Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorlage zur Vorabentscheidung. Sozialpolitik. Leiharbeit. Grundsatz der Gleichbehandlung. Begriff ‚wesentliche Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Leiharbeitnehmer‘. Begriff ‚Arbeitsentgelt‘. Entschädigung wegen der infolge eines Arbeitsunfalls während der Überlassung eingetretenen dauerhaften vollständigen Unfähigkeit eines Leiharbeitnehmers, seinen gewöhnlichen Beruf auszuüben

 

Normenkette

Richtlinie 2008/104/EG; Richtlinie 2008/104/EG Art. 5 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 Buchst. f.

 

Beteiligte

Randstad Empleo u.a.

XXX

Randstad Empleo ETT SAU

Serveo Servicios SAU

Axa Seguros Generales SA de Seguros y Reaseguros

 

Tenor

Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit

ist dahin auszulegen, dass

er einer nationalen Regelung in ihrer Auslegung durch die nationale Rechtsprechung entgegensteht, nach der die Entschädigung, auf die Leiharbeitnehmer wegen dauerhafter vollständiger Unfähigkeit, ihren gewöhnlichen Beruf auszuüben, die infolge eines Arbeitsunfalls im entleihenden Unternehmen eingetreten ist und die Beendigung ihres Leiharbeitsverhältnisses zur Folge hat, Anspruch haben, niedriger ist als die Entschädigung, auf die diese Arbeitnehmer in der gleichen Situation und aus dem gleichen Grund Anspruch hätten, wenn sie von diesem entleihenden Unternehmen unmittelbar für den gleichen Arbeitsplatz und für die gleiche Dauer eingestellt worden wären.

 

Tatbestand

In der Rechtssache C-649/22

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Tribunal Superior de Justicia del País Vasco (Obergericht des Baskenlands, Spanien) mit Entscheidung vom 27. September 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 2022, in dem Verfahren

XXX

gegen

Randstad Empleo ETT SAU,

Serveo Servicios SAU,vormals Ferrovial Servicios SA,

Axa Seguros Generales SA de Seguros y Reaseguros

erlässt

DER GERICHTSHOF (Sechste Kammer)

unter Mitwirkung des Richters P. G. Xuereb in Wahrnehmung der Aufgaben des Kammerpräsidenten sowie des Richters A. Kumin (Berichterstatter) und der Richterin I. Ziemele,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: A. Calot Escobar,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

  • –        der spanischen Regierung, vertreten durch M. Morales Puerta als Bevollmächtigte,
  • –        der Europäischen Kommission, vertreten durch I. Galindo Martín und D. Recchia als Bevollmächtigte,

aufgrund des nach Anhörung des Generalanwalts ergangenen Beschlusses, ohne Schlussanträge über die Rechtssache zu entscheiden,

folgendes

Urteil

 

Entscheidungsgründe

Rz. 1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 20 und 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta), von Art. 2 EUV sowie von Art. 5 Abs. 1 Unterabs. 1 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 1 Buchst. f der Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (ABl. 2008, L 327, S. 9).

Rz. 2

Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen XXX, einem Leiharbeitnehmer, und der Randstad Empleo ETT SAU (im Folgenden: Randstad Empleo), einer Gesellschaft, mit der er einen Leiharbeitsvertrag schloss, der Serveo Servicios SAU, vormals Ferrovial Servicios SA (im Folgenden: Serveo Servicios), einem entleihenden Unternehmen, an das er überlassen wurde, und der Versicherungsgesellschaft Axa Seguros Generales SA de Seguros y Reaseguros (im Folgenden: Axa) über die Höhe der Entschädigung, auf die XXX wegen der infolge eines Arbeitsunfalls während der Überlassung in dem entleihenden Unternehmen eingetretenen dauerhaften vollständigen Unfähigkeit, seinen gewöhnlichen Beruf auszuüben, die zur Beendigung seines Arbeitsverhältnisses geführt hat, Anspruch hat.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

Richtlinie 91/383/EWG

Rz. 3

Der vierte Erwägungsgrund der Richtlinie 91/383/EWG des Rates vom 25. Juni 1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis (ABl. 1991, L 206, S. 19) hat folgenden Wortlaut:

„Untersuchungen haben gezeigt, dass Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis in einigen Bereichen generell in höherem Maße als andere Beschäftigte der Gefahr von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten ausgesetzt sind.“

Rz. 4

Art. 1 („Anwendungsbereich“) der Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt für

2.      Leiharbeitsverhältnisse zwischen einem Leiharbeitsunternehmen als Arbeitgeber einerseits und einem Arbeitnehmer andererseits, wobei Letzterer zur Verfügung gestellt wird, um für und unter der Kontrolle eines entleihenden Unternehmens und/oder einer entleihenden Einrichtung zu arbeiten.“

Rz. 5

Art. 2 („Zweck“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Ziel dieser Richtlinie ist es sicherzustellen, dass Arbeitnehmer mit einem Arbeitsverhältnis im Sinne des Artikels 1 im Hinblick auf Sicherheit und Gesundhei...

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