Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorlage zur Vorabentscheidung. Grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung. Begriff ‚Versicherter’. Anspruch auf Sachleistungen vom Wohnmitgliedstaat für Rechnung des rentenzahlungspflichtigen Mitgliedstaats. Erstattung der Kosten der Gesundheitsversorgung, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Wohnmitgliedstaat und dem rentenzahlungspflichtigen Mitgliedstaat gewährt wurden. Voraussetzungen
Normenkette
Richtlinie 2011/24/EU Art. 3 Buchst. b Ziff. i, Art. 7; Verordnung (EG) Nr. 883/2004 Art. 1 Buchst. c, Art. 2, 24
Beteiligte
Centraal Administratie Kantoor |
Tenor
Art. 3 Buchst. b Ziff. i und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung in Verbindung mit Art. 1 Buchst. c und Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 geänderten Fassung sind dahin auszulegen, dass ein nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats zum Bezug einer Rente Berechtigter, der nach Art. 24 dieser Verordnung Anspruch auf Sachleistungen hat, die von seinem Wohnmitgliedstaat für Rechnung des rentenzahlungspflichtigen Mitgliedstaats erbracht werden, als „Versicherter” im Sinne von Art. 7 Abs. 1 dieser Richtlinie anzusehen ist, dem die Kosten der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung erstattet werden können, die er in einem dritten Mitgliedstaat erhalten hat, ohne dem Pflichtkrankenversicherungssystem des rentenzahlungspflichtigen Mitgliedstaats angeschlossen zu sein.
Tatbestand
In der Rechtssache
betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Centrale Raad van Beroep (Berufungsgericht in Sachen der sozialen Sicherheit und des öffentlichen Dienstes, Niederlande) mit Entscheidung vom 22. August 2019, beim Gerichtshof eingegangen am 26. August 2019, in dem Verfahren
Y
gegen
Centraal Administratie Kantoor
erlässt
DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)
unter Mitwirkung der Präsidentin der Dritten Kammer K. Jürimäe in Wahrnehmung der Aufgaben des Präsidenten der Vierten Kammer sowie der Richter S. Rodin und N. Piçarra (Berichterstatter),
Generalanwalt: A. Rantos,
Kanzler: A. Calot Escobar,
aufgrund des schriftlichen Verfahrens,
unter Berücksichtigung der Erklärungen
- der niederländischen Regierung, vertreten durch M. K. Bulterman und H. S. Gijzen als Bevollmächtigte,
- der Europäischen Kommission, zunächst vertreten durch D. Martin, L. Malferrari, M. van Beek und A. Szmytkowska, dann durch D. Martin, L. Malferrari, P. Vanden Heede und A. Szmytkowska als Bevollmächtigte,
nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 22. April 2021
folgendes
Urteil
Entscheidungsgründe
Rz. 1
Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 3 Buchst. b Ziff. i in Verbindung mit Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2011/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2011 über die Ausübung der Patientenrechte in der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung (ABl. 2011, L 88, S. 45), von Art. 1 Buchst. c, Art. 2 und Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. 2004, L 166, S. 1, Berichtigung ABl. 2004, L 200, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 988/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 (ABl. 2009, L 284, S. 43) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 883/2004) sowie von Art. 56 AEUV.
Rz. 2
Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen Y und dem Centraal Administratie Kantoor (Zentrales Verwaltungsbüro, Niederlande) (im Folgenden: CAK) wegen dessen Weigerung, Y die Kosten der Gesundheitsversorgung zu erstatten, die sie in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem Wohnmitgliedstaat und dem Mitgliedstaat, der Schuldner ihrer Altersrente ist, erhalten hat.
Rechtlicher Rahmen
Unionsrecht
Verordnung Nr. 883/2004
Rz. 3
Die Erwägungsgründe 3, 20 und 22 der Verordnung Nr. 883/2004 lauten:
„(3) Die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 über die Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbstständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern [(ABl. 1971, L 149, S. 2)], ist mehrfach geändert und aktualisiert worden, um nicht nur den Entwicklungen auf Gemeinschaftsebene – einschließlich der Urteile des Gerichtshofes –, sondern auch den Änderungen der Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene Rechnung zu tragen. Diese Faktoren haben dazu beigetragen, dass die gemeinschaftlichen Koordinierungsregeln komplex und umfangreich geworden sind. Zur Erreichung des Ziels des freien Personenverkehrs ist es daher von wesentlicher Bedeutung, diese Vorschriften zu ersetzen und dabei gleichzeitig zu aktualisi...