Entscheidungsstichwort (Thema)
Seeverkehr. Begriff ‚Seekabotage’. Kreuzfahrtdienste. Kreuzfahrt durch die Lagune von Venedig, das italienische Küstenmeer und den Fluss Po. Abfahrt und Ankunft in demselben Hafen
Normenkette
VO (EWG) Nr. 3577/92
Beteiligte
Alpina River Cruises und Nicko Tours |
Alpina River Cruises GmbH |
Ministero delle infrastrutture e dei trasporti – Capitaneria di Porto di Chioggia |
Tenor
Eine Seeverkehrsdienstleistung, die in einer Kreuzfahrt besteht, die mit denselben Passagieren in demselben Hafen des Mitgliedstaats, in dem sie durchgeführt wird, beginnt und endet, fällt unter den Begriff „Seekabotage” im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage).
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Consiglio di Stato (Italien) mit Entscheidung vom 20. November 2012, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Januar 2013, in dem Verfahren
Alpina River Cruises GmbH,
Nicko Tours GmbH
gegen
Ministero delle infrastrutture e dei trasporti – Capitaneria di Porto di Chioggia
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten M. Ilešič (Berichterstatter), der Richter C. G. Fernlund und A. Ó Caoimh, der Richterin C. Toader sowie des Richters E. Jarašiūnas,
Generalanwalt: P. Cruz Villalón,
Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. Oktober 2013,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Alpina River Cruises GmbH und der Nicko Tours GmbH, vertreten durch A. Clarizia, A. Veronese und R. Longanesi Cattani, avvocati,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Salvatorelli, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch G. Conte und L. Nicolae als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Dezember 2013
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Verordnung (EWG) Nr. 3577/92 des Rates vom 7. Dezember 1992 zur Anwendung des Grundsatzes des freien Dienstleistungsverkehrs auf den Seeverkehr in den Mitgliedstaaten (Seekabotage) (ABl. L 364, S. 7).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Gesellschaft schweizerischen Rechts Alpina River Cruises GmbH und der Gesellschaft deutschen Rechts Nicko Tours GmbH (im Folgenden zusammen: Alpina und Nicko Tours) auf der einen sowie dem Ministero delle infrastrutture e dei trasporti – Capitaneria di Porto di Chioggia (Infrastruktur- und Verkehrsministerium – Hafenbehörde Chioggia) auf der anderen Seite darüber, dass diese Behörde es gegenüber Alpina und Nicko Tours abgelehnt hat, ein unter Schweizer Flagge fahrendes Touristenschiff über das italienische Küstenmeer fahren zu lassen.
Rechtlicher Rahmen
Verordnung Nr. 3577/92
Rz. 3
Zu Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3577/92 heißt es:
„Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 gilt der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs im Seeverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage) für Gemeinschaftsreeder, deren Schiffe in einem Mitgliedstaat registriert sind und unter der Flagge eines Mitgliedstaats fahren, sofern diese Schiffe alle Voraussetzungen erfüllen, um zur Kabotage in diesem Mitgliedstaat zugelassen zu werden …”
Rz. 4
Art. 2 dieser Verordnung bestimmt:
„Im Sinne dieser Verordnung sind
‚Seeverkehrsdienstleistungen innerhalb eines Mitgliedstaats (Seekabotage)’ Dienstleistungen, die gewöhnlich gegen Entgelt erbracht werden und insbesondere Folgendes umfassen:
- Festlandskabotage: die Beförderung von Personen oder Gütern auf dem Seeweg zwischen Häfen auf dem Festland oder auf dem Hauptstaatsgebiet ein und desselben Mitgliedstaats, ohne dass Inselhäfen angelaufen werden;
- Offshore-Versorgungsdienste: die Beförderung von Personen oder Gütern auf dem Seeweg zwischen Häfen eines Mitgliedstaats und Anlagen oder Konstruktionen auf dem Festlandsockel dieses Mitgliedstaats;
Inselkabotage: die Beförderung von Passagieren oder Gütern auf dem Seeweg zwischen
- Häfen auf dem Festland und auf einer oder mehreren Inseln ein und desselben Mitgliedstaats,
- Häfen auf den Inseln innerhalb eines Mitgliedstaats;
…”
Rz. 5
Nach Art. 3 Abs. 1 dieser Verordnung ist „[b]ei Schiffen, die zur Festlandkabotage eingesetzt werden, sowie bei Kreuzfahrtschiffen … für alle Fragen im Zusammenhang mit der Besatzung des Schiffes der Staat zuständig, in dem das Schiff registriert ist (Flaggenstaat): hiervon ausgenommen sind Schiffe von weniger als 650 BRZ, auf die die Bedingungen des Aufnahmestaats angewandt werden können.”
Rz. 6
Art. 6 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3577/92 lautet:
„Folgende Seeverkehrsdienstleistungen im Mittelmeerraum und entlang der Küste Spaniens, Portugals und Frankreichs werden im Wege einer Sonderregelung von der Anwendung dieser Verordnung zeitweilig ausgenommen: