Das Bundeskabinett hat einen Entwurf für die neue Gefahrstoffverordnung beschlossen. Die regelt, wer vor Sanierungsarbeiten an älteren Wohnhäusern erkunden muss, ob Asbest verbaut wurde. Für Bauherren sind die Vorschriften entschärft worden. Das sorgt für Ärger.
Von Bodenbelag bis Dachplatte – asbesthaltiges Material wurde in den Jahren 1950 bis 1989 in Millionen von Wohnhäusern verbaut. Wo renoviert oder umgebaut wird, können die giftigen Fasern freigesetzt und zum Krebsrisiko werden. Im Zuge der Wärmewende steigt die Zahl von Gebäudesanierungen für den Klimaschutz in den kommenden Jahren und damit die Gefahr.
Das sorgt für Diskussionen um den Referentenentwurf für die Novelle der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV), den das Bundeskabinett am 21.8.2024 beschlossen hat. Die Novellierung sieht u. a, Neuregelungen im Umgang mit Asbest in Bestandsgebäuden vor.
Asbestverbot von 1993: Erkundungspflicht in der GefStoffV
Asbest ist eine mineralische Naturfaser mit guten Dämmeigenschaften sowie hoher Beständigkeit gegen Hitze und Chemikalien. In den 1970er-Jahren wurde bekannt, dass die Lunge durch das Einatmen der Fasern schwer geschädigt werden kann. Die Herstellung, das Inverkehrbringen und die Verwendung des krebserregenden Baustoffs und asbesthaltigen Produkten in Deutschland ist seit dem 31.10.1993 verboten – doch der Stoff befindet sich noch in vielen älteren Gebäuden.
Neben Dachplatten, Fassadenplatten und Bodenbelägen (festgebundener Asbest) können auch Fliesenkleber, Spachtelmassen und Putze Asbest enthalten. Hier ist die Verwendung nicht gleich erkennbar. Wenn das Produkt beschädigt oder bearbeitet wird, gelangen die gefährlichen Fasern in die Luft. Produkte mit schwach gebundenem Asbest geben die Fasern allein durch den Alterungsprozess und bei Erschütterung ab. Laut Umweltbundesamt (UBA) beträgt der Asbestanteil bei schwach gebundenen Produkten meist mehr als 60 %, bei festgebundenen Asbestprodukten 10 bis 15 %.
In den Vorentwürfen zur Novellierung der Gefahrstoffverordnung war noch eine Erkundungspflicht für Bauherren vorgesehen, wie sie im "Nationalen Asbestdialog für das Bauen im Bestand" gefordert worden ist, an dem auch Verbände aus der Bau- und Wohnungswirtschaft beteiligt waren. Im nun vom Kabinett beschlossenen Entwurf ist diese Pflicht gestrichen – Veranlasser von Sanierungen und anderen Arbeiten sollen nur noch über Baujahr und Nutzungsgeschichte informieren müssen.
Nationaler Asbestdialog: Verantwortung von Bauherren
Im Nationalen Asbestdialog wurde von 2017 bis 2020 über relevante Regeln diskutiert. Ein Ergebnis waren Eckpunkte, die Grundlage für die Novelle sein sollten, darunter auch eine Informationspflicht – vor Arbeiten an Gebäuden oder technischen Anlagen soll ein Auftraggeber darüber informieren, ob in der Bausubstanz Asbest enthalten ist oder enthalten sein könnte – und das Erkundungsgebot, bei dem unterstellt wird, dass alle vor dem Asbestverbot von 1993 erbauten Gebäude asbesthaltige Materialien enthalten könnten, und dass vorab Informationen einholen muss, wer die Arbeiten veranlasst.
Gefahrstoffverordnung: Reaktionen auf die Novelle
Dass die Erkundungspflicht für Veranlasser von Bau- und Sanierungsvorhaben gestrichen wurde, sei "praxisfern und nicht umsetzbar", so Holger Schwannecke, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH).
"Heute ist ein schwarzer Tag für den Arbeits- und den Umweltschutz", sagte Felix Pakleppa, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (ZDB) nach dem Kabinettsbeschluss. Statt Bauherren in die Verantwortung zu nehmen für Sanierungsprojekte, sollten nun die Baubetriebe allein sicherstellen, dass sie sich nicht einem erhöhten Gesundheitsrisiko aussetzen.
"Offenkundig befürchtet die Bundesregierung, dass eine Einbeziehung der Bauherren in die Verantwortung für Asbest diese abhalten könnte, ihre Gebäude energetisch zu sanieren", so Pakleppa. Die Baubranche forderte den Bundesrat auf, nach der Sommerpause Änderungen an der GefStoffV anzugehen.