Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe. „REACH-Verordnung”. Allgemeine Registrierungspflicht und Informationsanforderungen. Nicht registrierte chemische Stoffe. Ausfuhr nicht registrierter chemischer Stoffe aus dem Gebiet der Europäischen Union
Beteiligte
Freie und Hansestadt Hamburg |
Tenor
Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission ist in Verbindung mit Art. 3 Nr. 12 dieser Verordnung dahin auszulegen, dass Stoffe, die bei ihrer Einfuhr in das Gebiet der Europäischen Union nicht nach dieser Verordnung registriert wurden, aus diesem Gebiet ausgeführt werden dürfen.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Bundesverwaltungsgericht (Deutschland) mit Entscheidung vom 10. September 2015, beim Gerichtshof eingegangen am 14. Oktober 2015, in dem Verfahren
Freie und Hansestadt Hamburg
gegen
Jost Pinckernelle,
Beteiligter:
Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht,
erlässt
DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)
unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten L. Bay Larsen (Berichterstatter) sowie der Richter M. Vilaras, J. Malenovský, M. Safjan und D. Šváby,
Generalanwalt: E. Tanchev,
Kanzler: K. Malacek, Verwaltungsrat,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 28. September 2016,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der Freien und Hansestadt Hamburg, vertreten durch Rechtsanwalt M. Vogelsang,
- von Herrn Pinckernelle, vertreten durch Rechtsanwältin A. Anisic,
- der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze, J. Möller und K. Petersen als Bevollmächtigte,
- der italienischen Regierung, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte im Beistand von M. Russo, avvocato dello Stato,
- der Europäischen Kommission, vertreten durch T. Maxian Rusche und D. Kukovec als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 21. Dezember 2016
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und zur Schaffung einer Europäischen Chemikalienagentur, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. 2006, L 396, S. 1, und Berichtigungen ABl. 2007, L 136, S. 3, ABl. 2008, L 141, S. 22 und ABl. 2009, L 36, S. 84, im Folgenden: REACH-Verordnung).
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg (Deutschland, im Folgenden: Stadt Hamburg) und Herrn Jost Pinckernelle über die Ausfuhr chemischer Substanzen aus dem Unionsgebiet, die ohne eine Registrierung u. a. nach Art. 5 der REACH-Verordnung eingeführt wurden.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Rz. 3
In den Erwägungsgründen 1 bis 3 und 7 der REACH-Verordnung heißt es:
„(1) Diese Verordnung sollte ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und für die Umwelt sicherstellen sowie den freien Verkehr von Stoffen als solchen, in Gemischen oder in Erzeugnissen gewährleisten und gleichzeitig Wettbewerbsfähigkeit und Innovation verbessern. …
(2) Der gemeinschaftliche Binnenmarkt für Stoffe kann nur dann wirksam funktionieren, wenn die Anforderungen an Stoffe in den einzelnen Mitgliedstaaten nicht wesentlich voneinander abweichen.
(3) Bei der Angleichung der Rechtsvorschriften für Stoffe sollte ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit und die Umwelt mit dem Ziel einer nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden. Die Rechtsvorschriften sollten ohne Diskriminierung danach angewandt werden, ob Stoffe innergemeinschaftlich oder im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen der Gemeinschaft international gehandelt werden.
…
(7) Damit die Einheit des Binnenmarkts erhalten bleibt und ein hohes Schutzniveau für die menschliche Gesundheit, insbesondere die Gesundheit der Arbeitnehmer, und für die Umwelt sichergestellt ist, muss dafür Sorge getragen werden, dass die Herstellung von Stoffen in der Gemeinschaft dem Gemeinschaftsrecht genügt, auch wenn diese Stoffe ausgeführt werden.”
Rz. 4
Art. 1 („Ziel und Geltungsbereich”) dieser Verordnung bestimmt in Abs. 1:
„Zweck dieser Verordnung ist es, ei...