Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Zahlungsdienste im Binnenmarkt. Zahlungsdienst oder -vorgang. Ausgabe von E-Geld. Halten von Kundengeldern durch ein Zahlungsinstitut ohne konkreten Zahlungsauftrag. Einstufung
Normenkette
Richtlinie (EU) 2015/2366 Art. 4 Nrn. 3, 5; Richtlinie 2009/110/EG Art. 2 Nr. 2
Beteiligte
Tenor
Art. 4 Nr. 3 der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG sowie Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG
sind dahin auszulegen, dass
die Tätigkeit eines Zahlungsinstituts, die darin besteht, von einem Zahlungsdienstnutzer Geldbeträge entgegenzunehmen, ohne dass diesen Geldbeträgen sofort ein Zahlungsauftrag beigefügt ist, so dass sie auf einem von diesem Institut geführten Zahlungskonto im Sinne von Art. 4 Nr. 12 der Richtlinie 2015/2366 verfügbar bleiben, einen von dem Zahlungsinstitut erbrachten Zahlungsdienst im Sinne von Art. 4 Nr. 3 der Richtlinie 2015/2366 und keinen Vorgang der Ausgabe von E-Geld im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2009/110 darstellt.
Tatbestand
In der Rechtssache C-661/22
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Lietuvos vyriausiasis administracinis teismas (Oberstes Verwaltungsgericht Litauens) mit Entscheidung vom 19. Oktober 2022, beim Gerichtshof eingegangen am 20. Oktober 2022, in dem Verfahren
„ABC Projektai“ UAB, vormals „Bruc Bond“ UAB,
gegen
Lietuvos bankas
erlässt
DER GERICHTSHOF (Fünfte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten E. Regan sowie der Richter Z. Csehi (Berichterstatter), M. Ilešič, I. Jarukaitis und D. Gratsias,
Generalanwalt: M. Campos Sánchez-Bordona,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- – der „ABC Projektai“ UAB, vormals „Bruc Bond“ UAB, vertreten durch J. Jarusevičius, Advokatas, und P Grendelis,
- – der litauischen Regierung, vertreten durch V. Kazlauskaitė-Švenčionienė und E. Kurelaitytė als Bevollmächtigte,
- – der tschechischen Regierung, vertreten durch J. Očková, M. Smolek und J. Vláčil als Bevollmächtigte,
- – der deutschen Regierung, vertreten durch J. Möller und A. Hoesch als Bevollmächtigte,
- – der polnischen Regierung, vertreten durch B. Majczyna als Bevollmächtigten,
- – der Europäischen Kommission, vertreten durch C. Auvret, S. L. Kalėda, A. Steiblytė und H. Tserepa-Lacombe als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 5. Oktober 2023
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 4 Nrn. 3 und 5 der Richtlinie (EU) 2015/2366 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über Zahlungsdienste im Binnenmarkt, zur Änderung der Richtlinien 2002/65/EG, 2009/110/EG und 2013/36/EU und der Verordnung (EU) Nr. 1093/2010 sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2007/64/EG (ABl. 2015, L 337, S. 35) sowie von Art. 2 Nr. 2 der Richtlinie 2009/110/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Aufnahme, Ausübung und Beaufsichtigung der Tätigkeit von E-Geld-Instituten, zur Änderung der Richtlinien 2005/60/EG und 2006/48/EG sowie zur Aufhebung der Richtlinie 2000/46/EG (ABl. 2009, L 267, S. 7).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der „ABC Projektai“ UAB, vormals die „Bruc Bond“ UAB, und der Lietuvos bankas (Bank von Litauen) wegen des Entzugs der ABC Projektai zuvor erteilten Zulassung als Zahlungsinstitut.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Richtlinie 2009/110
Rz. 3
Der siebte Erwägungsgrund der Richtlinie 2009/110 lautet:
„Der Begriff ‚E-Geld‘ sollte eindeutig definiert werden, damit er technisch neutral ist. Diese Definition sollte alle Fälle abdecken, in denen ein Zahlungsdienstleister geldwerte Einheiten gegen Vorauszahlung bereitstellt, die für Zahlungen verwendet werden können, weil sie von Dritten als Zahlung akzeptiert werden.“
Rz. 4
Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2009/110 bestimmt:
„Diese Richtlinie legt Vorschriften für die Ausübung der Tätigkeit der Ausgabe von E-Geld fest, wobei die Mitgliedstaaten die folgenden Kategorien von E-Geld-Emittenten anerkennen:
a) Kreditinstitute gemäß Artikel 4 Nummer 1 der Richtlinie 2006/48/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2006 über die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit der Kreditinstitute (ABl. 2006, L 177, S. 1)] …;
b) E-Geld-Institute gemäß Artikel 2 Nummer 1 dieser Richtlinie …;
c) Postscheckämter …;
d) die Europäische Zentralb...