Entscheidungsstichwort (Thema)
Informationsgesellschaft. Urheberrecht. Internet. ‚Peer-to-Peer’-Programme. Anbieter von Internetzugangsdiensten. Einrichtung eines Systems der Filterung elektronischer Kommunikationen zur Verhinderung des urheberrechtsverletzenden Austauschs von Dateien. Keine allgemeine Verpflichtung, die übermittelten Informationen zu überwachen
Beteiligte
Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs SCRL (SABAM) |
Tenor
Die Richtlinien
- 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr),
- 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft,
- 2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums,
- 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr und
- 2002/58/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juli 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation (Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation)
- sind, bei einer Gesamtbetrachtung und einer Auslegung im Hinblick auf die sich aus dem Schutz der anwendbaren Grundrechte ergebenden Anforderungen, dahin auszulegen, dass sie der Anordnung an einen Anbieter von Internetzugangsdiensten entgegenstehen, ein System der Filterung
- aller seine Dienste durchlaufenden elektronischen Kommunikationen insbesondere durch die Verwendung von „Peer-to-Peer”-Programmen,
- das unterschiedslos auf alle seine Kunden anwendbar ist,
- präventiv,
- allein auf eigene Kosten und
- zeitlich unbegrenzt
einzurichten, mit dem sich im Netz dieses Anbieters der Austausch von Dateien ermitteln lässt, die ein musikalisches, filmisches oder audiovisuelles Werk enthalten, an dem der Antragsteller Rechte des geistigen Eigentums zu haben behauptet, um die Übertragung von Dateien, deren Austausch gegen das Urheberrecht verstößt, zu blockieren.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht von der Cour d'appel de Bruxelles (Belgien) mit Entscheidung vom 28. Januar 2010, beim Gerichtshof eingegangen am 5. Februar 2010, in dem Verfahren
Scarlet Extended SA
gegen
Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs SCRL (SABAM),
Beteiligte:
Belgian Entertainment Association Video ASBL (BEA Video),
Belgian Entertainment Association Music ASBL (BEA Music),
Internet Service Provider Association ASBL (ISPA),
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters J. Malenovský (Berichterstatter), der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász und G. Arestis,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: C. Strömholm, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 13. Januar 2011,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Scarlet Extended SA, vertreten durch T. De Meese und B. Van Asbroeck, avocats,
- der Société belge des auteurs, compositeurs et éditeurs SCRL (SABAM), der Belgian Entertainment Association Video ASBL (BEA Video) und der Belgian Entertainment Association Music ASBL (BEA Music), vertreten durch F. de Visscher, B. Michaux und F. Brison, avocats,
- der Internet Service Provider Association ASBL (ISPA), vertreten durch G. Somers, avocat,
- der belgischen Regierung, vertreten durch T. Materne, J.-C. Halleux und C. Pochet als Bevollmächtigte,
- der tschechischen Regierung, vertreten durch M. Smolek und K. Havlíčková als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von S. Fiorentino, avvocato dello Stato,
- der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und B. Koopman als Bevollmächtigte,
- der polnischen Regierung, vertreten durch M. Szpunar, M. Drwiecki und J. Golinski als Bevollmächtigte,
- der finnischen Regierung, vertreten durch M. Pere als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Samnadda und C. Vrignon als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. April 2011
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Richtlinien
- 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im Binnenmarkt (Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr) (ABl. L 178, S. 1),
- 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmte...