Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Übergang von Unternehmen. Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer. Ausnahmen. Insolvenzverfahren. ‚Pre-pack’. Fortbestand eines Unternehmens
Normenkette
Richtlinie 2001/23/EG Art. 3-5
Beteiligte
Federatie Nederlandse Vakvereniging u.a |
Federatie Nederlandse Vakvereniging |
Karin van den Burg-Vergeer |
Lyoba Tanja Alida Kukupessy |
Astrid Johanna Geertruda Petronelle Schenk |
Tenor
Die Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen – und insbesondere ihr Art. 5 Abs. 1 – ist dahin auszulegen, dass der in den Art. 3 und 4 dieser Richtlinie gewährleistete Schutz der Arbeitnehmer in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens aufrechterhalten wird, in der der Übergang eines Unternehmens im Anschluss an eine Konkurseröffnung im Zusammenhang mit einem „Pre-pack” stattfindet, das vor der Konkurseröffnung vorbereitet und unmittelbar danach vollzogen wird und in dessen Rahmen u. a. ein von einem Gericht bestellter Verwalter in spe die Möglichkeiten für eine etwaige Fortführung der Tätigkeiten dieses Unternehmens durch einen Dritten prüft und sich darauf vorbereitet, kurz nach der Konkurseröffnung Handlungen vorzunehmen, um diese Fortführung zu verwirklichen, und dass es insoweit im Übrigen nicht darauf ankommt, dass dieses „Pre-pack” auch die Maximierung des Erlöses aus der Übertragung für die Gesamtheit der Gläubiger des in Rede stehenden Unternehmens zum Ziel hat.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Rechtbank Midden-Nederland (Gericht der zentralen Niederlande) mit Entscheidung vom 24. Februar 2016, beim Gerichtshof eingegangen am 26. Februar 2016, in dem Verfahren
Federatie Nederlandse Vakvereniging,
Karin van den Burg-Vergeer,
Lyoba Tanja Alida Kukupessy,
Danielle Paase-Teeuwen,
Astrid Johanna Geertruda Petronelle Schenk
gegen
Smallsteps BV
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský (Berichterstatter), M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: P. Mengozzi,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 18. Januar 2017,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Federatie Nederlandse Vakvereniging sowie von Frau van den Burg-Vergeer, Frau Kukupessy, Frau Paase-Teeuwen und Frau Schenk, vertreten durch A. Simsek, advocaat,
- der Smallsteps BV, vertreten durch B. F. H. Rumora-Scheltema, H. T. ten Have und R. J. van Galen, advocaten,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch J. Langer und M. Bulterman als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch M. van Beek und M. Kellerbauer als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 29. März 2017
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 3 bis 5 der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S. 16).
Rz. 2
Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Federatie Nederlandse Vakvereniging (im Folgenden: FNV), einer niederländischen Gewerkschaftsvereinigung, sowie Frau Karin van den Burg-Vergeer, Frau Lyoba Tanja Alida Kukupessy, Frau Danielle Paase-Teeuwen und Frau Astrid Johanna Geertruda Petronelle Schenk auf der einen und der Smallsteps BV auf der anderen Seite wegen der Feststellung eines Übergangs von Arbeitsverhältnissen auf diese Gesellschaft.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
Die Richtlinie 2001/23 kodifiziert die Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26) in der durch die Richtlinie 98/50/EG des Rates vom 29. Juni 1998 (ABl. 1998, L 201, S. 88) geänderten Fassung.
Rz. 4
Der dritte Erwägungsgrund der Richtlinie 2001/23 lautet:
„Es sind Bestimmungen notwendig, die die Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel schützen und insbesondere die Wahrung ihrer Ansprüche gewährleisten.”
Rz. 5
Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 bestimmt:
„Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- bzw. Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch Verschmelzung anwendbar.”
Rz. 6
In Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23 heißt es:
„Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehe...