Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Arabadjiev, der Richter T. von Danwitz, P. G. Xuereb (Berichterstatter) und A. Kumin sowie der Richterin I. Ziemele,
Generalanwalt: N. Emiliou,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V., vertreten durch Rechtsanwalt C. Rohnke,
- – der dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, vertreten durch Rechtsanwälte O. Bludovsky und D. Braunwarth,
- – der estnischen Regierung, vertreten durch M. Kriisa als Bevollmächtigte,
- – der griechischen Regierung, vertreten durch E. Leftheriotou und A.-E. Vasilopoulou als Bevollmächtigte,
- – der litauischen Regierung, vertreten durch V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch R. Lindenthal und M. Noll-Ehlers als Bevollmächtigte,
aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 72 Abs. 3 Satz 2 der Verordnung (EU) Nr. 528/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2012 über die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten (ABl. 2012, L 167, S. 1).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. (im Folgenden: ZBUW) und der dm-drogerie markt GmbH & Co. KG (im Folgenden: dm), eine bundesweit operierende Drogeriemarktkette, wegen der Beschreibung eines Biozidprodukts in deren Werbung.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1, 3, 53 und 61 der Verordnung Nr. 528/2012 heißt es:
„(1) Biozidprodukte sind notwendig zur Bekämpfung von für die Gesundheit von Mensch oder Tier schädlichen Organismen und zur Bekämpfung von Organismen, die natürliche oder gefertigte Materialien schädigen. Von Biozidprodukten kann allerdings aufgrund ihrer inhärenten Eigenschaften und der hiermit in Verbindung stehenden Formen der Verwendung ein Risiko für Mensch, Tier und Umwelt ausgehen.
…
(3) Zweck dieser Verordnung ist es, den freien Verkehr von Biozidprodukten innerhalb der [Europäischen] Union zu verbessern und gleichzeitig ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit von Mensch und Tier und für die Umwelt zu gewährleisten. Besondere Aufmerksamkeit sollte dem Schutz gefährdeter Gruppen wie Schwangeren und Kindern gelten. Diese Verordnung sollte auf dem Vorsorgeprinzip beruhen, um sicherzustellen, dass die Herstellung und Bereitstellung auf dem Markt von Wirkstoffen und Biozidprodukten keine schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Mensch oder Tier und keine unannehmbaren Auswirkungen auf die Umwelt haben. Um Hindernisse für den Handel mit Biozidprodukten so weit wie möglich zu beseitigen, sollten Regeln für die Genehmigung von Wirkstoffen sowie die Bereitstellung auf dem Markt und die Verwendung von Biozidprodukten, einschließlich Regeln für die gegenseitige Anerkennung von Zulassungen und für den Parallelhandel, aufgestellt werden.
…
(53) Damit die Verbraucher sachkundige Entscheidungen treffen können, um die Durchsetzung zu erleichtern und einen Überblick über den Verwendungszweck zu geben, sollten behandelte Waren entsprechend gekennzeichnet werden.
…
(61) Ei...